DOMRADIO.DE: Das Scheitelkäppchen des Papstes ist eine Art Nabelschnur zu den Gläubigen. Was bedeutet das?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Das hat mittlerweile eine besondere Bewandtnis bekommen, weil der Papst es immer wieder neu gereicht bekommt. Wenn er zum Beispiel bei einer Generalaudienz durch die Menge fährt, sieht man immer wieder, wie ihm jemand ein neues Scheitelkäppchen reicht.
Der Papst nimmt es an, setzt es entweder auf, oder er tauscht es sogar aus und gibt es den Gläubigen wieder zurück. Das ist eine interessante Begebenheit, die wir immer wieder sehen können, in letzter Zeit.
DOMRADIO.DE: Es gab in der Geschichte sogar Herrscher, die ausdrücklich um die Zusendung eines solchen Käppchens gebeten haben, oder?
Nersinger: Im 19. Jahrhundert gab es die Kaiserin Eugénie, die Gemahlin von Kaiser Napoleon III. Sie war eine sehr fromme Frau und eine Verehrerin des Papstes. Sie hat immer wieder für fromme Mitglieder des Hofes um neue Käppchen gebeten. Das war im Grunde fast eine Großabnehmerin dieses Brauchs.
DOMRADIO.DE: Für diejenigen, die diese Käppchen herstellen, ist das ein tolles Geschäft, oder?
Nersinger: Die machen ein tolles Geschäft. Man könnte fast sagen, die haben ihren Reibach gemacht. Selbst wenn es die Gläubigen nicht schaffen, das Käppchen mit dem Papst austauschen zu lassen, ist es verkauft worden. Das ist ein gutes Geschäft für diese "geistlichen Schneider", die es in Rom gibt.
DOMRADIO.DE: Welcher Papst hat besonders gerne sein Scheitelkäppchen verteilt?
Nersinger: In der jüngeren Vergangenheit tauchte dieser Brauch besonders im Pontifikat Papst Pius IX. von 1846 bis 1878 auf. Da war das ein Highlight, auch bei den Rombesuchen.
DOMRADIO.DE: Wird es auch missbräuchlich verwendet?
Nersinger: Es gab immer Versuche, gefälschte Papstkäppchen zu verkaufen oder anzubieten. Das haben wir auch in jüngster Vergangenheit erlebt.
DOMRADIO.DE: Was ist da passiert?
Nersinger: Erzbischof Georg Gänswein, der frühere Präfekt des Päpstlichen Hauses, hat angemahnt, dass Käppchen von Papst Benedikt XVI. bei Ebay angeboten wurden. Das seien Fake-Angebote, um Geld zu beschaffen oder Geld zu verdienen.
DOMRADIO.DE: Wie verhält sich Leo XIV. bei der Weitergabe seiner Käppchen?
Nersinger: Wenn man aufmerksam die Fahrten des Papstes bei der Generalaudienz beobachtet, sieht man ab und zu, wie dem Papst ein solches Käppchen gereicht wird. Leo geht damit sehr souverän um.
Manchmal nimmt er das Käppchen direkt und tauscht es aus. Manchmal setzt er es auch nur kurz auf. Ob ihm das gefällt, weiß ich nicht. Aber es ist ein Brauch, der sich so entwickelt hat.
Der protestantische Geschichtsschreiber Ferdinand Gregorovius hat im Pontifikat Pius IX. gesagt, dass die Leute ein Stück Papst mit nach Hause nehmen wollen. Das steckt dahinter und ich denke, die Päpste in der Vergangenheit und auch der jetzige Papst haben dafür Verständnis.
Das Interview führte Carsten Döpp.