Der 100. Katholikentag sucht den Dialog mit Konfessionslosen

"Religiös? Atheist? Ich bin normal!"

Reden wir über Gott! "Über wen?" Einem Großteil der Bevölkerung in Sachsen hat sich die Frage nach Gott noch nie gestellt. Gerade mit diesen Menschen will der 100. Katholikentag ins Gespräch kommen.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Zahlreiche Leipziger Bürger sind konfessionslos / © Peter Steffen (dpa)
Zahlreiche Leipziger Bürger sind konfessionslos / © Peter Steffen ( dpa )

Eine kleine Begebenheit macht mehr als manche Statistik die religiös-weltanschauliche Lage in den neuen Bundesländern anschaulich. Bei einer Befragung sollten Passanten in Leipzig angeben, ob sie religiös oder atheistisch seien. Eine junge Frau antwortete irritiert: "Ich verstehe die Frage nicht. Ich bin weder religiös, noch atheistisch. Ich bin normal!" Für den Jesuitenpater Hermann Kügler ist die Aussage typisch: "Im Leben der meisten Menschen hier kam und kommt die Frage nach Gott einfach nie vor." Etwa 75 Prozent der Sachsen sind "normal", gut 20 Prozent evangelisch und 4 Prozent katholisch.

Schwieriger Dialog mit Konfessionslosen

Kügler leitet die Kontaktstelle der katholischen Kirche in der Leipziger Innenstadt, die den Dialog mit Konfessionslosen sucht. Zugleich ist er federführend für den Programmschwerpunkt "Leben mit und ohne Gott" beim 100. Katholikentag zuständig, der vom 25. bis 29. Mai in der Messestadt stattfindet. Erstmals richtet das katholische Großevent gezielt den Fokus auf Konfessionslose, Atheisten und "religiös noch Unentschlossene", wie mancher Priester sie in Leipzig nennt.

Eine Formulierung, die der Leipziger Religionssoziologe Gerd Pickel für verfehlt hält: "Das suggeriert, dass diese Menschen sich noch entschließen werden - aber für die meisten von ihnen steht überhaupt nichts zur Entscheidung an, sie sind mit ihrem Leben ohne Gott völlig zufrieden und suchen nichts Anderes."

Angebote können Zielgruppe verfehlen

Küglers Erfahrungen bestätigen das: "Viele sagen: In meinem Leben kommt Gott nicht vor, aber mir fehlt auch nichts." Das freilich macht es schwierig für die Kirchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Pater Kügler bilanziert nüchtern: "Wir haben diese Frage in der Vorbereitung wirklich von allen Seiten diskutiert und, ja, es bleibt einfach ein Restrisiko, dass unsere Angebote beim Katholikentag bei dieser Zielgruppe keinen oder nur wenig Anklang finden."

Auch das Hauptpodium "Ich glaub' nichts, mir fehlt nichts" macht ein Problem deutlich: Von den sechs Teilnehmern - darunter der Thüringer Ministerpräsident und bekennende Protestant Bodo Ramelow - ist lediglich einer konfessionslos: der Präsident des Bundesverbandes Jugendweihe, Konny G. Neumann.

Für Pickel nicht verwunderlich: "Es gibt niemanden der 'die' Konfessionslosen repräsentativ vertreten könnte." Zum einen, weil es keine homogene Gruppe ist, zum anderen weil sie nicht organisiert sind. Atheistische Gruppen, die etwa gegen Staatsleistungen an die Kirchen sind, stünden nicht für das Gros der Konfessionslosen. "Und wenn jemand sagt: 'Ich glaub nichts, mir fehlt nichts', hat er damit eigentlich alles zu dem Thema gesagt - worüber sollte man mit ihm diskutieren?", so Pickel.

Themenbereich "Leben mit und ohne Gott"

Insgesamt 39 der rund 1.000 Veranstaltungen gehören zum Themenbereich "Leben mit und ohne Gott". Es sind die unterschiedlichsten Formate: Kunstinstallationen, "Yoga- und Zen-Meditationen mit Andersglaubenden", eine Werkstatt zu "Neue Spiritualität im Personal Coaching", ein meditativer Pilgerweg durch die Innenstadt auf den "Spuren von Unrecht und Hoffnung", Thekengespräche mit den Bischöfen Wolfgang Ipolt (Görlitz) und Stefan Oster (Passau). Diskussionsforen befassen sich mit Sterbehilfe, religiös motivierter Gewalt oder dem Staat-Kirchen-Verhältnis.

Darüber hinaus soll es in der Innenstadt diverse Orte der Begegnung geben. Das Projekt "Off Church" etwa stellt fünf stilisierte, teils selbstironisch gebrochene Kirchen-Accesssoires in der Innenstadt auf, etwa eine Kanzel vor dem Hauptbahnhof mit dem Aufruf: "Geh hoch und sag was Nettes". Oder einen Altar, an dem digital Fürbitten formuliert werden können, und einen Beichtstuhl als Begegnungsstätte.

"Es geht darum, Aufmerksamkeit zu erregen, damit sich die Passanten damit auseinandersetzen", erläutert Kügler und ist gespannt auf die Reaktionen. "Das Christentum ist ja nicht Wellness zur Verschönerung des Lebens, sondern eine Erlösungsreligion - und salopp gesprochen: Wer von nichts erlöst werden will, dem haben wir nichts zu bieten."


Quelle:
KNA