Der Islam wird 2008 deutlicher sichtbar

Zwischen Integration und Konfrontation

Die Eröffnung der Moscheen in Berlin-Heinersdorf und in Duisburg-Marxloh im vergangenen Herbst zeigt, wo der Islam 2008 in Deutschland steht: Er wird deutlicher sichtbar, mancherorts unter großen Konflikten, andernorts mit großer Selbstverständlichkeit.

Autor/in:
Anne Françoise Weber
 (DR)

Während die Baustelle in Berlin-Heinersdorf mehrfach beschädigt wurde und Anwohner am Tag der Eröffnung noch gegen die Moschee demonstrierten, gilt das neue Begegnungszentrum der Moschee in Duisburg-Marxloh vielen als Chance für besseres Zusammenleben.

Auch für das kommende Jahr sind verschiedene Moscheebauten geplant, unter anderem in Bonn und Frankfurt. In der Frage des islamischen Religionsunterrichts dagegen geht es nur schleppend voran. Abgesehen von den Aleviten, die in vier Bundesländern eigenen Religionsunterricht anbieten, erfüllen die muslimischen Verbände nach Ansicht der Schulbehörden weiterhin nicht die Anforderungen, um eigenen Religionsunterricht anzubieten. Modellversuche zu Islamkunde oder bekenntnisorientiertem Islamunterricht wurden in vielen Bundesländern 2008 aber noch erweitert.

Die Frage des Religionsunterrichts
Mit der Frage des Religionsunterrichts hat sich unter anderem auch die 3. Plenarsitzung der Deutschen Islamkonferenz befasst, die im Frühjahr 2008 stattfand. Eine grundsätzliche Einigung konnte zu diesem Thema nicht erreicht werden, da der Koordinationsrat der Muslime, der Dachverband der vier großen Islamverbände in Deutschland, eine Übergangslösung als unbefriedigend ablehnte.

Das Problem der Ausbildung von muslimischen Religionslehrern verschärfte sich 2008 durch die Auseinandersetzung um den Münsteraner Professor Muhammad Sven Kalisch. Die muslimischen Dachverbände kündigten ihre Zusammenarbeit mit Kalisch auf, weil dieser die Existenz des Propheten Muhammad angezweifelt hatte. Damit begann eine breite Diskussion über die Rolle der Verbände, Meinungsfreiheit im Islam und den Einsatz einer historisch-kritischen Methode zur Koranauslegung.

Neben Themen des praktischen Zusammenlebens wie islamischen Bestattungen oder der Berichterstattung über Muslime befasste sich die Islamkonferenz auch mit der Gefahr islamistischer Terroranschläge in Deutschland. Im Laufe des Jahres wurden mehrfach Muslime festgenommen, zur Fahndung ausgeschrieben oder angeklagt, weil sie unter Terrorverdacht stehen. Zumindest in einem Fall wurde der Verdacht als unbegründet fallen gelassen. Einen der beiden Kofferbomber, die 2006 nicht funktionsfähige Bomben in Regionalzügen hinterlassen hatten, verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf zu lebenslanger Haft.

Deutliche Kritik
Wie fern eine religiös motivierte politische Ideologie den meisten Muslimen in Deutschland liegt, zeigte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Demnach hatte nur für 16 Prozent der Befragten der Islam eine wichtige Bedeutung für die persönliche politische Meinung. Zugleich bezeichnete die Studie 90 Prozent der erwachsenen Muslime in Deutschland als religiös, 41 Prozent davon sogar als hochreligiös. Diese Werte liegen deutlich über den Durchschnittswerten der Gesamtgesellschaft.

Kritiker des Islam äußerten sich 2008 sehr deutlich. Eine "kritische Islamkonferenz", die von dem Schriftsteller Ralph Giordano und dem Zentralrat der Ex-Muslime organisiert wurde, bezeichnete die Islamverbände als konservativ und hinderlich für die Integration von Muslimen. Im Zusammenhang mit der in Köln geplanten Moschee stand der rechtspopulistische Anti-Islamisierungskongress, der im September von großen Gegendemonstrationen begleitet wurde. Auch in der Schweiz und Italien bildeten sich Initiativen zur Verhinderung von Moscheebauten.
Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders veröffentlichte im Internet einen Anti-Koran-Film, der weltweite Kritik auslöste.

Bemühungen der Kirchen
Doch nicht nur Kritik und Konfrontation, auch die Bemühungen um Verständigung verstärkten sich in Deutschland und weltweit. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) traf sich mit muslimischen Vertretern, unter anderem um erneut die umstrittene EKD-Denkschrift "Klarheit und gute Nachbarschaft" zu diskutieren. Als Antwort auf den Brief von 138 muslimischen Vertretern richtete der Vatikan ein katholisch-islamisches Forum ein, das im November erstmals tagte.

In Madrid trafen im Sommer auf Initiative des saudi-arabischen Königs Abdullah und der Muslimischen Weltliga Christen, Muslime, Juden, Buddhisten und Hinduisten zu einer Weltkonferenz für interreligiösen Dialog zusammen. Auch in Genf, in Mechelen bei Brüssel und in Cambridge fanden interreligiöse oder muslimisch-christliche Begegnungen statt. Gemeinsamen Gebetsfeiern mit Muslimen erteilte die katholische Deutsche Bischofskonferenz in einer im September erschienenen Handreichung jedoch eine klare Absage.