Wie Schützenvereine über die Corona-Zeit kommen

"Dem Virus die kalte Schulter zeigen“

Keine Großveranstaltungen diesen Sommer heißt: auch keine Schützenfeste. Eine Belastung, mit der viele Vereine und Bruderschaften aber sehr kreativ umgehen. Der Bundespräses spricht von Schmerz, aber auch von Ideenreichtum.

Schützen in Neuss / © Dubova (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Schmerzt Sie diese kollektive Schützenfest-Absage?

Msgr. Robert Kleine (Bundespräses der Schützenbruderschaften und Kölner Stadtdechant): Ja, natürlich. Nicht nur wegen des Amtes, sondern auch ganz persönlich. Ich bin in Neuss selber Schütze. Da ist immer am letzten Augustwochenende ein großes Schützenfest, und es geht ja nicht nur darum, dass man dann die Parade hat und Umzüge, sondern das ist ja immer ein Fest, eigentlich für die ganze Stadt, das ganze Dorf. In Neuss kommen dann zum Beispiel alle, mit denen man in der Schule war, egal, wo sie wohnen, zusammen – und all das fällt nun weg.

Also natürlich: Es gibt einen Schmerz über das Nicht-Feiern, Nicht-Marschieren, aber auch die ganzen Begleiterscheinungen, dass es eben keine Gemeinschaft gibt und auch Schmerz darüber, dass die Schausteller und viele andere, auch die, die die Restauration übernehmen, natürlich dann auch noch einmal finanziell sehr geschädigt sind.

DOMRADIO.DE: Man merkt ganz klar: Ein Jahr einfach überspringen, geht irgendwie nicht. Irgendein Zeichen muss man setzen. Das tun ja auch ganz viele. Viele hängen trotzdem am Schützenfest-Wochenende die Fahne raus, oder der Spielmannszug läuft in Minimalbesetzung eine Runde mit dem Trömmelchen durchs Dorf. Haben Sie solche Sachen auch erlebt?

Kleine: Ja, das mit den Fahnen gibt es auch in meiner Heimat. Da gab es auch einen kleinen Autokorso, wo einige Musiker gefahren sind. Man muss natürlich immer gucken, dass das dann doch nicht zu Aufläufen führt, wo die Sicherheitsmaßnahmen umgangen werden. Aber es gibt dieses Gefühl.

Ich habe es nur im Fernsehen gesehen, dass auch Ehrungen wie Orden mit einem langen Stock überreicht wurden, und dass dann halt die Familien draußen saßen bei einem Getränk, und dann kam jemand vorbeigefahren. Das sind eigentlich alles schöne Zeichen dafür, dass man Gemeinschaft erlebt und dass man versucht, irgendwie über dieses Jahr rüber zu kommen.

DOMRADIO.DE: Und es gibt ja auch ganz viele einfallsreiche "Stay at Home"-Aktionen gegen die Fest-Abstinenz. Mir fällt da dieses Schützenfest Selfie-Video ein, wo die Schützen sich gegenseitig nominieren, zu Hause einen Kurzen, ein Bier und zusätzlich auch noch ein anderes Getränk der eigenen Wahl einzunehmen. Hat Sie das auch erreicht?

Kleine: Das nicht. Ich will nicht sagen 'Gott sei Dank nicht'. Man könnte auch sagen, es befördert mal wieder das Bild der Schützen, dass sie nur trinken. Aber ich hoffe, dass das dritte Getränk ein alkoholfreies Getränk ist.

DOMRADIO.DE: Ist das noch Glaube, Sitte, Heimat?

Kleine: 'Glaube, Sitte, Heimat' sind ja die Leitsprüche für unsere christlichen Bruderschaften. Und da geht es eigentlich darum, dass Schützenfest viel mehr ist, als die paar Tage feiern. Was an Solidarität da ist, auch an karitativem Engagement in den Bruderschaften. Dass man eine Gemeinschaft ist, und das zeigt sich gerade jetzt auch in dieser Zeit: Also Nachbarschaftshilfe, Unterstützung auch derer, die in finanzielle Schieflage gekommen sind, in Vereinen. Das ist ein großes Engagement, das sich zeigt. Das spricht dann auch vom Glauben, nämlich von Solidarität und Nächstenliebe.

DOMRADIO.DE: Die Schützenbruderschaften sind ja wirklich immer schon Solidargemeinschaften gewesen. Gegründet damals zum Schutz der Familien, der Dörfer, auch in Krisen. Auch heute merkt man das: Zelt-Verleiher werden zum Beispiel unterstützt, die natürlich unter diesen Festabsagen auch finanziell leiden. Aber was bedeutet das finanziell denn für das Fortbestehen der Vereine an sich? Kann es da auch Probleme geben, oder sind die gut aufgestellt?

Kleine: Das kommt drauf an. Natürlich ist ein Schützenfest auch immer eine Einnahmequelle. Es gibt kleine Schützenvereine, die dann das Zelt aufbauen, die dann selber bewirten, die dann in den Abendstunden Tanz oder andere Veranstaltungen anbieten, dadurch Einnahmen haben, mit denen sie dann ihr Vereinsleben finanzieren. Da sieht es dann schon schwierig aus.

Es gibt natürlich auch große Vereine, große Schützenfeste, die auch in Verträgen stehen. Wir hätten jetzt eigentlich im September noch das Bundesschützenfest gehabt, mit vielen zehntausend Besuchern und Schützen. Das ist ein mittlerer sechsstelliger Betrag an Verträgen. Jetzt, nach der neuesten Maßgabe, dass bis Ende Oktober keine Großveranstaltungen stattfinden dürfen, wird es jetzt wohl abgesagt werden. Aber damit ist man auch nicht mehr so in der Haftung, wie wenn man es vorher abgesagt hat.

DOMRADIO.DE: Ganz viele Schützenvereine haben auf ihren Internetseiten jetzt schon den Countdown so eingestellt, dass der wieder runter zählt bis zum neuen Höhepunkt – also 2021. Wie sehr freuen Sie sich da drauf?

Kleine: Ja, natürlich freue ich mich sehr. Also ich freue mich darauf, wenn diese Pandemie beendet ist, und infolgedessen auch wieder Schützenfeste gefeiert werden. Dann werde ich ganz besonders und mit großer Freude wieder mitfeiern.

Vorher haben wir natürlich noch das andere Thema Karneval. Da sehe ich so ein bisschen schwarz. Aber auch da glaube ich, wie die Schützen werden die Karnevalisten Wege finden, dem Virus die kalte Schulter zu zeigen, indem man ihm nicht die Möglichkeit zur Verbreitung gibt. Und auf der anderen Seite trotzdem ein wenig Karneval feiern kann.

Das Interview führte Verena Tröster.


Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti (DR)
Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR