Warum junge Menschen auch heute noch Kirchenmusiker werden

"Wirklich dafür brennen"

Er ist Jahrgang 1998 und begeistert sich für Orgel und Chöre. Torben Schleiden ist neuer Regionalkantor im Rhein-Erft-Kreis und Pulheimer Seelsorgebereichsmusiker. Gute Kirchenmusik spricht auch heute noch junge Menschen an, sagt er.

Torben Schleiden, Seelsorgebereichsmusiker KGV Brauweiler/Geyen/Sinthern und Regionalkantor Rhein-Erft-Kreis
 (privat)
Torben Schleiden, Seelsorgebereichsmusiker KGV Brauweiler/Geyen/Sinthern und Regionalkantor Rhein-Erft-Kreis / ( privat )

DOMRADIO.DE: Was genau macht eigentlich ein Regionalkantor im Vergleich zu einem Kirchenmusiker oder einer Kirchenmusikerin in einer Pfarrei?

Torben Schleiden (Seelsorgebereichsmusiker Kirchengemeindeverband Brauweiler/Geyen/Sinthern und Regionalkantor Rhein-Erft-Kreis): Ein Regionalkantor hat noch ein paar weiterführende Aufgaben, die vor allem Büroarbeit bedeuten. Das ist viel Organisation, es ist Kontaktpflege oder in meinem Fall, da ich neu bin, erstmal Kontakte aufbauen. Außerdem sind Regionalkantoren in kirchenmusikalischen Stellenverfahren eingebunden. 

Ich bin zu 50 Prozent Regionalkantor und zu 50 Prozent in der Gemeinde. Die Arbeit dort hat mehr mit praktischer Musik zu tun. Wobei das Bild vom Kirchenmusiker, der eine Probe am Abend hat und das war es dann, natürlich nicht stimmt. Kirchenmusik hat sehr viel mit Organisation, Probenplan, Informationen einholen und weitergeben zu tun. 

DOMRADIO.DE: Sie haben schon gesagt, Sie sind zu 50 Prozent in Pulheim, dort sind Sie als sogenannter Seelsorgebereichsmusiker angestellt. Dazu gehört auch die berühmte ehemalige Abtei in Brauweiler, die letztes Jahr 1000 Jahre Gründung gefeiert hat. Dort, aber nicht nur dort, gibt es hervorragende Orgeln und auch viele Chöre bei Ihnen im Pfarreienverband. Wie sehen Ihre Aufgaben aus? 

Brauweiler (DR)
Brauweiler / ( DR )

Schleiden: Ich leite den Abteichor, der zählt im Moment, wenn alle da sind, 80, 90 Personen, was eine stattliche Anzahl ist. Es kommen auch immer wieder neue Sängerinnen und Sänger dazu, was mich sehr freut. Und dann haben wir noch in der Pfarrei einen Chor für ältere Singende, die Freude an der Musik haben. Wir haben Scholen, die sich projektweise zusammentun. 

Und wir haben einen Frauenchor. Meine Kollegin Patricia Langenmantel baut einen Kinder- und Jugendchor auf. Das heißt, wir haben für jede Altersgruppe ein passendes musikalisches Angebot.

Torben Schleiden

"Wir haben für jede Altersgruppe ein passendes musikalisches Angebot."

DOMRADIO.DE: Im Zentrum steht die ehemalige Abteikirche Sankt Nikolaus. Wie teilen Sie sich da mit Patricia Langenmantel die Arbeit - etwa die Orgeldienste - auf? 

Schleiden: Das geht ganz pragmatisch. Wir teilen uns die Messen auf, die es zu spielen gilt. Wir haben Gott sei Dank noch zwei Studierende, die auch bei uns mithelfen und Messen mitspielen, und zudem noch eine sehr engagierte C-Musikerin. Das heißt, wir sind fünf Leute, die die Orgeldienste übernehmen können.

Bei mir ist es so, dass ich in 90 Prozent der Fälle sonntags um 11 Uhr die Messe spiele. Einfach auch, damit die Leute nach einer Zeit wissen, "da spielt um 11 Uhr der Regionalkantor, zu dem kann ich auch nach der Messe noch gehen, wenn ich ein Anliegen habe."

DOMRADIO.DE: In der katholischen Kirche wird seit Jahren viel über Priestermangel gesprochen. Aber es gibt auch einen Mangel für die anderen kirchlichen Berufe, und das betrifft leider auch die Kirchenmusik. Sie sind Jahrgang 1998. Wie sind Sie denn überhaupt dazu gekommen, Orgel zu spielen und auch zu dirigieren? 

Schleiden: Ich habe angefangen mit Keyboardspiel, als ich aber noch keine Noten lesen konnte. Spaß dabei hatte ich ehrlich gesagt auch nicht. Dann hat meine Mutter mich irgendwann in eine evangelische Kirchenband gesteckt. Beim Bandleader hatte ich dann auch Klavierunterricht und habe mit "Für Elise" angefangen. Irgendwann hat er mich dann an die Orgel gesetzt und klischeehafterweise fing ich dann wirklich mit "DER" Toccata in d-Moll von Bach an. Es hat viel Spaß gemacht und es war schnell klar, dass ich mehr in Richtung Orgel gehen möchte. 

Beim Regionalkantor damals in Koblenz habe ich dann für die nebenamtliche kirchenmusikalische D-Ausbildung vorgespielt. In der Schulzeit habe ich schließlich zwei Schulpraktika bei meinem Lehrer, dem Koblenzer Dekanatskantor Joachim Aßmann, gemacht und habe in dieses Arbeitsfeld reingeschnuppert. Das hat viel Spaß gemacht, weil ich auch gesehen habe, was für Freiheiten man als Kirchenmusiker hat. Es sagt mir keiner, was ich jetzt auf der Orgel spielen soll oder was ich mit dem Chor zu proben habe. Das kann ich mehr oder weniger ganz alleine bestimmen. 

Torben Schleiden

"Ich habe auch gesehen, was für Freiheiten man als Kirchenmusiker hat."

Diese Freiheiten und auch die Vorlieben, die man damit angehen kann, sind doch sehr, sehr spannend für mich. Deswegen war eigentlich schon vor dem Abitur klar, dass ich gern Kirchenmusik studieren würde. 

DOMRADIO.DE: In dem Alter gehen die jungen Leute am Wochenende oft eher feiern. Aber da mussten Sie sonntags  Orgel spielen und auch sonst viel üben. Wie fanden das Ihre Klassenkameraden? 

Orgelpfeifen / © Christopher Beschnitt (KNA)
Orgelpfeifen / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Schleiden: Ich weiß gar nicht, ob es allen bewusst war. Ich weiß aber von ein paar Leuten, die es wussten, die das eigentlich ganz spannend fanden, weil es etwas wirklich Ungewöhnliches ist. Jetzt muss man auch dazu sagen: Ich war nie der Mensch, bin ich auch immer noch nicht, der gerne feiern geht. Das kam mir da vielleicht gelegen. Aber diejenigen, denen ich es erzählt habe, konnten erst mal nichts damit anfangen. 

Einmal war meine Reli-Klasse in einer Messe dabei, und die waren dann ehrlicherweise schon beeindruckt. Denn Klavierspielen hat jeder irgendwie schon mal gesehen. Aber wenn bei der Orgel die Füße auch noch Musik machen und man improvisiert oder in der Messe auch das Bedienen des Liedanzeigers dazukommt, das hat sie schon beeindruckt. 

DOMRADIO.DE: Zum Kirchenmusiker gehört auch noch das Chorleiten, also nur "toll" Orgel spielen reicht nicht. Ist es Ihnen leicht gefallen, sich dann später auch noch vor den Chor zu stellen? 

Schleiden: Ich glaube, ich habe eine steile Lernkurve hinter mir. Ich weiß noch sehr genau, wie meine ersten "Gehversuche" im Dirigieren aussahen und was sich seitdem getan hat. 

Mein Lehrer hat dafür gesorgt, dass ich schon vor dem Studium ab und zu vor einem Chor stand und dirigierte. Das war eine sehr gute und wichtige Erfahrung. Denn jede Minute, auch im Studium, sei es Chor oder Orchester, wo man wirklich praktische Erfahrung mit diesem Klangkörper sammeln kann, ist sehr, sehr wichtig. 

Im Studium war es schon so, dass ich Überwindung gebraucht habe, mich vor die Kommilitonen, die natürlich auch älter waren, die viel mehr Erfahrung hatten, zu stellen. Das darf man auch nicht vergessen: Man lernt im Studium und weil man lernt, gibt es auch jemanden, der einen etwas lehrt. Das heißt, dieser Jemand steht auch immer bei den Proben dabei und korrigiert einen. 

Diesen Weg als Dirigent zu gehen, also herauszutreten aus der Rolle des Lernenden in die Rolle zu dem, der vor einer Gruppe wie einem Orchester steht und sagt: "Das machen wir jetzt so" oder "Ich hätte gern, dass wir das musikalisch jetzt so machen", ist eine Sache, die auch viel mit dem Selbstbewusstsein macht. 

Ich glaube, Chorleitung, aber auch insbesondere Orchesterleitung, weil da in der Regel Profis vor einem sitzen, macht etwas mit einem und mit der eigenen Persönlichkeit - gerade wenn man vor 40 bis 80 Leute tritt, je nachdem was man dirigiert. 

Also, es war nicht ganz leicht. Ich hatte trotzdem sehr viel Spaß und bin sehr froh über diesen Weg und meine Lehrer, die ich dann im Laufe des Studiums hatte. Das hat sich immer sehr gut ergänzt. 

Brauweiler (DR)
Brauweiler / ( DR )

DOMRADIO.DE: Ich merke immer wieder, dass es eine große Diskussion darum geht, was eigentlich gute Kirchenmusik ist. Die einen sagen: Lasst uns mehr moderne Lieder singen, die anderen sagen: Lasst uns lieber die älteren Lieder singen. Können Sie für sich definieren, was gute Kirchenmusik ist? 

Schleiden: Gute Kirchenmusik ist für mich Musik, die mit Leidenschaft gemacht wird. Wenn man merkt, dass derjenige, der musiziert, für seine Sache brennt. Und dann ist es, glaube ich relativ egal, ob es jetzt alte Musik ist oder moderne Musik. Wobei ich auch immer dafür plädiere: Man kann Kirchenmusik nicht nur modern denken, denn sonst würden irgendwann Kulturschätze wegfallen, weil man sie nicht mehr aufführt. 

Torben Schleiden

"Gute Kirchenmusik ist für mich Musik, die mit Leidenschaft gemacht wird. Wenn man merkt, dass derjenige, der musiziert, für seine Sache brennt."

Das heißt, der Weg, dass man nur noch auf die Neue Musik gehen soll, halte ich für falsch. Ich finde, die Mischung macht es. Man sollte in einem Familiengottesdienst, wo Kinder sind, auch ältere Lieder spielen, nicht nur die neuen, damit sie diese Lieder auch kennen. Letztlich hat beides seine Bedeutung und Berechtigung und es ist gut, dass es beide Arten von Musik im Bereich Kirche gibt. Am Ende, glaube ich, sollte man aber immer versuchen Wege zu finden, wie man beide Arten miteinander verknüpfen kann.

DOMRADIO.DE: Wie kann man das Ihrer Meinung nach am besten Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erreichen, damit die den Schatz der Kirchenmusik kennenlernen? 

Schleiden: Ich glaube, da ist auch die Person sehr wichtig, die die Musik macht, also der Kirchenmusiker oder die Kirchenmusikerin vor Ort, dass diese Person wirklich dafür brennt, mit Leidenschaft dahintersteht. Und ich glaube immer, Menschen merken sehr schnell, wenn man wem was vorspielt. Und bei der Musik ist es auch so. Nur müssen diese Menschen, die wir gewinnen wollen, die müssen natürlich auch mit dieser Person erstmal in Kontakt kommen. Das ist, glaube ich, der Knackpunkt. Wie schafft man es, junge Leute irgendwie in dieses Terrain Kirche zu bewegen, wo sie sich vielleicht doch eher selten hin verirren? 

Es gibt auf Instagram eine Organistin aus England, Anna Lapwood, die ist auf Social Media sehr aktiv und führt die Menschen an die Orgel heran. Sie spielt Filmmusik z.B. "Interstellar", wo dann in Konzerten passend zur Musik Licht-Shows zu abgespielt werden. Und solche Personen schaffen es natürlich, Aufmerksamkeit auf das Instrument zu lenken. Aber dennoch haben wir am Ende immer noch den Spagat zu schaffen: Wie bekomme ich jetzt "Interstellar" auch in die Nachbarkirche, wo keine tolle Lichttechnik ist, wo vielleicht auch eine Orgel ist, die nicht so klangüberwältigend ist wie die Orgel im Internet. Das heißt, man muss erst mal diesen Bezug herstellen und den persönlichen Kontakt, damit diese Leidenschaft vom Musiker auf die Menschen überspringen kann.

Torben Schleiden

"Man muss erst mal diesen Bezug herstellen und den persönlichen Kontakt, damit diese Leidenschaft vom Musiker auf die Menschen überspringen kann."

DOMRADIO.DE: Da Sie gerade Leidenschaft erwähnt haben. Wer ist denn Ihr Lieblingskomponist? Gibt es den? 

Schleiden: Den gibt es nicht. Bach ist immer vorne mit dabei. Aber auch in der Romantik fühle ich mich sehr zu Hause; Max Reger oder auch französische Komponisten wie Louis Vierne oder Charles Marie Widor, die machen schon Spaß. Das kommt aber immer auch auf die Orgel und den Kirchenraum an. 

DOMRADIO.DE: Wenn jetzt ein junger Mensch das nötige Talent hat und würde Sie fragen, ob er oder sie Kirchenmusik studieren sollte, was würden Sie empfehlen? 

Schleiden: Ich würde sagen, überleg es dir gut, ob du sonntags arbeiten willst, ob du eine Sechs-Tage-Woche je nachdem haben willst. Ich würde natürlich auch die Vorteile nennen, die es mit sich bringt. Also kein Tag ist wie der andere. Man hat viele Freiheiten. Man muss auch gut organisiert sein und auch organisieren können, das gehört dazu. Aber damit fällt eben auch zusammen, dass man sehr viele Freiheiten hat. Und im Moment ist Kirchenmusik, meiner Meinung nach, ein krisensicherer Job! 

Das Interview führte Mathias Peter.

 

Quelle:
DR

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