Damaskus muss vor gut 2000 Jahren ein überaus modernes Verkehrssystem besessen haben, das damals schon Schnellfahrern per Blitzer auf die Pelle rückte. Prominentestes Blitzeropfer war kein geringerer als der heilige Paulus. So in etwa könnte salopp das Ereignis beschrieben werden, das die Kirche jedes Jahr am 25. Januar feiert, nämlich die Bekehrung des Apostels Paulus. Doch ob Paulus nun zu schnell oder zu eifrig unterwegs war, darüber gibt die Apostelgeschichte keine Auskunft.
Vom Verfolger zum Verteidiger
Zu der Zeit noch als Saulus verfolgte der aus Tarsus gebürtige Eiferer die frühen Christen. Bei der Steinigung des Stephanus muss er wohl dabei gewesen sein, denn zu seinen Füßen wurden die Kleider des Ermordeten niedergelegt und Saulus zeigte sich mit der Ermordung einverstanden. Mit Briefen an die Synagogen in Damaskus im Gepäck, um dort die Anhänger des Weges Jesu festzunehmen und nach Jerusalem zu überführen, soll es laut Apostelgeschichte ein helles Licht gewesen sein, das Saulus umleuchtet, während er sich Damaskus nähert.
Saulus fällt zu Boden und hört eine Stimme, die ihn fragt, warum er sie verfolge. Auf die Frage des Saulus, wer sie denn sei, gibt sich die Stimme als Jesus Christus zu erkennen und trägt ihm auf, in die Stadt zu gehen, um weitere Anweisungen zu erhalten. Von nun an für drei Tage mit Blindheit geschlagen, begegnet Saulus dem Hananias, einem Jünger Jesu, der sich seiner annimmt und ihn schließlich tauft. Später schreibt die Apostelgeschichte, dass Saulus auch Paulus heiße und nennt ihn fortan nur noch bei diesem Namen.
Beeindruckende Kunstwerke
Diese spektakuläre Beschreibung der Apostelgeschichte mit dem Licht, der Stimme Jesu und dem mit Blindheit geschlagenen Saulus geht fortan als "Damaskuserlebnis" in die Geschichte ein und ist – wie die Redewendung "vom Saulus zum Paulus" – auch heute noch ein geflügeltes Wort, um die Bekehrung oder den Gesinnungswandel eines Menschen zu umschreiben und an einem bestimmten Ereignis festzumachen.

Künstler hielten das Damaskuserlebnis in beeindruckenden Werken fest, wie zum Beispiel der berühmte italienische Maler Caravaggio in seinem Gemälde "Die Bekehrung des Paulus", das 1600 entstand. Felix Mendelssohn Bartholdy widmete Paulus gar ein ganzes Oratorium, dessen erster Höhepunkt eben jenes Bekehrungserlebnis vor den Toren von Damaskus ist – eingebettet in den Choral "Wachet auf, ruft uns die Stimme".
Licht als literarisches Stilmittel
Doch Paulus selbst schreibt über seine Bekehrung im Brief an die Gemeinden in Galatien, dass er bereits im Mutterleib von Gott höchstpersönlich auserwählt worden sei, Jesus Christus unter den (heidnischen) Völkern zu verkünden. Von einem hellen Licht, einer Stimme und einer dreitägigen Blindheit ist dagegen keine Rede. Alles also eine rein dramaturgische Inszenierung des Autoren der Apostelgeschichte? Theologen erkennen in den erzählerischen Motiven wie dem hellen Licht und der Stimme aus dem Himmel Anlehnungen an die Berufungstexte der Prophetie im Tanach.
Wenn nun Paulus als Schutzpatron der geblitzten Autofahrer eher weniger taugt, so hat doch dieses Fest seit dem 8. Jahrhundert im Kirchenjahr seine Bedeutung. Und auch in der Landwirtschaft prüften die Bauern einst auf Pauli Bekehrung die Wintervorräte, da der Winter zur Hälfte um war. Heute ist das Fest im ökumenischen Dialog der Zieltag der "Gebetswoche für die Einheit der Christen". Anders als vielleicht manche denken, geht es hier weniger um die Bekehrung der vermeintlich abtrünnigen Konfessionen, sondern mehr um die jeweils eigene Bekehrung und Bereitschaft zum Dialog, was eine Grundvoraussetzung für die Wiedererlangung der Einheit der Christen ist.
Gebetswoche für die Einheit der Christen
Der ursprüngliche Gedanke der Gebetswoche hängt jedoch mit dem alten liturgischen Kalender zusammen, nach dem das Fest Kathedra Petri am 18. Januar und genau eine Woche später das Fest Pauli Bekehrung gefeiert wurde. Petrus als Apostel der römischen Kirche und Paulus als der Apostel der reformatorischen Kirchen sollten hier die "Gebetswoche für die Einheit der Christen" umrahmen, wie Johannes Oeldemann vom Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn erklärt.
Das pastorale Management des Apostels Paulus vor knapp 2000 Jahren, im östlichen Mittelmeerraum weit verstreute Gemeinden zu betreuen und in Briefen zu ermahnen, kann auch heute ein Vorbild sein, Christen in Großgemeinden zu ermutigen, ihren Glauben auch in der zunehmenden Zerstreuung zu leben und zu feiern.