Münchner Erzbistum sucht Missbrauchsverantwortliche

Die Aufarbeitung geht weiter

Als erste deutsche Diözese ließ das Erzbistum München und Freising 2010 eine Kanzlei die Akten auf Missbrauchsfälle ab 1945 durchsuchen. Zehn Jahre später soll nun auch nach Verantwortlichen gefragt werden.

Autor/in:
Barbara Just
Türme der Münchner Liebfrauenkirche / © Foottoo (shutterstock)
Türme der Münchner Liebfrauenkirche / © Foottoo ( shutterstock )

Die Ergebnisse im Dezember 2010 waren für das Erzbistum München und Freising ernüchternd. Noch nie dürfte jemand zuvor so deutlich im Auftrag der Kirche deren eigenes Sündenregister aus den vergangenen Jahrzehnten aufgeführt haben.

Mehr als 13.200 Akten hatte die Münchner Kanzlei "Westpfahl Spilker Wastl" von 1945 bis zur Gegenwart gewälzt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es der Kirche so gut wie nie um die Opfer sexuellen Missbrauchs gegangen war. Stattdessen bescheinigte Anwältin Marion Westpfahl den Klerikern einen "rücksichtslosen Schutz des eigenen Standes".

Erneut Kanzlei beauftragt

Zehn Jahre später und um einige Erfahrungen reicher hat nun die Erzdiözese erneut jene Kanzlei beauftragt. Sie soll ein erweitertes Gutachten über Fälle sexuellen Missbrauchs und körperlicher Gewalt erstellen. Dieses Mal geht es nicht nur um die schon untersuchten Jahre, sondern zusätzlich um den Zeitraum bis 2019, wie Generalvikar Christoph Klingan am Donnerstag erklärte. Als Grundlage dienten für letzteren die überarbeiteten Richtlinien der Deutschen Bischofskonferenz. Der Blick richtet sich demnach nun über den Personenkreis der Kleriker und pastoralen Mitarbeiter noch hinaus auch auf alle hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter.

Mittels der Akten erhofft man sich vor allem aber Aufschlüsse darüber, wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass Fälle nicht verfolgt oder vertuscht wurden. Es geht um die Gretchenfrage, wer die Verantwortung für den falschen Umgang mit dem Thema Missbrauch zu übernehmen hat.

Münchner zeigen Aufklärungswillen

Das könnte alle Verantwortungsträger in diesem Zeitraum treffen - "ohne Unterschied", sagte Klingan. Die Münchner zeigen Aufklärungswillen, wie ihnen das schon damals Westpfahl attestierte. Dennoch dürfte es eine heikle Sache werden. Immerhin hatte das Erzbistum an seiner Spitze über die Jahre prominente Kirchenmänner - allen voran die Kardinäle Michael Faulhaber, Joseph Wendel, Julius Döpfner, Friedrich Wetter und Reinhard Marx sowie den inzwischen emeritierten Papst Benedikt XVI., damals noch als Joseph Ratzinger.

Konkret geprüft werden soll etwa, ob und in welchen Fällen eine Pflicht zur Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden bestand, ob eine Anzeige erstattet wurde und ob kirchenrechtliche Schritte unternommen wurden. Anders als der Vorgängerbericht soll der neue - schon aus Gründen der weithin geforderten Transparenz - veröffentlicht werden.

Der letzte nämlich wird noch immer sicher hinter den Mauern des Erzbischöflichen Ordinariats verwahrt - "Datenschutzgründe", so heißt es.

Erzbistum Köln will namen nennen

Weil auch andere Diözesen wie etwa das Erzbistum Köln - sogar mit derselben Kanzlei - den Weg der externen Untersuchung gehen, will München nicht nachstehen. Am Rhein sind für den 12. März Ergebnisse versprochen. Wann es an der Isar so weit sein wird, vermag der Generalvikar nicht zu beantworten. Die Kanzlei müsse erst das Aktenmaterial sichten, um eine konkrete, belastbare Einschätzung zu geben. Das sei auch der Grund dafür gewesen, dass die Erzdiözese sich wieder an Westpfahl und Co. gewandt habe, weil diese Erfahrungswerte und Kenntnisse von den vorhergehenden Untersuchungen mitbrächten. So bestehe die Hoffnung, dass der Zeitrahmen nicht zu lang sein werde.

Von der Untersuchung erhofft sich das Münchner Erzbistum auch, dass die bereits geleistete Aufarbeitung des Missbrauchs und der Prävention Wohlgefallen findet. Anerkennungszahlungen für erlittenes Leid seien geleistet worden. Nach wie vor seien eine Psychologin und ein Anwalt als unabhängige Missbrauchsbeauftragte im Einsatz, an die sich Opfer wenden könnten.

Erst vergangene Woche war indes der Fall eines Priesters aus dem Bistum Essen, der 1980 ins Münchner Erzbistum gekommen und 1986 wegen Missbrauchs verurteilt worden war, in die Schlagzeilen geraten. Das ZDF-Magazin "Frontal21" und das Recherchezentrum Correctiv hatten darüber berichtet und dabei eine mögliche Verbindung zu Benedikt XVI., angeführt. Dieser ließ aber einen Tag nach der Ausstrahlung des Beitrags dementieren, dass er 2000 bei einem privaten Besuch in Bayern mit dem Betreffenden zusammengetroffen sei.


Quelle:
KNA