DBK-Sprecher Kopp: Armenienreise ist ökumenisch und politisch wichtig

Klare Worte und weiße Tauben

Die Armenienreise zeigt, dass wir es mit einem "eindeutig politischen Papst" zu tun haben, urteilt Matthias Kopp von der Deutschen Bischofskonferenz. Der Armenien-Kenner über die Wirkung von Tauben in der Region Berg-Karabach.

Archäologe und Theologe Matthias Kopp (KNA)
Archäologe und Theologe Matthias Kopp / ( KNA )

domradio.de: Nur drei Millionen Einwohner hat Armenien - wie haben die Bewohner Papst Franziskus bislang aufgenommen?

Matthias Kopp (Sprecher der deutschen Bischofskonferenz und Armenien-Experte): Mit einer großen Begeisterung, aber auch mit einer für Armenien typischen Einstellung: "schön, er ist jetzt da, aber wir gehen unserem Tagesgeschäft nach." Auf Bildern aus Jeriwan sieht man Leute normal ihren Einkäufen nachgehen, während der Papst durch die Straßen fährt. Das wird sich in Gjumri, im Norden von Armenien deutlich verändern, weil dort eine sehr starke katholische Bevölkerung ist, die natürlich den Papst begeistert empfangen wird. Die Medien sind voll von diesem Papstbesuch, eben weil er zum Auftakt der Reise genau das Wort aussprach, auf das alle gehofft hatten: vom Völkermord an den Armeniern durch die Osmanen 1915.

domradio.de: Schon lange vor dieser Reise hat sich Papst Franziskus auf die Seite der Armenier gestellt und klar gesagt, dass die Massaker und Vertreibungen der Armenier im Jahr 1915 ein Völkermord war. Das hat ihm sehr viel Ärger mit der türkischen Regierung eingebracht. Welche Auswirkungen hat das auf das Ansehen des Papstes in Armenien?

Kopp: Eine große Auswirkung, dass er ein mutiger Kirchenführer ist. Das war vor einem Jahr, als dieser Gottesdienst im Petersdom war, auch in armenischen Zeitungen so zu lesen. Es gab danach ja auch ein diplomatisches Gerangel zwischen der Türkei und dem Heiligen Stuhl. Davon lässt sich dieser Papst nicht beirren, der ein eindeutig politischer Papst ist, der eine klare Botschaft sagen will für Verständigung, der für Versöhnung eintritt, aber auch dieses geschichtliche Versagen eines Landes benennt. Daher war es umso eindrucksvoller, dass er am Freitagabend nach der Ankunft eben im Präsidentenpalast das Manuskript zur Seite legte und dann eben vom Völkermord der ersten großen Tragödie  - einer Reihe von Tragödien im 20. Jahrhundert – sprach. Das hat natürlich den höchsten Respekt der Armenier eingebracht.

domradio.de: Welchen Stellenwert hat da der Besuch des Papstes für das Land?

Kopp: Einen unglaublich bedeutenden, denn so viele Staatsoberhäupter bereisen Armenien nicht. Armenien ist ein landschaftlich und kulturell wundervolles Land. Für die Armenier ist dieser Besuch politisch wichtig, er ist innenpolitisch wichtig, er ist auch ökumenisch wichtig. Am Freitag bei der Begegnung am Sitz des Katholikos aller Armenier in Etschmiadzin wurde deutlich: Wir beide, Armenier und Katholiken, haben so viel gemeinsam, auch theologisch, erreicht, dass wir für den Frieden nicht nur beten sollen, sondern auch versuchen sollten, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Diese drei Dimensionen sind für diesen Besuch in Armenien sicherlich von großer Bedeutung.

domradio.de: Armenien gilt als ältestes christliches Land - die Katholiken sind nur eine Minderheit, dominant ist das orientalisch-orthodoxe Christentum. Was wird der Papst-Besuch dieser kleinen Minderheit bringen?

Kopp: Ihr seid nicht allein, ihr seid ein integraler Bestandteil dieser armenischen Gesellschaft und die armenische Gesellschaft kann ohne Euch gar nicht überstehen. Und zwar deshalb, weil die katholische Caritas unglaublich viel im Norden von Armenien über Jahrzehnte geleistet hat. Es gibt dort wunderbar engagierte Ordensfrauen, die für die vielen Waisenkinder Summer Camps durchführen, die es in Nordarmenien gibt. Sie wurden von ihren Eltern verlassen, weil die Eltern ihr Glück nachher in Russland gesucht haben. Die Caritas hat nach dem verheerenden Erdbeben 1987 eine gigantische Aufbauhilfe geleistet und an diese Verdienste der Kirche damals und heute wird der Papst erinnern und deutlich machen, ohne die Katholiken kann diese Gesellschaft nicht bestehen, es muss in einem guten ökumenischen Miteinander klappen.

domradio.de: Franziskus will am Sonntag in einem Kloster, das in Sichtweite des Ararat liegt, Friedenstauben aufsteigen lassen. Dabei geht es um einen aktuellen Konflikt: Armenien und das benachbarte Aserbaidschan streiten um die Region Berg-Karabach. Noch herrscht dort ein Waffenstillstand - glauben Sie, dass der Papst mit seiner Geste zu einem dauerhaften Frieden beitragen kann?

Kopp: Es wird einer der vielen Tropfen auf den heißen Stein sein, es wird nicht direkt ein Frieden kommen, aber es ist gut, dass der Papst am Kloster Chor Virap Tauben aufsteigen lässt, um der Welt zu zeigen, wir müssen uns alle gemeinsam auf der politischen Ebene, auch auf der kirchlichen Ebene, für einen dauerhaften Frieden einsetzen. Der Papst wird ja von Chor Virap, ein wunderbares Kloster, in dem der Begründer des armenischen Christentums, Gregor, der Erleuchter, viele Jahre im Gefängnis saß und dann 301 nach Christus das armenische Christentum als Staatsreligion gegründet wurde. Von diesem Kloster schaut der Papst über die türkischen Grenzanlagen auf den Ararat und er wird eben von Chor Virap einen Appel für einen dauerhaften Frieden in der autonomen Region Berg Karabach aussprechen. Da erhoffen sich natürlich viele Armenier ein klares Wort. Das wird allerdings auch ein klares Wort an die Armenier sein, weil sie am Konflikt um Berg-Karabach nicht ganz unschuldig sind. Dieser Papst wird beide Seiten bedenken, die türkische und die armenische.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR