1700 Jahre nach dem Konzil von Nizäa und was nun?

Ein östlicher Blick in den römisch-katholischen Westen

In diesem Jahr wird das Glaubensbekenntnis von Nizäa als gemeinsames christliches Bekenntnis gefeiert. Doch wie steht es darum in der westlichen Theologie? Gastbeitrag und Erwägungen des orthododoxen Theologen Stafanos Athanasiou.

Autor/in:
Prof. Dr. Stafanos Athanasiou
Symbolbild Ökumene / © Katharina Ebel (KNA)
Symbolbild Ökumene / © Katharina Ebel ( KNA )

Das Erste Ökumenische Konzil von Nizäa im Jahr 325 markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Christentums. Als Antwort auf die theologische Krise, die der Arianismus ausgelöst hatte, wurde vor 1700 Jahren die zentrale Glaubenswahrheit der Wesensgleichheit Christi mit Gott, dem Vater, ausgedrückt. Diese Entscheidung hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte Entwicklung der christlichen Theologie. 

Prof. Dr. Stefanos Athanasiou / © privat
Prof. Dr. Stefanos Athanasiou / © privat

Zu betonen ist jedoch, dass die Kirchenväter nicht einfach ihrer Glaubensidee einen Ausdruck gegeben haben, sondern ihrer Erfahrung. Somit sind die dogmatischen Ausdrücke nicht einfach Ideen, sondern der lebendige Ausdruck wie Gott in der Geschichte wahrgenommen wird. Das Konzil formulierte das Nizänische Glaubensbekenntnis, das später in Konstantinopel ausformuliert und ergänzt wurde, was bis heute als Grundlage des christlichen Glaubens von fast allen christlichen Traditionen im Nizäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis bekannt wird.

Nizänische Glaubensbekenntnis

Die wesentliche Aussage dieses Bekenntnisses lautet, dass Jesus Christus "Gott von Gott, Licht von Licht, wahrer Gott von wahrem Gott" ist, "eines Wesens mit dem Vater" (homoousios to patri). Damit wurde klargestellt, dass der Sohn nicht ein geschaffenes Wesen ist, wie jener Zeit Arius dies bezeugte, sondern zwei Naturen besitzt und damit vollkommen göttlich und gleichzeitig menschlich ist. Diese Lehren des Konzils setzten die Basis der Christologie des christlichen Glaubens und damit der Kirche.

Es ist bekannt, dass sich vor allem die orthodoxe Kirche als die Kirche der altkirchlichen Konzilien und Tradition versteht. Aus diesem Grund ist es wichtig die Sichtweise und den Umgang mit Texten und theologischen Aussagen jener Zeit in der heutigen westlichen Theologie aus orthodoxer Perspektive genauer zu betrachten. Besonders wichtig ist hierbei von orthodoxer Seite diesen christologischen Ansatz nicht nur selbst zu erforschen, sondern durch diesen auch die Herausforderungen der heutigen westlichen theologischen Welt zu betrachten.

Nicht zuletzt ist das auch vor dem Hintergrund, dass mittlerweile eine Vielzahl von orthodoxen Gläubigen im geographischen Westen leben und mit solchen theologischen Diskussionen konfrontiert werden, notwendig. Darüber hinaus jedoch zeigt dieser lebendige Austausch, dass auch im deutschsprachigen Raum in der Ökumene die Orthodoxie nicht vergessen darf, wenn sie wirklich ökumenisch sein möchte. Eine Relativierung der Ökumene auf die zwei großen Kirchen wäre hierbei eine Verweigerung der Wahrnehmung von vier Millionen Christen orthodoxer Konfession nur in Deutschland. Das Jahr 2025 kann für die Ökumene ein Hinhören auf die unterschiedlichen Auslegungen der Nizänischen Glaubenslehre werden.

Hier soll am Beispiel zweier katholischer Theologen, des verstorbenen Papstes Benedikt XVI. bzw. Joseph Ratzinger und des Freiburger Moraltheologen Magnus Striet aufgezeigt werden wie unterschiedlich auch innerhalb der Konfessionen die Sicht auf Nizäa sein kann. In diesem Sinne wird Ökumene nicht nur ein Dialog zwischen Kirchen bzw. Institutionen, sondern zu einem Dialog zwischen Menschen - ein Teilen der spirituellen Erfahrung und des Wahrnehmens Gottes in der Geschichte.

