Die Haltung der Christen in der US-Protestbewegung ist gespalten

"Viele haben Angst um ihre Rechte"

Die Proteste gegen US-Präsident Trump stecken in einem Dilemma: Wer schweigt signalisiere Gehorsam, Widerstand liefere einen Vorwand zum Ausnahmezustand. Der politische Kurs erschrecke selbst frühere Unterstützer des Präsidenten.

Autor/in:
Franziska Hein
Ein Demonstrant hält ein Schild mit einem Foto des US-Präsidenten Trump, der eine hässliche Fratze zieht, während einer "No Kings"-Demonstration am Samstag, 14. Juni 2025, in Atlanta, Georgia. / © Mike Stewart/AP (dpa)
Ein Demonstrant hält ein Schild mit einem Foto des US-Präsidenten Trump, der eine hässliche Fratze zieht, während einer "No Kings"-Demonstration am Samstag, 14. Juni 2025, in Atlanta, Georgia. / © Mike Stewart/AP ( dpa )

Princeton-Professor Hanna Reichel sieht die Protestbewegung in den USA gegen Präsident Donald Trump in einem Dilemma. "Man hat den Eindruck, man kann nur verlieren: Wenn man nicht protestiert, leistet man vorauseilenden Gehorsam; wenn man protestiert, kann Trump medial und militärisch den 'Ausnahmezustand' inszenieren", sagte Reichel dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diesen wünsche sich der Präsident, um noch härtere Maßnahmen gegen Kritik ergreifen zu können. Reichel unterrichtet Systematische Theologie am Princeton Theological Seminary.

Es sei klar, dass Trump die Lage in Kalifornien absichtlich eskaliere, indem er - ohne Not und Anlass und gegen den Willen von Gouverneur Gavin Newsom - die Nationalgarde und Marines mobilisiere, sagte Reichel. Über einen solchen Einsatz habe er schon seit seiner ersten Amtszeit immer wieder fantasiert.

Schlechte Zustimmungswerte für Trump

Viele seien geschockt, wie skrupellos und schamlos die US-Regierung bei der Umsetzung ihrer politischen Agenda vorgehe, und wie schnell der Sturz in einen "kompetitiven Autoritarismus" voranschreite. "Viele haben Angst um ihre Rechte, ihre Freiheit und die Fähigkeit, ihr Leben zu führen", sagte Reichel.

Demonstranten zeigen ein Plakat "I miss my country" - "Ich vermisse mein Land" - bei einem "No Kings"-Protestmarsch anlässlich der Militärparade in Washington zum 250-jährigen Bestehen der Armee. / © Alex Brandon/AP (dpa)
Demonstranten zeigen ein Plakat "I miss my country" - "Ich vermisse mein Land" - bei einem "No Kings"-Protestmarsch anlässlich der Militärparade in Washington zum 250-jährigen Bestehen der Armee. / © Alex Brandon/AP ( dpa )

Es gebe viele friedliche Proteste im ganzen Land. Konzertierte landesweite Proteste ebenso wie lokale und spontane, wie in Kalifornien, habe es in den vergangenen Monaten immer wieder gegeben, sagte Reichel. Trumps Zustimmungswerte in der Bevölkerung seien miserabel, nur etwa ein Drittel der Bevölkerung finde, dass er gute Arbeit mache. Durch die Massenentlassungen, den weiteren Abbau von Sozialleistungen und die Wirtschaftspolitik zweifelten zunehmend auch Menschen, die andere Teile seiner Agenda vielleicht unterstützt haben.

Gleichzeitig sei die Polarisierung enorm. "Insgesamt ist klar, er braucht und will den Konflikt, die inneren Feindbilder, um damit Einigkeit für seine Politik und Person gegen angebliche Volksfeinde zu mobilisieren", sagte Reichel. "Das ist ja schon lange Teil seiner Strategie, auch Teil der Maßnahmen gegen Einwanderer, gegen Trans-Menschen und gegen die Wissenschaft."

Konservativere Christen wünschen sich ein Zurückrollen

Von den christlichen Religionsgemeinschaften kämen sowohl Widerspruch, als auch Zustimmung für Trumps Politik. "Hierzulande existieren mehrere Christentürmer nebeneinander, auch im offenen Konflikt", sagte Reichel. Einige konservativere christliche Subkulturen wünschten sich explizit ein Zurückrollen der progressiven Errungenschaften der letzten Generationen und sähen jetzt ihre Stunde gekommen. Es gebe aber auch aggressiver werdende ethnonationalistische Strömungen, die mit dem Christentum vor allem ein weißes und kulturell homogenes Amerika verbinden.

Zugleich hätten Kirchenleitungen sehr schnell und öffentlich gegen bestimmte politische Maßnahmen Widerspruch erhoben - etwa die katholische Bischofskonferenz gegen die Immigrationsgesetzgebungen oder die Presbyterianische Kirche der USA gegen die Behandlung von Trans-Menschen. Dutzende religiöse Gruppen hätten gegen die Beeinträchtigung von Kirchenasyl und Verhaftungen in Gebetshäusern und Gottesdiensten geklagt. Christlich motivierte, aber überkonfessionelle Bewegungen wie die Clergy Emergency League, die Red Letter Christians oder die Poor People s Campaign organisierten landesweit Proteste.

Quelle:
epd