Die Präimplantationsdiagnotik ist bislang weiterhin verboten

Gesetz verabschiedet - viele Fragen offen

Es klingt paradox: Seitdem das Gesetz zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) vor gut einem halben Jahr in Kraft trat, kann die PID in Deutschland nicht mehr angewendet werden. Denn es fehlt die notwendige Rechtsverordnung. Sie soll die Details regeln. Das Gesundheitsministerium strebt nun eine Kabinettsbefassung noch vor der Sommerpause an. Danach muss noch der Bundesrat zustimmen.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Laut Gesetz ist die PID grundsätzlich verboten, es sei denn, Paare sind genetisch erheblich vorbelastet. Dann können sie die im Reagenzglas erzeugten Embryonen auf die Anlage zu schweren Erbkrankheiten untersuchen lassen. Ferner erlaubt der Gesetzgeber die PID zur Feststellung "einer schwerwiegenden Schädigung" der Embryonen, "die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird". Da dies nie auszuschließen ist, sehen Kritiker den Weg für ein Screening eröffnet - zumal angesichts der wachsenden Zahl später Schwangerschaften.



Damit wäre die PID ein ergänzendes Angebot bei den jährlich bereits rund 70.000 In-vitro-Fertilisationen - eine Diagnostik vor der Schwangerschaft, zusätzlich zur späteren Pränataldiagnostik (PND). Die PID-Befürworter hatten ohnehin einen Wertungswiderspruch beklagt, da Ärzte bei einem Verbot der PID "geschädigte" Embryonen einpflanzen müssten, die später nach einer PND abgetrieben würden.



Die PID ist heftig umstritten. Während Befürworter auf den unerfüllten Kinderwunsch und das Leid genetisch vorbelasteter Eltern verweisen, befürchten Gegner eine Form der Selektion menschlichen Lebens nach bestimmten Qualitätskriterien. Die Rechtsverordnung soll garantieren, dass die vom Gesetz festgelegten Grenzen eingehalten werden und die Diagnostik nicht zu anderen Zwecken - etwa der Auswahl nach Geschlecht - eingesetzt wird.



So darf eine PID laut Gesetz nur "nach einer medizinischen und psychosozialen Beratung" von "fachlich geschulten Ärzten" erfolgen.

In der Rechtsverordnung zu regeln ist noch, wie die Beratung auszusehen hat und welche Expertise die Ärzte haben müssen. Ferner verlangt das Gesetz das Votum einer Ethikkommission. Doch wer beruft diese, und wo ist sie angesiedelt? Auch dies soll in der Verordnung stehen.



Viele Probleme

Unklar ist zudem die Kompetenz. Ist sie nur eine "Absegnungsinstanz", die sich dem Willen der Paare kaum widersetzen kann? So befürchtet es der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio. Oder soll sie entscheiden, ob ein Embryo auch bei spät auftretenden Erbkrankheiten wie Chorea Huntington verworfen werden soll, wie dies der Lübecker Reproduktionsmediziner Klaus Diedrich meint? Die Regierung muss zudem festlegen, welche und wie viele Zentren die PID anbieten dürfen.



Offen ist auch, welche Art der PID überhaupt erlaubt ist. Im Gesetz heißt es nur, dass sie dem "allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik" entsprechen soll. Johannes Singhammer (CSU), ein Initiator des Verbotsantrags im Bundestag, verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach die international übliche Methode in Deutschland nach Embryonenschutzgesetz (ESchG) unzulässig ist.



Ein weiteres Problem: Nach Stand der Technik erfordert die PID die Herstellung von weit mehr als den vom ESchG erlaubten drei Embryonen pro Zyklus. Nach Angaben des Düsseldorfer Reproduktionsmediziners Jan-Steffen Krüssel hat sich inzwischen vielerorts der "deutsche Mittelweg" etabliert. Nach dieser "liberalen Auslegung" des ESchG wird die Zahl befruchteter Eizellen individuell festgelegt.

Inwiefern all dies vom Recht gedeckt ist, bleibt offen.



Auch wenn mit der Rechtsverordnung die PID angewendet wird, ergibt sich nach Ansicht der Kritiker ein neues Paradox: Der Gesetzgeber überwacht mit großem Aufwand die Anwendung in engen Grenzen, um einen Missbrauch zu verhindern. Was aber mit den zwangsläufig anfallenden überzähligen Embryonen geschieht, interessiert ihn offenbar nicht mehr.