DOMRADIO.DE: Was ist für Sie das Kolumba Museum?
Dr. Marc Steinmann (neuer Direktor des erzbischöflichen Kölner Kunstmuseums Kolumba): Das Kolumba ist ein Kunstmuseum. Das ist ganz wichtig, dieses Wort "Kunst". Mich fasziniert dabei die ganze Bandbreite, die Kunst hat, von der alten Kunst bis in die neue Kunst. Da gibt es immer wieder neue Aspekte. Mich interessiert, was das mit uns Menschen zu tun hat. Das ist ganz viel, weil sich gute Kunst immer wieder neu mit den existenziellen Fragen des Menschseins beschäftigt. Das ist in der Regel nicht "schöner Wohnen", sondern da geht es um grundsätzliche Fragen.
DOMRADIO.DE: Der Erzbischof des Erzbistums Köln, Kardinal Woelki, gratuliert Ihnen herzlich zu Ihrer neuen Aufgabe und sagt, er hoffe, dass der neue Direktor das Kolumba-Museum weiterhin aus einer religiösen Prägung entwickeln wird. Was bedeutet das für Sie?
Steinmann: Ich bin katholisch. Mich fasziniert das katholische Menschenbild. Das hat mich eigentlich immer geprägt und umgetrieben. Robert Schumann, nicht der Komponist, sondern der französische Politiker, der quasi den Grundstein für die EU gelegt hat, hat seine ganze Versöhnungspolitik zwischen Luxemburg, Frankreich, Lothringen und Deutschland auch auf Basis dieses Menschenbildes gemacht. Das hat mich immer schon fasziniert. Ich finde mich da in vielen Bereichen wieder.
DOMRADIO.DE: Was ist für Sie christliche Kunst?
Steinmann: Das kann ich nicht sagen, das weiß ich nicht. Man könnte vereinfacht sagen, dass Kunst Fragen nach Liebe, Tod und Glauben stellt. Und was kommt danach? Hoffnung, Verzweiflung? Das sind all diese Fragen, die mich als Mensch umtreiben. Wenn es um die Transzendenz geht, die ich ja rational nicht begreifen kann, die aber ja hoffentlich doch irgendwo da ist, dann habe ich christliche Kunst. Da muss jetzt nicht unbedingt ein Symbol drauf sein.
Klar, die christliche Tradition ist enorm wichtig. Es ist auch richtig, diese Tradition zu vermitteln, weil ich mich frage, welche Geschichten wir noch mit den Menschen von damals gemeinsam haben? Die ganze bildende Kunst, Musik und Literatur basiert auf gemeinsamen Geschichten. Die Bibel ist eine hervorragende Quelle dafür. Und wenn wir die Geschichten nicht mehr kennen, wo ist dann die Gemeinsamkeit? Worüber reden wir? Das ist eine Aufgabe auch von Museen, das Wissen um christliche Kunst durchaus zu vermitteln und weiterzugeben.
DOMRADIO.DE: Sie übernehmen das Museum in auch finanziell nicht ganz einfachen Zeiten. Überall wird gespart, auch die Museen müssen sparen. Wie nehmen Sie diese Herausforderung an?
Steinmann: Wir müssen den Stier bei den Hörnern packen. Wir müssen damit umgehen und gucken, dass wir das Beste daraus machen und die Qualität nicht verlieren. Natürlich muss alles auf den Prüfstand. Vielleicht können wir das eine oder andere nicht mehr machen. Vielleicht wird das Taschenbuch dann ein Kurzführer, weil die Texte nicht mehr ganz so lang werden dürfen, weil wir es einfach zeitlich nicht gestemmt kriegen.
Ich fände es schade, wenn wir diese individuelle Eins-zu-eins-Betreuung, die wir vielfach mit den Menschen hier haben, verlieren würden. Wir beantworten Fragen, selbst wenn sie banal sind. Wir beantworten sie alle. Wir reden also mit den Menschen. Es wäre schade, wenn wir das reduzieren müssten.
DOMRADIO.DE: Wir leben in vielfältigen Krisen, Demokratiekrise, Klimakrise und auch die Kirche ist in der Krise. Was kann denn das Kolumba dazu beitragen, dass auch die Kirche wieder an Selbstbewusstsein gewinnt?
Steinmann: Ich hoffe, dass wir auch in die Kirche, in die eigene Institution hineinwirken. Es geht immer um die Frage nach Identität. Aber Identitätsfindung hängt zum Beispiel auch mit Zweifeln, mit Selbstzweifeln zusammen, ich muss mich infrage stellen können.
In der Demokratiekrise stellt sich auch die Frage, was die richtigen Bilder sind, was falsche Bilder sind und wie ich mit Bildern umgehe? Wir haben hier einige Arbeiten in der laufenden Ausstellung, wo man das sehr schön sehen kann. Das wird, glaube ich, ein ganz wichtiges, großes Thema von Kunstmuseen, Bildkompetenz bei Besucherinnen und Besuchern zu entwickeln.
DOMRADIO.DE: Sie streben auch an, mit dem Erzbistum Köln intensiver zusammenzuarbeiten, und laden alle Katecheten-Gruppen ein, ins Kolumba-Museum zu kommen.
Steinmann: Ja, wir sind Teil des Erzbistums, wir verstehen uns zumindest so. Wir freuen uns natürlich über alle Teile des Erzbistums, die herkommen. Unsere Türen sind offen. Wir machen hier tolle Angebote und das Haus selber ist ein wunderbarer Ort, um sich auszutauschen. Wir sagen immer, das Kolumba ist ein Ort des Vertrauens, des Diskurses, des Austauschs. Da kann man mit Gruppen kommen und auch gemeinsam um diese intimen, religiösen Fragen ringen, diskutieren, sich austauschen.
Auch mich bereichert es, wenn ich mit Gruppen vor einem Objekt, vor einem Kunstwerk stehe und mitbekomme, dass es jemanden berührt, etwas lostritt. Das habe ich so noch gar nicht gesehen.
Glaube vermittelt sich eben auch durch Vorbild. Und wenn sich vor einem Kunstwerk sowas öffnet, dann ist das eine große Chance.
Das Interview führte Johannes Schröer.