Gedenkstätten-Direktor hofft auf Geständnis im Sachsenhausen-Prozess

"Der Wahrheit auf die Spur kommen"

Der NS-Prozess gegen einen früheren Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen soll am Donnerstag fortgesetzt werden. Dem Angeklagten wird Beihilfe zum Mord in mehr als 3.500 Fällen vorgeworfen.

Autor/in:
Yvonne Jennerjahn
Eingangstor des ehemaligen Konzentrationslagers in der Gedenkstätte Sachsenhausen / © Paul Zinken (dpa)
Eingangstor des ehemaligen Konzentrationslagers in der Gedenkstätte Sachsenhausen / © Paul Zinken ( dpa )

Wichtig wäre nun vor allem, "dass der Angeklagte seine Tätigkeit als SS-Wachmann einräumt und sich an die Opfer und ihre Hinterbliebenen wendet, wenn er denn tatsächlich in Sachsenhausen Dienst getan hat", sagte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Oranienburg: "Der Angeklagte bestreitet das, aber soweit ich die Sachlage kenne, kann es daran keinen Zweifel geben."

Zur Stiftung gehört auch die Gedenkstätte im früheren KZ Sachsenhausen. Das Konzentrationslager wurde 1936 nördlich von Berlin als Modell- und Schulungslager der SS errichtet. Bis zur Befreiung im April 1945 wurden dort mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende starben.

Gedenkstätte verfolgt Prozess aufmerksam

Er sei überzeugt, dass das Landgericht Neuruppin in dem nach Brandenburg an der Havel verlegten Verfahren "ein wohlerwogenes Urteil sprechen" werde, sagte Drecoll. Der Prozess hat Anfang Oktober begonnen und soll nach derzeitiger Planung bis Ende März dauern. Der Verhandlungsort wurde nach Brandenburg an der Havel in die Nähe des Wohnortes des Angeklagten Josef S. verlegt, damit der inzwischen 101-Jährige einfacher daran teilnehmen kann. Er ist laut Gutachten nur wenige Stunden am Tag verhandlungsfähig und hat bisher bestritten, Wachmann in Sachsenhausen gewesen zu sein.

"Die Gedenkstätte war bei allen Verhandlungstagen vor Ort vertreten und verfolgt den Prozess sehr aufmerksam", sagte Drecoll: "Unser Eindruck ist, dass hier auf der Grundlage akribischer Ermittlungen mit großer Sorgfalt und Ernsthaftigkeit alles dafür getan wird, der Wahrheit auf die Spur zu kommen." Das sei angesichts des großen zeitlichen Abstandes zu den Verbrechen und eines über 100-jährigen Angeklagten "ein schwieriges, aber notwendiges Unterfangen".

Historiker-Gutachten könnte wichtige Erkenntnisse bringen

Besonders eindrücklich seien die Einlassungen der Überlebenden und Angehörigen gewesen, die als Nebenkläger in dem Prozess ausgesagt haben, sagte Drecoll: "Sie haben deutlich gemacht, wie präsent die Verbrechen für diejenigen bis heute sind, die unmittelbar davon betroffen sind." Großen Erkenntnisgewinn verspreche auch das Gutachten des Historikers Stefan Hördler, betonte der Gedenkstättendirektor: "Niemand hat bisher die KZ-Wachtruppe so genau erforscht wie er."

Josef S. wird Beihilfe zum Mord in mehr als 3.500 Fällen vorgeworfen. Für Donnerstag und Freitag werden abschließende Aussagen des historischen Gutachters erwartet.


Quelle:
epd
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