Der Papst sieht sich auf dem Weg des Konzils und der Vorgänger

Franziskus als Mann der Kontinuität

Papst Franziskus wird oft als Revoluzzer bezeichnet. Er selbst betont im Interview der Zeitung "Avvenire" seine Kontinuität zum Zweiten Vatikanischen Konzil und zu seinen vier Vorgängern.

Autor/in:
Stefanie Stahlhofen
Papst Franziskus / © Maurizio Brambatti (dpa)
Papst Franziskus / © Maurizio Brambatti ( dpa )

"Ich hatte keinen Plan", gibt Papst Franziskus mit Bezug auf das Heilige Jahr der Barmherzigkeit unumwunden zu. "Ich habe einfach das getan, wozu mich der Heilige Geist inspiriert hat", sagt er kurz vor dem Ende des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit in einem Interview (Freitag). Zudem reiht sich Franziskus in dem mehrseitigen Text der katholischen italienischen Tageszeitung "Avvenire" in die Nachfolge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und seiner Vorgänger seit Johannes XXIII. ein. Dies gilt für Franziskus' Barmherzigkeitsverständnis ebenso wie für seine Sicht auf die Ökumene. Das Interview wurde Anfang November nach der Schweden-Reise des Papstes geführt.

Franziskus zählt jene Vorgänger auf, die für ihn "Pfeiler" des Barmherzigkeits-Denkens bilden. Papst Johannes XXIII. (1958-1963) war es demnach, der mit seiner Eröffnungsansprache zum Konzil mit der "Medizin der Barmherzigkeit" den Weg vorgab, den Paul VI. (1963-1978) als barmherziger Samariter und nach ihm Johannes Paul II. (1978-2005) mit seiner Enzyklika "Über das göttliche Erbarmen" weiter verfolgten.

Halbzeit für die Umsetzung des Konzils

Auch seinen Vorgänger Benedikt XVI. (2005-2013) sieht Franziskus in dieser Tradition. Er verweist auf dessen Satz "Der Name Gottes ist Barmherzigkeit".

Mit dem Konzilstext über das Wesen der Kirche ("Lumen gentium") habe sich die katholische Kirche wieder dem Evangelium als ihrer Quelle zugewandt. "Das verschiebt die Achse des christlichen Verständnisses von einem gewissen Legalismus, der auch ideologisch sein kann, auf die Person Gottes hin, der zur Barmherzigkeit wurde in der Menschwerdung des Sohnes", so Franziskus. Es brauche jedoch wohl noch etwas Zeit, bis das überall ankomme: "Die Geschichtsschreiber sagen, ein Konzil braucht ein Jahrhundert, um richtig die Kirche zu durchdringen... Wir sind bei der Hälfte."

"Amoris Laetitia" ist mehr als nur schwarz weiß

Der Papst richtet sich auch an Kritiker seines Schreibens zu Ehe und Familie. "Einige - denken Sie an gewisse Entgegnungen zu 'Amoris laetitia' - verstehen es weiterhin nicht." Es gebe nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern es müsse "im Fluss des Lebens unterschieden" werden. "Das hat uns das Zweite Vatikanische Konzil gesagt." Papst Franziskus weist damit indirekt den Vorwurf zurück, im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen einen Bruch in der kirchlichen Lehre zu riskieren.

In der Öffentlichkeit besonders beachtet wird die Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene unter Umständen wieder zum Empfang der Kommunion zugelassen werden können. Bislang war dies nur möglich, wenn sie in ihrer neuen, zivil geschlossenen Ehe enthaltsam zu leben versprachen. Ob der Papst diese Regelung mit "Amoris laetitia" gelockert hat oder nicht, wird seit Monaten heftig diskutiert.

Papst der Ökumene

Als einer, der das Konzil und die Initiativen seiner Vorgänger fortsetzt, sieht sich Franziskus auch in der Ökumene. Dies gilt insbesondere für die Begegnungen mit Patriarch Bartholomaios I., mit dem Lutherischen Weltbund in Schweden und mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. sowie allen anderen ostkirchlichen Oberhäuptern. "Das ist der Weg der Kirche. Ich habe da nicht beschleunigt. Je mehr wir vorangehen, desto schneller scheint es zu gehen, das ist der motus in fine velocior", zitiert der Papst Aristoteles.

Auf den Vorwurf, dass er bei ökumenischen Begegnungen die katholische Lehre «verkaufen» wolle, entgegnet der Papst: "Das bereitet mir keine schlaflosen Nächte. Ich gehe den Weg meiner Vorgänger weiter, ich folge dem Konzil." Und ansonsten müsse man genau schauen, was hinter solchen Aussagen stecke. Solange sie nicht mit böser Absicht geäußert werden, um eine Spaltung zu fördern, könnten auch solche Meinungen die Kirche voranbringen.

"Avvenire"

Wo Franziskus diese Äußerungen macht, ist nicht uninteressant: Der "Avvenire" ist ein Organ der Italienischen Bischofskonferenz. In deren Reihen gibt es Oberhirten, die hinter vorgehaltener Hand gelegentlich den Papst wegen seines kirchenpolitischen Kurses kritisieren. Wenn er nun im "Avvenire" seine Kontinuität mit dem Konzil und seinen Vorgängern betont, hat das ein besonderes Gewicht.


Quelle:
KNA