Pater Alfred Delp hätte im Januar 1945 seine Haut retten können, als ihm der berüchtigte Präsident des Volksgerichtshofes Roland Freisler den Deal anbot, den Jesuitenorden zu verlassen. Dafür hätte man sein Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt. Doch Delp ging nicht darauf ein. "Er wählte IHS statt NSDAP", sagt der Jesuit Andreas Batlogg, der sich seit seiner Jugend mit Delp beschäftigt. "Das Monogram steht für 'Iesum Habemus Socium' und wird von den Jesuiten verwendet. Für Delp war klar: Jesus war sein Gefährte und Führer, nicht Adolf Hitler."

Für Batlogg ist er bis heute eine wichtige historische Figur und ein Vorbild, nicht nur, weil Pater Delp - wie er selbst auch - Jesuit war und als Redakteur bei den "Stimmen der Zeit" arbeitete, der ältesten Zeitschrift für christliche Kultur in Deutschland. "Er war ein mutiger Mann, der sich nicht zum Schweigen bringen ließ."
Jesuiten als "staatsgefährdende Elemente"
Alfred Delp wurde 1907 in Mannheim geboren, katholisch getauft und evangelisch sozialisiert. 1926 trat er nur wenige Wochen nach seinem Schulabschluss den Jesuiten bei und studierte Philosophie und Theologie. 1937 wurde er in der Münchener Jesuitenkirche Sankt Michael zum Priester geweiht, wo heute noch sein Primizkelch aufbewahrt wird.
Sein Versuch, an der Universität in München zu promovieren scheiterte, die Jesuiten galten damals als "staatsgefährdende Elemente". Im Juli 1939 begann Delp daher als Redakteur bei den "Stimmen der Zeit", die Zeitschrift lösten die Nazis 1941 auf. Delp wurde Kirchenrektor an St. Georg in München-Bogenhausen.
Mitglied im "Kreisauer Kreis"
Es war sein Provinzial Augustin Rösch, der Delp als Sozialethiker im Frühjahr 1942 mit dem "Kreisauer Kreis" um Helmuth James Graf von Moltke in Kontakt brachte: informelle Treffen von Männern und Frauen, die gemeinsam über eine Nachkriegsordnung ohne Hitler nachdachten. Auch wenn sie keinerlei Umsturzpläne hegten flogen sie im Nachgang des Stauffenberg-Attentats vom 20. Juli 1944 auf, wurden verhaftet und wegen Hoch- und Landesverrats angeklagt.

Monatelang saß Delp in Isolationshaft in Berlin-Plötzensee, dort schrieb er zahlreiche Briefe, Reflexionen und Meditationen, die der Jesuit Paul Bolkovac später in dem Band "Im Angesicht des Todes" zusammenfasste. Diese Aufzeichnungen seien ein faszinierendes Zeugnis für seinen kritischen Geist und für die Kraft des Glaubens in Zeiten der Bedrängnis, so Andreas Batlogg, der Delps Texte immer wieder zur Hand nimmt.
Vertrauen in Gott
"Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt", schrieb Delp in Isolationshaft und mit gefesselten Händen. Der Satz wurde nicht nur zum Motto des Deutschen Katholikentages 1984, sondern ist für den Jesuiten Andreas Batlogg auch ein Beleg für Delps unerschütterliches Vertrauen in Gott: "Da schreibt einer in Erwartung eines Schauprozesses, dessen Urteil schon feststand. Er war einsam, verlassen und von Angst gerieben, denn er wusste, dass es zu Ende ging", sagt er. "Und man muss immer bedenken: Delp war erst 37 Jahre alt. Sein gewaltsamer Tod verhinderte eine verheißungsvolle Karriere: so viele Jahre, die nicht gelebt wurden."
Am 2. Februar 1945 wurde Pater Alfred Delp hingerichtet, die Nazis ließen seine Leiche verbrennen und auf den Rieselfeldern Berlin verstreuen, nichts sollte an ihn erinnern. Gelungen ist es ihnen nicht: Unzählige Straßen und Schulen sind heute nach Delp benannt und er zählt auch im von der Deutschen Bischofskonferenz herausgegebenen Martyrologium zu den bekanntesten Blutzeugen des 20. Jahrhunderts. Warum wurde er bislang nicht seliggesprochen?
"Kein einfacher Charakter"
Für Prof. Helmut Moll, der dieses Buch verfasst hat, war Delp ein "Vorbild in der Treue zum christlichen Glauben und in seiner Entschiedenheit." Aber zugleich sei er auch ein sperriger Typ gewesen, sagt der Theologe und Historiker: "Er war offenbar kein einfacher Charakter und unbeliebt bei seinen Mitbrüdern", erzählt er.

