DOMRADIO.DE: Die Springprozession zu Ehren des Heiligen Willibrord gibt es seit mehr als 500 Jahren. Seit 2010 gehört sie zum immateriellen Welterbe der UNESCO. Das ist eine Verehrung der ganz besonderen Art. Beschreiben Sie uns, was da in Echternach passiert.
Dechant François Erasmy (Rektor der Echternacher Basilika): Es kommen viele Menschen von überall her – aus der Eifel, dem Rheinland, aus den Niederlanden, wo Willibrord auch als Patron der katholischen Niederlande verehrt wird. Er war der erste Bischof von Utrecht.
Diese Prozession ist tatsächlich einzigartig geworden. Früher gab es wohl noch andere Orte mit Springprozessionen – in Prüm in der Eifel beispielsweise. Bei uns gibt es eine bestimmte Musik, eine Polka mit einer sehr einfachen Melodie. Zu dieser Musik springt man in einem bestimmten Takt, heute hin und her, von links nach rechts. Die Teilnehmer sind in Reihen organisiert, normalerweise zu fünft.
Früher gab es den Spruch, dass es nicht richtig vorwärts geht. Lange Zeit machten einzelne Gruppen oder sogar ganze Teile der Prozession drei Schritte nach vorne und zwei zurück. Das hat man aber nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1940er Jahren vereinfacht, damit es schlichter wird und auch besser vorangeht.
DOMRADIO.DE: Wie ist diese kuriose Idee des Springens überhaupt entstanden?
Dechant Erasmy: Das ist eine sehr gute Frage. Die ältesten Quellen gehen ins späte 15. Jahrhundert zurück und belegen, dass es bereits damals Gruppen gab, die gesprungen sind. Heute gibt es den Anspruch einer Gruppe von Waxweiler bei Prüm in der Eifel, die vermutlich am Anfang stand.
Das Ganze geht auf eine Wallfahrt zurück, die schon im 11. Jahrhundert schriftlich festgelegt war. Alle Pfarreien oder Ortschaften, die mit dem Heiligen Willibrord oder dem Kloster Echternach in Verbindung standen, pilgerten zu den Pfingstfeiertagen nach Echternach.
Dabei gab es verschiedene Gruppen: die Stehenden, die Kriechenden und die springenden Heiligen, so nannte man sie. Das waren Pilger, die ein Gelübde abgelegt hatten, weil sie ein besonderes Anliegen hatten – jemand in der Familie war krank, es gab Probleme in der Nachbarschaft oder Krieg. Man versuchte, durch die Fürbitten des Heiligen Willibrord etwas zu erwirken, und das Springen war eine Form dieses besonderen Tuns.
Das Springen ist bereits ab dem 15. Jahrhundert belegt, aber wahrscheinlich erst in den letzten paar hundert Jahren hat es sich flächendeckend auf die ganze Prozession ausgeweitet.
DOMRADIO.DE: Jedes Jahr lockt das Event tausende Pilger und Zuschauer aus Luxemburg, Deutschland, Frankreich und Belgien an. Was sagen die Menschen, die an dieser Prozession teilnehmen? Wie fühlen sie sich danach?
Dechant Erasmy: Alle, die das noch nicht kennen, finden es zunächst sehr eigenartig, aber sie sind auch sehr neugierig. Wenn man mitmacht, wird man von der Musik mitgerissen und mitgenommen.
Alle sagen hinterher: "Das ist ja unglaublich schön, mit dem ganzen Körper, mit den Füßen zu beten." Es ist eine Mischung aus Religiösem und anderem – man kann das eine nicht vom anderen trennen. Es gibt so viele Verbindungen zwischen beiden Aspekten. Man kann nicht sagen: "Jetzt bin ich nur religiös." Die Beweggründe sind wahrscheinlich ganz verschieden.
DOMRADIO.DE: Diesmal findet die Springprozession 80 Jahre nach Kriegsende statt. Zwei Wochen nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands wurde am 22. Mai 1945 durch ein zerstörtes Echternach gesprungen. Welche Rolle spielt das in diesem Jahr?
Dechant Erasmy: Wir erinnern uns dieses Jahr ganz besonders daran. Wir haben Ausstellungen mit Fotos organisiert, und überall wird daran erinnert. Damals war es ein sehr wichtiges Zeichen – die Stadt war zu 80 Prozent zerstört, man muss sich das vorstellen bei diesem historischen Städtchen.
Es war ein Zeichen der Hoffnung, wieder diese Prozession machen zu dürfen, die während der Besatzung verboten war. Es war auch ein Ausdruck der Freude, dass man inmitten der ganzen Hoffnungslosigkeit doch ein Zeichen des Friedens und der Hoffnung setzen konnte.
Was hat Kardinal Frings damit zu tun?
DOMRADIO.DE: Sie haben mir im Vorgespräch erzählt, dass es sogar eine Verbindung der Echternacher Springprozession nach Köln gibt. Welche ist das?
Dechant Erasmy: Kardinal Frings, der damalige Erzbischof von Köln, hat 1953 die erste Messe in der wiederaufgebauten Basilika gefeiert – die Konsekrationsmesse, die allererste Messe, als Zeichen des Friedens. Das war eine sehr bewusste Geste des Friedens nach Deutschland hin, und er hat das mit großer Freude ausgefüllt. Das war wirklich ein sehr schöner Moment damals.
Das Interview führte Carsten Döpp.