Gottesdienst zu 75 Jahren NRW

"Der Mensch im Mittelpunkt"

Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland feiert 75. Geburtstag. Mit einem feierlichen Gottesdienst unter interreligiöser und ökumenischer Beteiligung wurde in Düsseldorf der Jahrestag begangen. Was bleibt davon hängen?

Die Buchstaben NRW in den Landesfarben / © Roland Weihrauch (dpa)
Die Buchstaben NRW in den Landesfarben / © Roland Weihrauch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was macht NRW denn in Ihren Augen aus?

Dr. Antonius Hamers (Leiter des katholischen Büros NRW und Domkapitular in Münster): Zunächst mal natürlich die drei Landesteile Rheinland, Westfalen und Lippe, also die rheinische Ernsthaftigkeit, die westfälische Fröhlichkeit und die lippische Großzügigkeit, wie Johannes Rau mal gesagt hat. Nein, Spaß beiseite, natürlich die drei Landesteile.

Antonius Hamers / © Nicole Cronauge (Katholisches Büro NRW)

Aber darüber hinaus die Vielfalt von sehr stark industriell geprägten Regionen und ländlichen Regionen, die ganz unterschiedlichen Traditionen im Rheinland, in Westfalen und in Lippe und natürlich vor allem die Menschen. 

Ich finde das Wort von Karl Arnold sehr schön, dem ersten frei gewählten Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens, der gesagt hat, Nordrhein-Westfalen müsse das soziale Gewissen der Republik sein. 

Und ich glaube, dass gerade in dem Bereich viele Impulse von Nordrhein-Westfalen ausgegangen sind, wenn es um Gerechtigkeit geht, wenn es um Solidarität geht, wenn es um die Bewahrung der Schöpfung geht; wenn es darum geht, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Natürlich von politischer Seite, aber auch von kirchlicher Seite sind da Impulse gekommen. Erinnert werden darf daran, dass sich auch die berühmte Silvester-Predigt von Kardinal Frings jetzt zum 75. Mal jährt, der deutlich gemacht hat, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und dass der Mensch sich das unter Umständen auch zum Leben nehmen darf, was er zum Leben braucht.

DOMRADIO.DE: Jetzt geht genau wie die Loveparade-Katastrophe 2010 die Hochwasserkatastrophe aus diesem Juli in die nordrhein-westfälische Geschichte ein. Teile von NRW waren betroffen und das kam auch zur Sprache.

Hamers: Das kam zur Sprache in unserem Gottesdienst gestern und auch bei dem Festakt, weil 75 Jahre Geschichte natürlich immer auch Geschichte von Freud und Leid bedeutet. 

Es gab mehrere große Katastrophen in Nordrhein-Westfalen, große Unglücke, Anschläge, Naturkatastrophen, Grubenunglücke und all das muss auch erinnert werden, an die Opfer, an die Trauernden. 

Natürlich steht im Moment im Vordergrund, an die Umweltkatastrophe zu erinnern, aber selbstverständlich auch an die Pandemie.

DOMRADIO.DE: Durch die aktuellen Corona-Bestimmungen konnten dann natürlich auch nur begrenzt Menschen am Gottesdienst teilnehmen, dafür aber umso prominentere.

Hamers: Wobei auch eine ganze Reihe Leute teilnehmen konnten - Gott sei Dank. Durch die neuen Regelungen "geimpft, genesen, getestet" sind neue Lockerungen möglich. 

Aber es haben einige prominente Gäste auch an unserem Gottesdienst teilgenommen, wie der Ministerpräsident Armin Laschet, der Präsident des Landtages, André Kuper, die Vizepräsidentin Carina Gödecke oder der Fraktionsführer der SPD, Thomas Kutschaty,

DOMRADIO.DE: Und auch Vertreter anderer Konfessionen waren mit dabei. Inwiefern setzte das ein Zeichen?

Hamers: Auch das ist natürlich eine Entwicklung in Nordrhein-Westfalen, dass wir ein sehr viel plurales Land geworden sind, eine plurale Gesellschaft, eine vielfältige religiöse Landschaft. 

Und insofern haben wir auch vor dem Hintergrund der 1.700 Jahre jüdisches Leben - das feiern wir ja in diesem Jahr - einen jüdischen Vertreter und einen muslimischen Vertreter eingeladen, die zum Ende des Gottesdienstes jeweils einen Text vorgetragen haben.

Wir wollten einen Akzent setzen, dass die unterschiedlichen Konfessionen und unterschiedlichen Religionen in Nordrhein-Westfalen einen Platz haben. Dass wir uns verantwortlich fühlen für das gesellschaftliche Miteinander, für den Frieden in der Gesellschaft. Das wollten wir gemeinsam auch in diesem Gottesdienst zum Ausdruck bringen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Antonius Hamers

Von der Jurisprudenz gelangte Antonius Hamers zur Theologie und ließ sich zum Priester weihen. Der promovierte Jurist leitet das Katholische Büro Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Gebürtig stammt Antonius Hamers aus dem Sauerland. 

Nach Abitur und Wehrdienst begann er das Studium der Rechtswissenschaften in Köln, welches er in Würzburg fortführte. Sei Referendariat zwischen Erstem und Zweiten Staatsexamen absolvierte Hamers im Freistaat Thüringen, an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer und am Europäischen Parlament. 

Pfr. Dr. Antonius Hamers / © Achim Pohl
Pfr. Dr. Antonius Hamers / © Achim Pohl
Quelle:
DR