Die neue BDKJ-Vorsitzende im Interview

"Es lohnt, sich einzumischen!"

Seit dem vergangenen Wochenende steht Ursula Fehling zusammen mit Dirk Tänzler und Pfarrer Simon Rapp an der Spitze des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur erläutert die gebürtige Pforzheimerin, warum sie sich in der Verbandsarbeit engagiert - und welche Schwierigkeiten kirchliche Jugendorganisationen im Osten Deutschlands haben.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

KNA: Frau Fehling, zunächst mal Glückwunsch zum neuen Amt. Und weil nach der Wahl vor der Wahl ist: Welche Akzente will der BDKJ im anstehenden Superwahljahr setzen?
Fehling: Mit unserer derzeit laufenden Kampagne "Werde WahlheldIn!" versuchen wir, im Vorfeld der Europawahl Erst- und Jungwähler zu aktivieren. Für die Bundestagswahl wollen wir unter anderem mit einem "Methodenkoffer" junge Menschen motivieren, sich auch aktiv einzumischen. Außer einem Handyfilm mit persönlichen, politischen Botschaften bieten wir auf der BDKJ-Homepage auch Hintergrundinformationen zum demokratischen Prozedere und beleuchten, wie es um die jugendpolitisch relevanten Themenfelder bestellt ist.

KNA: Als da wären?
Fehling: Gleiche Bildungschancen für alle, der Kampf gegen Kinderarmut und Maßnahmen zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit. Da gibt es allgemein noch großen Nachholbedarf.

KNA: Aber stehen diese Bereiche nicht angesichts der Debatte um die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise bei den großen Parteien eher im Hintergrund?
Fehling: Leider ja. Wobei sich die Finanzkrise unmittelbar auf die Situation von Jugendlichen besonders auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt niederschlägt. Das merken wir als Verband etwa ganz konkret in der Jugendberufshilfe, wo wir benachteiligte Jugendliche fit für den Job machen. Es ist bedauerlich, dass solche Aspekte bei den aktuellen Konjunkturdebatten nicht stärker berücksichtigt werden. Insofern greift die Diskussion hier eindeutig zu kurz.

KNA: Haben Sie Verständnis für die Politikverdrossenheit gerade unter den jüngeren Wählern?
Fehling: Ich würde nicht von Politikverdrossenheit junger Menschen sprechen. Denn sie engagieren sich dort, wo es sie konkret angeht:
in der Schule, im Stadtteil oder eben im Jugendverband. Für die große Politik sehen wir eher Unverständnis junger Menschen als Verdrossenheit. Gerade deswegen geht es uns darum, wieder Begeisterung für die Demokratie zu vermitteln, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu zeigen, dass es lohnt, sich in die Politik einzumischen. Wer das einmal ausprobiert hat, weiß, wie bereichernd diese Erfahrung ist.

KNA: Ist das auch eine Motivation für ihr persönliches Engagement?
Fehling: Ich bin seit 16 Jahren in der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg aktiv. In dieser Zeit habe ich gelernt, dass Jugendverbände in der Lage sind, das Leben von Heranwachsenden zu bereichern, ihnen zugleich Entfaltungsmöglichkeiten und Halt zu geben. Das ist eine Erfahrung, die ich selbst als bereichernd empfunden habe, und die ich jetzt gerne auf Bundesebene in die Gesellschaft hineintragen möchte. Jugendlichen eine Stimme zu geben und diese zu Gehör zu bringen - das halte ich für eine ziemlich spannende Aufgabe.

KNA: Zuletzt waren Sie als Referentin für den Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt tätig, ein Zusammenschluss von kirchlichen und nichtkirchlichen Verbänden. Vor welchen Herausforderungen steht die Jugendarbeit im Osten Deutschlands?
Fehling: Die größte Herausforderung für alle Organisationen ist der mentalitätsbedingte Vorbehalt gegenüber jeder Form von verbandlichem Engagement. Katholische und evangelische Anbieter haben darüber hinaus noch mit echten Vorurteilen gegenüber der Kirche zu kämpfen.
Da wird man allzuoft in eine Schublade gesteckt.

KNA: Wie kann der BDKJ als Dachverband dagegen angehen?
Fehling: Indem er Kontakt zur Basis hält und das Engagement, falls irgendwie möglich, weiter ausbaut. Auch 20 Jahre nach der Wende ist der BDKJ längst nicht überall im Osten Deutschlands präsent. Da ist sicher noch Luft nach oben. Ein positives Beispiel ist für mich das Engagement des Diözesanverbandes Magdeburg. Dort besuchen BDKJ-Mitarbeiter einzelne Kirchengemeinden und Jugendgruppen vor Ort, um zu erfahren, was die Jugendlichen in ihrem Alltag bewegt und welche Anknüpfungspunkte es für christliche Jugendarbeit überhaupt gibt.

KNA: Das Netz an Pfarrgemeinden dürfte jedenfalls so dicht nicht sein...
Fehling: Genau das ist eine unserer Hauptschwierigkeiten: Es fehlt an der nötigen Infrastruktur. Aber das ist nicht nur ein Problem von kirchlichen Verbänden, sondern gilt auch für alle demokratischen Organisationen und Einrichtungen. Trotzdem wollen wir weiterhin unser Engagement in den betroffenen Gegenden fortführen.

KNA: Warum?
Fehling: Weil wir ansonsten das Feld rechten Organisationen überlassen - so wie das in einigen Dörfern in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg ja schon der Fall ist. Und das wollen wir nicht.

KNA: Wer soll das finanzieren?
Fehling: Die Kirchen allein können diese Aufgabe nicht stemmen.
Deswegen sind auch die verantwortlichen Politiker gefragt, klare Signale zu setzen, jenseits aller Wahlkampagnen. Die finanzielle Förderung für demokratische Angebote muss weiterlaufen - auch wenn die Ankurbelung der Wirtschaft derzeit im Vordergrund steht.