Papst Benedikt XVI. arbeitet an seinem Schreibtisch / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Benedikt XVI. arbeitet an seinem Schreibtisch / © Romano Siciliani ( KNA )

Für Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. stellen die theologischen Grundlagen des Konzils von Nizäa die christologisch-theologische Basis der Kirche dar, die er durch neuarianische Strömungen in der westlichen Theologie des 20. und 21. Jahrhunderts gefährdet sah. Seine tiefen theologischen Überlegungen, die er in einer Vielzahl von Schriften und Vorträgen dargelegt hat, zeigen, dass er die Lehren von Nizäa nicht nur als historische Ereignisse, sondern als lebendige Grundlage für die Auseinandersetzung mit zentralen Glaubensfragen betrachtete.

Unterschiedlich agiert hier Magnus Striet, für den Nizäa vor allem ein Ereignis ist, welches nicht eine bindende fundamentale christologische Aussage gemacht hat, sondern eine, die immer wieder neue gedacht werden muss. Das christologische Anrecht Nicäas sein damit ein Anrecht jeder Zeitepoche, Gott so zu betrachten, wie die philosophische Sichtweise des Menschen sich Gott vorstellt. Letztlich stellt sich die Frage, ob man an einen konkreten Gott der Offenbarung in der Geschichte glaubt, oder letztlich das Gottesbild der Gottesvorstellungen unserer Zeit unterordnen muss, um so den philosophisch-politisch und ideologischen Sichtweisen gerecht zu werden.

Eine bleibende Herausforderung

Das Konzil von Nizäa entstand aus der Notwendigkeit, den Arianismus zu bekämpfen. Der Priester Arius leugnete die Wesensgleichheit Jesu Christi mit Gott und behauptete, dass der Sohn ein geschaffenes Wesen sei, das einen Anfang habe und dem Vater in seiner Göttlichkeit untergeordnet sei. Für Joseph Ratzinger spiegeln die Konflikte, die zum Konzil führten, einen grundlegenden theologischen Kampf wider, der bis heute von Bedeutung ist. In der modernen Welt sieht Ratzinger ähnliche Tendenzen, Christus auf einen bloßen ethischen Lehrer oder einen außergewöhnlichen Menschen zu relativieren.

Solche Ansätze, so Ratzinger, gefährdeten die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens, nämlich dass in Jesus Christus Gott selbst in die Geschichte eingetreten ist. Charakteristisch kommentiert Ratzinger im Vorwort seines ersten Jesus-Buches die These des katholischen Exegeten Rudolf Schnackenburg, dass die Evangelien bzw. Evangelisten Jesu Christi mit "Fleisch umkleidet" haben, folgendes: "Ich möchte dazu sagen: Sie brauchten ihn nicht mit Fleisch zu umkleiden, er hatte wirklich Fleisch angenommen". Somit wird für Ratzinger klar, dass nicht der Mensch durch seine Ideen das Göttliche, auszudrücken vermag, sondern dass sich das Göttliche der Welt selbst offenbart.

Die Formulierung "eines Wesens mit dem Vater" (homoousios) war für Ratzinger nicht nur eine dogmatische Aussage, die als philosophische Notwendigkeit benutzt worden ist, sondern stellt eine theologische Erkenntnis von tiefer existenzieller Bedeutung dar. Er betrachtete diese Notwendigkeit als die Antwort auf die Frage, wie Gott in der Person Jesu Christi auf radikale Weise gegenwärtig ist.

Für ihn war die Wesensgleichheit keine abstrakte Metaphysik, sondern der Schlüssel zur Verkündigung des Evangeliums: Nur ein Gott, der in Christus selbst handelt, kann die Menschheit erlösen. Somit wird der unzertrennliche Bezug zwischen Christologie und Soteriologie klar, der nur im Homoousios-Glauben von Nizäa eine vollkommene Einheit darstellen könne. Damit ist für Ratzinger das Homousios Ausdruck des biblischen Offenbarungsglaubens selbst. Er schreibt: "Das Wort Herr war im Lauf der alttestamentlichen und der frühjüdischen Entwicklung Umschreibung des Gottesnamens geworden und rückte so Jesus in die Seinsgemeinschaft mit Gott selbst hinein, wies ihn als den uns gegenwärtig gewordenen lebendigen Gott aus. (...) Das erste Konzil von Nizäa (325) hat den Ertrag dieses Ringens in dem Wort homoousios zusammengefasst - das einzige philosophische Wort, das ins Credo eingegangen ist. Aber dieses philosophische Wort dient dazu, die Verlässlichkeit des biblischen Wortes zu schützen; es will uns sagen: Wenn uns die Zeugen Jesu bekunden, dass Jesus "der Sohn" ist, dann ist das nicht im mythologischen oder im politischen Sinn gemeint - die beiden Deutungen, die sich vom Kontext der Zeit her nahelegen. Es ist ganz wörtlich zu verstehen: Ja, in Gott selbst gibt es ewig den Dialog von Vater und Sohn, die beide zusammen mit dem Heiligen Geist wirklich ein und derselbe Gott sind".

