Die kirchenmusikalische Ausbildung in Köln bietet viele Möglichkeiten

Vom Bürgermeister zum Meister der Noten

Er ist Musiker aus Leidenschaft, doch erst mit Ende 50 widmete er sich beruflich ganz der Musik. Michael von Rekowski war elf Jahre Bürgermeister von Wipperfürth. Dort ist er jetzt hauptberuflicher Kirchenmusiker. Wie kam es dazu?

Autor/in:
Mathias Peter
Michael von Rekowski an der Orgel in der Evangelischen Kirche in Wipperfürth. (privat)
Michael von Rekowski an der Orgel in der Evangelischen Kirche in Wipperfürth. / ( privat )

DOMRADIO.DE: Sie sind viele Jahre Gesundheitsmanager gewesen und vor allem elf Jahre Bürgermeister von Wipperfürth. Danach sind Sie wieder zurück in den Gesundheitsbereich gegangen. Wie kam es denn für Sie zu dem Entschluss zu sagen, dass Sie mit Ende 50 noch mal einen kompletten Berufswechsel wagen? 

Michael Styp von Rekowski (Kantor an der Evangelischen Kirchengemeinde Wipperfürth): Ich wollte gerne noch etwas für mich persönlich tun und nicht mehr beruflich im Bereich Projektmanagement, Organisationsentwicklung oder Führungsstrategien unterwegs sein. Das habe ich alles schon in meiner langjährigen Berufszeit getan.

Dann habe ich in unserer Zeitung gelesen, dass wieder ein C-Kurs zur Ausbildung von Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker im Erzbistum Köln startet. Das hatte ich früher schon mal vor, aber als Bürgermeister hatte ich keine Zeit dafür. Ja, und dann habe ich mich bei Bernhard Nick, dem damaligen Regionalkantor gemeldet, und wir haben einen Termin vereinbart. Er hat sich angehört, wie ich Orgel und Klavier spiele. 

Ich habe ja schon als Jugendlicher immer wieder als Aushilfsorganist rudimentär die Lieder im Gottesdienst begleitet, bei Messen, Rosenkranzandachten, bei Taufen, Beerdigung und so weiter. Dann meinte er, dass ich die Aufnahmeprüfung schaffen würde. Und dann habe ich den C-Kurs gemacht. 

Michael von Rekowski

"Das war für mich auf jeden Fall wie ein Geschenk, dass ich noch mal in meinem Alter etwas Neues machen darf, das meiner Leidenschaft und meinem Herzensanliegen entspricht."

DOMRADIO.DE: Ich habe gelesen, dass Sie eigentlich musikalisch im Jazz beheimatet sind. Die Improvisation ist da ein ganz wichtiger Faktor. Passt das dann gut zur Kirchenmusik?

von Rekowski: Ja, unbedingt. Ich habe sieben Jahre lang in Zürich gewohnt und bin dort als Schüler auf die Jazz-Schule Zürich gegangen und habe dort später auch in einer Band gespielt. Jazzmusik und Gregorianik passen übrigens perfekt zusammen. Bei der Gregorianik spricht man von den Kirchentonarten, also dorisch, phrygisch, lydisch und so weiter. Im Jazz spricht man von den Skalen, aber es sind genau dieselben Tonleitern. Das verbindet den Jazz schon mit der Gregorianik per se. Das nützt mir heute sehr viel, weil ich aktiver Jazzmusiker bin und immer noch in einer Jazz-Formation spiele. Die Improvisation hilft mir da sehr, auch in der Kirche.

Michael von Rekowski

"Jazzmusik und Gregorianik passen übrigens perfekt zusammen."

DOMRADIO.DE: Sie haben also Musik schon immer betrieben, auf hohem Niveau in der Freizeit. Aber wie groß ist denn jetzt der Schritt vom Hobby hin zum Hauptberuf? 

Michael Styp von Rekowski (privat)
Michael Styp von Rekowski / ( privat )

von Rekowski: Ich gebe zu, ich wundere mich jetzt ein Jahr später selber über diesen relativ mutigen Schritt (lacht). Denn ich hatte ja einen sehr guten Job, den ich auch durchaus noch viele Jahre hätte machen können. Aber ich habe gedacht: Das ist jetzt noch mal die Chance, dass du das machen kannst, was dir besonders entspricht. 

