Der Theologe Hans Küng wird 80 Jahre alt - domradio-Interview

Engagiert im Dialog der Weltreligionen

Hans Küng, Tübinger Theologe, wird am Mittwoch 80 Jahre alt. Der Ökumeniker und weltweit bekannte Erfolgsautor gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Theologen der Gegenwart. 1979 hatte Rom dem Priester die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. In den vergangenen 20 Jahren engagierte sich der Schweizer im Dialog der Weltreligionen und für ein religionsübergreifendes "Projekt Weltethos"; er ist Präsident der gleichnamigen Stiftung. Im domradio-Interview blickt Küng zurück auf konfliktreiche Jahrzehnte.

 (DR)

Bundespräsident Horst Köhler hat Küng gratuliert. «Als Christ, Wissenschaftler und Publizist haben Sie sich unermüdlich für den Dialog zwischen den Konfessionen, Religionen und Weltkulturen eingesetzt», heißt es in einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Schreiben. Auch der Bischof der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, würdigte den Theologen.

«Die Suche nach dem Gemeinsamen und Verbindenden ist ein Leitmotiv Ihres Lebens und Schaffens», schrieb Köhler. Küng habe immer wieder an die gemeinsame Verantwortung aller Menschen für «unsere Eine Welt» erinnert und praktische Wege der Verständigung aufgezeigt. «Dabei haben Sie sich auch durch Rückschläge nicht entmutigen lassen.» Das von Küng initiierte Projekt «Weltethos» sei von grundlegender Bedeutung für das friedliche Zusammenleben der Menschen über alle Grenzen hinweg, so Köhler.

Bischof Fürst dankte Küng «für all die wichtigen Anstöße und theologischen Grundlagenarbeiten» in den vergangenen Jahrzehnten. Dahinter stünden die theologischen Konflikte zurück. Besonders hob Fürst die ökumenischen Leistungen Küngs im Dialog sowohl zwischen den christlichen Kirchen als auch mit nichtchristlichen Religionen hervor.

Briefwechsel mit dem Papst
Als Papst Benedikt XVI. den ihm auch seit über 50 Jahren bekannten Küng im September 2005 zu einem Gespräch in Castelgandolfo empfing, sorgte das für weltweites Aufsehen. Dabei ging es um das Projekt Weltethos und um das Verhältnis zwischen Naturwissenschaften, Vernunft und Glaube, nicht um eigentliche Lehrfragen. Seitdem gab es einen Briefwechsel zwischen Papst und Küng anlässlich des Erscheinens des zweiten Teils der Autobiographie des Theologen im Vorjahr, «Im Zweifel für die Wahrheit», der die Jahre 1968 bis 1980 behandelt.
Darin spricht Küng mit Blick auf sich und den heutigen Papst von «zwei verschiedenen Wegen des Katholischseins».

Seit Anfang der 1960er Jahre, noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65), hatte sich ein Konflikt Küngs mit den Bischöfen entwickelt, in dessen Mittelpunkt die Unfehlbarkeit des Papstes und Grundfragen der Christologie standen. Der Theologe plädierte für eine innerkirchliche Erneuerung und eine ökumenische Öffnung mit dem Ziel der Vereinigung der Kirchen. Die Auseinandersetzung eskalierte nach langem Streit 1979, als die Glaubenskongregation Küng die kirchliche Lehrerlaubnis entzog. Seitdem war er bis zu seiner Emeritierung 1996 fakultätsunabhängiger ordentlicher Professor in Tübingen sowie Institutsdirektor.

Auf kirchliche Kritik stieß auch das 1995 mit dem Tübinger Rhetorik-Lehrer Walter Jens herausgegebene Buch «Menschenwürdig sterben», in dem die Autoren sich unter anderem mit dem Thema Sterbehilfe auseinandersetzten. Zugleich betont Küng immer wieder, er sehe sich als «loyalen katholischen Theologen».

Küng verfasste zahlreiche Bücher, die in großen Auflagen weit über Kirchenkreise hinaus Beachtung gefunden haben und zum Teil in über 30 Sprachen übersetzt sind. Zu den bekanntesten Werken zählen «Die Kirche» (1967), «Unfehlbar?» (1970), «Christ sein» (1974), «Existiert Gott?» (1978), «Ewiges Leben» (1982), «Projekt Weltethos» (1990) und «Credo» (1992). Allein im Münchener Piper-Verlag liegt seine deutsche Auflage derzeit bei 1,8 Millionen. Wie wenige andere katholische Theologen war Küng, der in Rom und Paris studierte, früh mit der protestantischen Theologie vertraut; so gehört er zu den besten Kennern von Karl Barth, über den er promovierte. Küngs bereits 1957 erschienenes Buch «Rechtfertigung» gilt auch heute noch als richtungsweisend.

In einer Trilogie über die großen monotheistischen Religionen behandelte Küng 1991 «Das Judentum», 1994 «Das Christentum», 2003 «Der Islam». 1997 veröffentlichte der Theologe «Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft». 2002 erschien unter dem Titel «Erkämpfte Freiheit» der erste Teil seiner Autobiographie. Küng, der zu den Gründungsmitgliedern der Internationalen Zeitschrift für Theologie «Concilium» gehört, erhielt viele Auszeichnungen, so 1992 den «Karl-Barth-Preis» der Evangelischen Kirche der Union (EKU) und 2003 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern, 2005 den Niwano-Friedenspreis sowie mehr als ein Dutzend Ehrendoktorwürden in aller Welt. Er ist auch Ehrenbürger von Tübingen.