"Sie haben ihm auch zunächst die ewigen Gelübde verweigert, das muss Gründe gehabt haben, will sagen: Die Jesuiten waren nicht überzeugt von seiner Vorbildrolle." Delp konnte die ewigen Gelübde erst am 8. Dezember 1944 ablegen, als schon klar war: Er würde sterben.
Warten auf die Seligsprechung
War Alfred Delp nicht gefällig genug für eine Seligsprechung? Auch der große Theologe Karl Rahner sagte über Delp, der sein Freund und Lateinschüler war: "In ihm brodelte es." "Er war intellektuell scharfsinnig, er war laut, kantig, und er forderte Autoritäten heraus": Zu dem Schluss kommt auch der Münchner Jesuit Andreas Batlogg. "Aber das imponiert mir, weil er nicht den Mainstream bediente, auch nicht im Orden."
Batlogg führt die bislang ausbleibende Seligsprechung auch auf unklare Zuständigkeiten zurück: Solche Verfahren würden normalerweise dort eröffnet, wo die Person gestorben ist. "Es gab ein hin und her zwischen dem Erzbistum Berlin, wo er starb und München, wo lebte." Auch die Alfred-Delp-Gesellschaft mit Sitz in Mannheim bemüht sich unter ihrem Vorsitzenden Peter Kern seit Jahren darum.
Batlogg rechnet mit Eröffnung des Seligsprechungsverfahren
Tatsächlich – so verrät Batlogg – sei jetzt, nach so vielen Jahren, mit der Eröffnung des Seligsprechungsverfahrens zu rechnen. Als den dafür benötigten Vizepostulator wurde Pater Anton Witwer aus Graz bestimmt, dessen Aufgabe es ist, alles was es über Delps Leben gibt, zu untersuchen um die Frage zu beantworten, ob er sein Leben aus religiösen Gründen geopfert hat.
Es liege jetzt an der Erzdiözese München und Freising, das Verfahren offiziell und in Absprache mit dem Vatikan zu eröffnen. Dass dies nicht mehr zu Delps Todestag am 2. Februar geschieht, bedauert Batlogg, aber er ist überzeugt, dass dies noch in diesem Jahr – 80 Jahre nach Delps Hinrichtung - passieren wird.
Es lohnt sich sein Zeugnis bekannt zu machen
"Man kann natürlich fragen, ob sechs Monate reichen, dass aus einem jungen aufmüpfigen Jesuiten ein Seliger wurde", sagt der Jesuit, der sich seit über 40 Jahren mit Alfred Delp beschäftigt. Aber die Tatsache, dass von ihm geredet werde, dass er gelesen und verehrt werde zeige, dass es sich lohne, sein Zeugnis weiter bekannt zu machen.
Batlogg ist überzeugt: Delp hätte auch heute noch viel zu sagen: "Angesichts der politischen Lage in Deutschland und dem Erstarken der rechten Kräfte ist es wichtiger denn je, dass Christen aufstehen und ihre Stimme erheben. Solche Gestalten brauchen wir heute!"