Ich habe es wie ein Geschenk empfunden und vielleicht auch wie eine Gottesfügung. Ich dachte: Komm‘, das wagst du jetzt. Ich bin schon öfter beruflich ins kalte Wasser gesprungen. Vor Jahren bin ich in den Katholischen Kliniken Oberberg, im Herz-Jesu-Krankenhaus Lindlar, von jetzt auf gleich zum Pflegedienstleiter ernannt worden, als die bisherige Leiterin und Ordensschwester nach Kairo versetzt wurde. Das war ein Sprung ins kaltes Wasser. 

Das Bürgermeisteramt später war auf jeden Fall auch ein Sprung ins eiskalte Wasser. Ich habe das alles überstanden und auch gar nicht mal so schlecht gemacht. Dann habe ich das in diesem Fall noch mal gewagt. 

DOMRADIO.DE: Aber Sie haben für diesen Sprung auch einiges getan, nämlich die zweijährige C-Kirchenmusik-Ausbildung des Erzbistums Köln absolviert. Die ist ganz schön anspruchsvoll. Man muss samstags nach Köln zur Musikhochschule fahren, hat in deren Räumen Kurse unter anderem durch Kirchenmusiker des Erzbistums Köln und dann muss man auch noch viel am Instrument üben. Wie hat denn Ihr familiäres Umfeld auf diese Entscheidung für eine neue Ausbildung reagiert? 

von Rekowski: Da gab es überhaupt keine Gegenstimmen oder so etwas. Meine Kinder sind schon erwachsen, die wohnen in Berlin und Köln. Mit Blick auf die Ausbildung, dass ich mich nochmal schwerpunktmäßig mit Musik beschäftige, da hatte ich ganz schön Respekt vor. Denn ich habe festgestellt, dass man in meinem Alter nicht mehr so schnell lernt und man vielleicht auch nicht mehr ganz so galant an den Tasten ist. Man muss ganz schön viel investieren. Ich bin jeden Samstag nach Köln gefahren, aber ich habe mich die ganzen zwei Jahre immer auf diesen Tag gefreut, auch wenn es sehr anspruchsvoll war. 

DOMRADIO.DE: Anspruchsvoll ist das eine, aber Sie mussten ja viel üben, viel an der Orgel spielen. Wie war das mit dem Üben bei Ihnen? 

Blick auf die Evangelische Kirche auf dem historischen Marktplatz in Wipperfürth  / © cc-images (shutterstock)
Blick auf die Evangelische Kirche auf dem historischen Marktplatz in Wipperfürth / © cc-images ( shutterstock )

von Rekowski: Ich bin oft früh morgens mal anderthalb Stunden an die Orgel gegangen, vor der Arbeit oder auch danach. Ich kann hier an mehren Orgeln in Wipperfürth üben, sowohl in der katholischen Kirche wie auch in der evangelischen Kirche, denn ich arbeite in der evangelischen Kirche als Kantor, kann da auch üben. Ich bin im Übrigen immer noch Katholik, das kann auch so bleiben (lacht). Gerade als es auf die praktische Orgelprüfung hinging, da habe ich jeden Tag mehrere Stunden geübt. 

DOMRADIO.DE: Was waren für Sie die Highlights bei dieser Ausbildung? Man muss ja auch Chorleitung machen, man muss Musiktheorie lernen.

von Rekowski: Ich bin mit dem Ziel angetreten, Orgel spielen zu lernen und gar nicht, das zum Beruf zu machen. Das hat sich später erst zufällig ergeben. Die Überraschung war dann die Ausbildung zum Chorleiter, also das Chordirigat. Darüber hatte ich mir vorher nicht so viele Gedanken gemacht und dachte: Ja gut, das wird angeboten, das machst du mit. Aber Chordirigieren hat mich dann richtig inspiriert. Auf einmal habe ich gemerkt, dass mir das Chorleiten, das Einstudieren von Musik mit Chormitgliedern sehr viel Spaß macht und mich auch noch mal in eine ganz andere Rolle versetzt. Das war eine große Überraschung. 

DOMRADIO.DE: Hat Ihnen da ein bisschen geholfen, dass Sie als Bürgermeister auch Wahlen gewinnen mussten und so ein bisschen um die Menschen werben müssen? Ein Chorleiter muss seine Sänger auch immer so ein bisschen locken.

von Rekowski: Ja, auf jeden Fall. Ich musste als Bürgermeister viele Reden halten und auch sehr oft spontan auftreten. Etwa bei Schützenfesten wird man immer um eine Ansprache gebeten, aber auch bei Firmenjubiläen mit bis zu 1.000 Gästen. Ich habe viel frei geredet und das hilft mir auch jetzt. 

DOMRADIO.DE: Bei der C-Kirchenmusik-Ausbildung ist eine Sache ganz anders als an einer Hochschule oder bei einer klassischen Berufsausbildung: die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind unterschiedlich alt, also von Schülern bis hin zu Rentnern ist alles dabei. Wie haben Sie das erlebt? 

Kirchenmusikalische C-Ausbildung

Neben dem vollständigen Ausbildungsgang, der zur Bekleidung einer Kirchenmusikerstelle (Teilzeitbeschäftigung) in allen Bereichen befähigt, besteht auch die Möglichkeit der Teilbereichsqualifikation für Orgel oder Chorleitung.

Den Unterrichtsinhalt bilden folgende Fächer:

Symbolbild: Kirchenmusik/Orgel / © Villiers Steyn (shutterstock)
Symbolbild: Kirchenmusik/Orgel / © Villiers Steyn ( shutterstock )

von Rekowski: Als wir angefangen haben, vor zwei Jahren, da waren die Jüngsten noch 14, die Ältesten waren schon in Rente. Das muss man erst mal übereinander kriegen. 

Da waren ganz junge Leute, die nur so vor Ideen sprudeln, die das alles aufsaugen, so schnell lernen. Und auf der anderen Seite waren die berufserfahrenen, lebenserfahrenen Menschen - passt das überhaupt zusammen? Und das geht! Das war auch eine ganz spannende Erfahrung. 

Sie haben eben nach den Highlights gefragt. Für mich gab es drei Highlights. Das eine ist die Chorleitung. Das Zweite ist: Ich singe liebend gern Gregorianische Choräle. Seit ich im Stimmbruch war, haben wir in Wipperfürth jede Woche das lateinische Hochamt gepflegt. Später nur noch alle vier Wochen, jetzt leider gar nicht mehr. Und dass ich mich nochmal mit Gregorianik, auch vor dem Hintergrund des Jazz, so intensiv auseinandersetzen durfte, ist ein Geschenk. Und das Dritte war: ich war als Erwachsener noch nie in einem Kurs mit Mitschülern, die 14 oder 15 waren. 

DOMRADIO.DE: Haben die Jüngeren Sie dann genauso ernst genommen, wie Sie die, oder wie muss man sich das gemeinsame Lernen da vorstellen? 

von Rekowski: Wir haben einander auf jeden Fall wertgeschätzt. Es war einfach ganz interessant mitzuerleben, wie toll die jungen Menschen in diesen zwei Jahren heranwachsen. Ich habe junge Leute kennengelernt, am Anfang und am Ende. Das waren nachher ganz unterschiedliche Persönlichkeiten. Die sind in der Zeit so gereift, das war einfach toll. Es gab viel Anerkennung untereinander und nach wie vor stehen wir auch noch im Kontakt miteinander. 

DOMRADIO.DE: Ihre Fähigkeiten, die Sie im C-Kurs erlernt haben, bringen Sie jetzt als Kantor bei der evangelischen Kirchengemeinde in Wipperfürth ein. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie als Katholik bei der Evangelischen Kirche als Kantor arbeiten? 

von Rekowski: Ich habe während meiner Ausbildung in der Katholischen Kirche als Aushilfsorganist gearbeitet, bin also hier und da eingesprungen. Das habe ich auch in der evangelischen Kirchengemeinde getan, weil da ein Kantor fehlte. Zu der Zeit hatten wir ein Jazz-Konzert in der katholischen Kirche. Wir verquicken bei diesen Konzerten Jazz und Gregorianik und Kirchenmusik miteinander. Das hatten sich dann auch Pfarrer von der evangelischen Kirche angehört. Insgesamt hat man wohl gemeint, das könnte klappen. Dann habe ich so eine Art Probe-Tag gemacht, bei dem ich mit den Kindern im Kindergarten arbeiten und Orgel vorspielen musste. 

