Man kann doch nicht auf Kommando feiern oder in Partystimmung sein! Karneval- oder Fastnachtsskeptiker schauen jedes Jahr verwundert auf das närrische Treiben, wenn spätestens an Weiberfastnacht ab 11:11 Uhr Millionen Menschen schunkeln und diverse Karnevalslieder anstimmen.
Geschunkelt wird am "Gaudete"-Sonntag in der Kirche wohl kaum, aber zumindest gibt es eine klare Aufforderung zur Freude: "Freut euch im Herrn allezeit; abermals sage ich: Freut euch!" So heißt es ganz zu Beginn der Messe. Der sogenannte "Introitus", also Eingangsgesang, zitiert jedes Jahr am dritten Adventssonntag aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper. Philippi war eine Stadt im antiken Makedonien. An die Gemeinde dort schrieb Paulus den besagten Brief. Die Aufforderung "Freut euch" heißt auf Latein "Gaudete". So erklärt sich der Beiname des Sonntags.
Zur Zeit von Paulus und den ersten Christen ging es darum, dass die Wiederkehr von Jesus Christus auf Erden für schon sehr bald angenommen wurde.
Mit der Wiederkunft sollte die Welt mit all ihrer Sündhaftigkeit aufgenommen werden in die Vollendung bei Gott – diese nahe Aussicht macht die Aufforderung zum Freuen in der damaligen Zeit nachvollziehbar.
Menschwerdung Gottes wird greifbarer
Aber warum sollen sich die Gläubigen in der heutigen Zeit ausgerechnet am dritten von vier Adventssonntagen so freuen? Zum einen ist die Adventszeit zur Hälfte vorbei. Der eigentliche Anlass – Weihnachten – rückt also näher. Die Menschwerdung Gottes am 25. Dezember wird greifbarer. Die Adventszeit hat einen klaren Hoffnungscharakter und Vorfreude auf das Weihnachtsfest.
Violett ist die liturgische Farbe des Advents, das heißt, die Messgewänder und oft auch die Kerzen des Adventskranzes, vor allem in den USA, sind in dieser Farbe gehalten.
Ausnahme ist der "Gaudete"-Sonntag. Da tragen Priester ein aufgehelltes Messgewand und es gibt auch die Tradition, dass eine der vier Kerzen am Adventskranz ein aufgehelltes Violett ist, also ebenfalls in Rosa gehalten ist. Oft wird diese Kerze "Freudenkerze" genannt. Der Liturgiewissenschaftler Marco Benini erklärt den Freudencharakter so: "Freude ist auch eine Lebenseinstellung, das hat auch etwas mit dem zu tun, wie ich auf Sachen schaue. Aber vor allem braucht Freude einen Grund. Und der ist diese Nähe, die der Herr uns zusagt – 'ich bin bei euch alle Tage' – und die wir an Weihnachten in seiner Menschwerdung feiern."
Eine spezielle Vorbereitungszeit auf das Erscheinen Gottes in der Welt gibt es in Spanien und Gallien bereits im 4. Jahrhundert in Form einer dreiwöchigen Vorbereitungszeit, die klaren Buß- und Fastencharakter hatte. Das Adventsfasten war ab dem 6. Jahrhundert verbreitet.
Der Bußcharakter lag wohl daran, dass der Fokus auf die Wiederkehr Christi am Ende der Zeiten mit der Vorstellung des Jüngsten Gerichtes gelegt wurde. Nach der ersten Ankunft Gottes auf Erden an Weihnachten hoffen die Christen auf dessen zweite Wiederkehr und sollen die Adventszeit zur Vorbereitung nutzen.
In Mailand sechs Wochen Adventszeit
Im Laufe der Jahrhunderte variierte die Dauer der Adventszeit, bis heute beträgt sie in Mailand sechs Wochen. In Rom wurde wohl im 6. Jahrhundert die Dauer auf vier Wochen begrenzt. Dies setzte sich weitgehend in der gesamten katholischen Kirche erst nach Jahrhunderten endgültig mit dem Trienter Konzil im 16. Jahrhundert durch, der Bußcharakter ging nach und nach verloren.
Parallelen zur österlichen Bußzeit, der Vorbereitungszeit auf Ostern, gibt es aber bis heute. Es gibt keinen Gloria-Gesang an den Adventssonntagen wie an den Sonntagen der Fastenzeit und die liturgische Farbe ist die gleiche, nämlich violett. Und genau einmal wird die aufgehellt, am besagten "Gaudete"-Sonntag und am Sonntag "Laetare" der Fastenzeit.
"Laetare" betont die Vorfreude auf Ostern und die Vergebung Gottes in Christus, während "Gaudete" die bereits anbrechende Gegenwart Gottes in der Geburt Jesu in den Blick nimmt und zugleich auf die kommende Vollendung der Heilsgeschichte verweist.
"Laetare" ist der lateinische Beginn des Eröffnungsverses des vierten Fastensonntags, er stammt aus dem Alten Testament und dem Buch des Propheten Jesaja. "Laetare Ierusalem: et conventum facite omnes qui diligitis eam": "Freut euch mit Jerusalem! Jubelt in der Stadt, alle, die ihr sie liebt." Auch hier wieder zeigt sich die Aufforderung zur Freude.
"Auf Knopfdruck-Spaß" wie von Karnevalsskeptikern beim Karneval oder Fasnacht unterstellt, ist nicht gemeint. Aber wohl können diese Sonntage als besondere Mut- und Hoffnungszeichen verstanden werden. Das könnte doch ein Grund zur Freude sein.