Michael von Rekowski

"'Michael, was machst du denn hier? Willst du mal zuhören, bist du bei den Prüfern?' Da habe ich gesagt: Ich bin der Kandidat!" 

Und ich musste den Chor leiten. Das war eine witzige Geschichte. Ich bin ja nun "Ur-Wipperfürther" und singe seit meinem sechsten, siebten Lebensjahr im katholischen Kirchenchor im Wipperfürth, habe auch immer schon im evangelischen Kirchenchor ausgeholfen.

Jetzt war dem evangelischen Kirchenchor bekannt, dass da ein Bewerber kommt, der mit ihnen proben würde. Dann kam ich da an und dann sagten die Sänger: "Ja, Michael, was machst du denn hier? Willst du mal zuhören, bist du bei den Prüfern?" Da habe ich gesagt: "Ich bin der Kandidat." Und da gab es ein großes Hallo. Die Probe hat auch ganz gut funktioniert und am Ende des Tages wurde mir der Job angeboten. 

Es ist so, dass ich nicht nur Kantor bin, also mich um die Kirchenmusik, um Konzerte, um den Chor kümmern muss, sondern dass ich auch Gemeindemanager bin. Das heißt, ich habe viele Projekte in der Kirche, zum Beispiel ein Illuminationskonzept in der Kirche, was wir jetzt komplett umgesetzt haben. Nun ist ein Audiokonzept dran. Ich kümmere mich um gewisse Renovierungsarbeiten in der Kirche und bin Projektleiter für den Umbau der Kindertagesstätte, für die Erweiterung. Das passt gut, denn ich kenne das Bauamt, die Bauaufsicht, kann mich um Fördermittel kümmern, kann mich um das Brandschutzkonzept kümmern. Da bringe ich meine Erfahrungen aus dem Bürgermeisteramt ein. Das passt alles gut zusammen. Das heißt, ich darf organisieren und da Verantwortung übernehmen und ich kann mich um die Kirchenmusik kümmern. 

Michael von Rekowski

"Da bringe ich meine Erfahrungen aus dem Bürgermeisteramt ein. Das passt alles gut zusammen."

DOMRADIO.DE: Zum Schluss die Frage: Hand aufs Herz, Sie waren vor elf Jahren Bürgermeister. Welches Amt ist schöner - Bürgermeister oder Meister der Töne? 

von Rekowski: Also, es sind beides sehr schöne Ämter (lacht). Aber das jetzige Amt entspricht noch mehr meiner Leidenschaft und ist auch wesentlich stressfreier. Natürlich habe ich auch jetzt gut zu tun und muss Stücke erlernen und viel Chorvorbereitung machen und mich natürlich um die Projekte kümmern. Aber ich bin nicht mehr so Konflikten ausgesetzt wie in der Politik. Zum Beispiel war der Innenstadt-Umbau der Stadt Wipperfürth in meiner Amtszeit. Das bedeutete fünf Jahre Baustelle, der Einzelhandel hat protestiert, die Menschen sagten, man kommt nicht mehr durch, es gibt keine Parkplätze und so weiter. Man ist dann als Bürgermeister immer "schuld". Allerdings bekommt man als Bürgermeister auch Lob, wenn dann mal etwas fertig ist. 

Michael von Rekowski

"Ich bin nicht mehr so Konflikten ausgesetzt wie in der Politik."

Dann sagen alle: "Herr Bürgermeister, das haben Sie aber gut gemacht." Dabei habe ich das natürlich nicht alleine gemacht. Da steckt eine Politik dahinter, da steckt die Stadtverwaltung dahinter und viele Ehrenamtler. Es ist also schwer zu sagen, was schöner ist. Ich fühle mich jetzt sehr wohl und freue mich, wenn ich das noch viele Jahre machen kann. 

Das Interview führte Mathias Peter.

Quelle:
DR

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