Somit bringt Ratzinger hier eine weitere wichtige Komponente ins Spiel, die bis heute eine maßgebliche Rolle bei der Bedeutung der christologischen Auffassung spielt. Es ist die Grundfrage des Pilatus an die wühlende Menge: Wen wollt ihr haben Barabas oder Jesus den Christus. An welchen Erlöser wollen die Menschen glauben? An einen politischen Erlöser, versinnbildlicht in Barabas, oder den ontologischen Erlöser, der den Menschen von Grund auf eine neue Erfahrung des Göttlichen offenbart und somit ihn selbst vergöttlichen will.

Der Glaube an einen politischen Führer oder an einem ethischen Erlöser wird von allem heute von verschiedenen Theologen bevorzugt und propagiert. Charakteristisch ist die Auslegung des katholischen Dogmatikers an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg, Magnus Striet, im Bezug zum Homoousios: "Vielen zeitgenössischen Menschen", schreibt er, "dürften solche Spekulationen, wie sie dem Konzil von Nizäa zugrunde liegen, fremd anmuten. 

Überhaupt ist eine starke Tendenz zu beobachten, dass man sich in der gegenwärtigen christlich-religiösen Praxis stark auf das Menschsein Jesu konzentriert. Dies ist auch zunächst gut so. Über lange Jahrhunderte hatte man dies eher an den Rand gedrängt. Stattdessen hatte man sich (...), theologisch und in der Frömmigkeitspraxis ganz auf seinen Kreuzestod konzentriert. Hinzu kommen die Schwierigkeiten, verstehen zu können, was die im Credo gebrauchten Formeln bedeuten und vor allem: was sie in ihrer Aussageintention bezwecken wollen".

Magnus Striet / © Julia Steinbrecht (KNA)
Magnus Striet / © Julia Steinbrecht ( KNA )

In diesem Sinne fordert Striet eine neue christologische Interpretation, die er vor allem damit begründet, dass sich in Nizäa nicht der Ausdruck einer göttlichen Offenbarung durchgesetzt habe, sondern lediglich "die Partei, die keine Unterordnung Jesu unter den Vater akzeptierte wollte und stattdessen darauf bestand, dass Vater und Sohn wesenseins sein". Somit könne und müsse nach Striet jede theologische und philosophische Epoche eine Christologie propagieren: "das Ringen darum, welche Bedeutung denn nun dem Leben und der Person Jesu zukomme, (war in Nizäa) noch nicht abgeschlossen, und es ist es bis heute nicht". Somit propagiert Striet einen Primat des Ethos über das Dogmas, was daraus schließen lässt, dass sich jedes Dogma am Ethos zu messen habe. In diesem Sinne gibt es in diesem Gedanken ein Primat des politischen Wirkens und handeln.

Am Beispiel von Striet erkennt man die tiefen Gräben, die es in der katholischen dogmatischen Welt gibt. Für Joseph Ratzinger würde die Position Striets ohne Zweifel eine Verfälschung des katholischen Glaubens darstellen, wie ihn die Konzilsväter von Nizäa propagiert haben. Striet sieht im Homoousios einen philosophischen Ausdruck vergangener Zeit. Für Joseph Ratzinger ist damit die Menschwerdung des göttlichen Logos bezeichnet, die einen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte bis ans Ende der Zeit bedeutet.

Aus diesem Grund stellt Ratzinger fest: "Diese neue Bedeutung muss in vielfältigen und schwierigen Prozessen der Unterscheidung und des Ringens vollends geklärt und gegen mythisch-polytheistische wie gegen politische Deutungen gesichert werden. Dazu diente dem Ersten Konzil von Nizäa (325) das Wort gleichwesentlich (homoousios). Dieses Wort hat nicht den Glauben hellenisiert, ihn nicht mit einer fremden Philosophie befrachtet, sondern gerade das unvergleichlich Neue und Andere festgehalten, das in Jesus Reden mit dem Vater erschienen war. In Nizäa sagt die Kirche (...) Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes Mt, 16,16.".

Trinität: Gott als Beziehung

Das Konzil von Nizäa legte nicht nur die Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater fest, sondern schuf auch die Grundlage für den späteren Ausdruck des trinitarischen Gottesglaubens. Die Beziehung zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist wurde als Ausdruck der inneren Dynamik Gottes verstanden. Joseph Ratzinger griff diesen Ansatz auf. In seiner "Einführung in das Christentum" erklärte er etwa, dass die Trinität nicht als statisches Konzept verstanden werden darf, sondern als lebendige Beziehung zwischen den drei Personen in der Gottheit. 

Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit Gott, Heiliger Geist und Jesus in der Basilika Saint Francois de Sales / © godongphoto (shutterstock)
Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit Gott, Heiliger Geist und Jesus in der Basilika Saint Francois de Sales / © godongphoto ( shutterstock )

Das Konzil von Nizäa habe "den christlichen Gottesbegriff geklärt. Die drei Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist - sind eins, in dem einen Wesen Gottes". Diesbezüglich unterstreicht er, dass die Trinität die Grundlage für das Verständnis von Christus ist: Nur wenn Christus als Teil der göttlichen Dreifaltigkeit verstanden wird, kann seine einzigartige Rolle in der Heilsgeschichte klar werden. Das Konzil von Nizäa bietet hier die notwendige theologische Grundlage, indem es die ewige Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn und den Heiligen Geist ausdrückt.

Die Menschwerdung im Licht von Nizäa

Das Konzil von Nizäa schuf die Grundlage für das Verständnis des Inkarnationsglaubens, indem es die göttliche und menschliche Natur Christi in einer Person ausdrückte. Ratzinger betrachtete die Inkarnation als das zentrale Ereignis der Heilsgeschichte: In Jesus Christus wird Gott für die Menschen greifbar und erfahrbar. Ratzinger betont die Bedeutung der Inkarnation für das Verständnis der Liebe Gottes. Er sah die Menschwerdung Gottes nicht nur als dogmatische Wahrheit, sondern als tiefen Ausdruck göttlicher Solidarität mit der Menschheit.

Die Lehren von Nizäa sind für Ratzinger die Grundlage, um diese Wahrheit zu verteidigen. Jegliche Relativierung vom Nizäischen Gottesbegriff, der in den übrigen Ökumenischen Konzilien vertieft einen Ausdruck gefunden hat (besonders im Konzil von Chalcedon), widerspricht für Ratzinger jeglichem Wahrheitsbegriff. In diesem Sinne verstand sich Ratzinger als Verteidiger des Glaubens in einer Zeit, die zunehmend von Säkularismus und Relativismus geprägt ist. Die Lehren von Nizäa waren für ihn ein Bollwerk gegen Versuche, die Göttlichkeit Christi zu leugnen oder den Glauben auf rein menschliche Kategorien zu reduzieren, die den Glauben gegenüber Ideologien nicht nur angreifbar machen, sondern den Glauben als Organ von Ideologien herabsetzt.

Für Ratzinger findet sich die maßgebliche theologische Grundlagen des Neuarianismus vor allem in den folgenden theologischen Ausdrucksformen der neueren Theologie:

· Säkularisierte Christologie: Wo Christus auf eine bloße moralische Autorität reduziert wird, ohne seine göttliche Natur anzuerkennen.

· Interreligiöser Relativismus: Wo Jesus als einer von vielen religiösen Führern dargestellt, gleichwertig mit Buddha, Mohammed oder anderen wird.

· Moderne Exegese: Wo einige Strömungen der Bibelwissenschaft die Evangelien rein historisch interpretieren und jede Aussage über die Göttlichkeit Jesu als spätere theologische Entwicklung sehen und damit als Verfälschung des Urtextes der Bibel.

Theologie wird somit nicht einfach eine Projektion jeder philosophisch-ideologischen Gesellschaft, die ihr Idealbild auf Jesus der Geschichte projiziert. Theologie ist somit das Reden aufgrund von Erfahrung.

Ein zentrales Anliegen Ratzingers war die Einheit von Glauben und Vernunft. Das Konzil von Nizäa zeigt seiner Ansicht nach wie die Kirche philosophische Kategorien verwendet hat, um die Wahrheiten des Glaubens zu formulieren.

In diesem Sinne erkennt Ratzinger, dass der Relativismus eine der Hauptursachen für den Neuarianismus ist. In einer Welt, die zunehmend pluralistisch und säkular geprägt ist, tendieren viele dazu, alle religiösen Figuren auf die gleiche Ebene zu stellen. Diese Sichtweise verkennt jedoch die Einzigartigkeit Jesu Christi, der nicht nur ein Wegweiser zu Gott ist, sondern Gott selbst, der den Menschen begegnet.

Schon bevor Joseph Ratzinger zu Papst Benedikt XVI. wurde warnte er vor diesen Tendenz in seiner Rede zur "Diktatur des Relativismus". Er argumentierte, dass der Glaube an die Wahrheit der Göttlichkeit Christi unverzichtbar ist und dass jede Relativierung dieser Wahrheit letztlich den christlichen Glauben untergräbt. Die Formulierung des homoousios ist wie schon erwähnt für ihn nicht nur eine historische Entscheidung, sondern eine theologische Wahrheit. Für Ratzinger zeigt Nizäa, dass Christus nicht ein geschaffenes Wesen ist, sondern in seinem Wesen Gott selbst.

In diesem Sinne verstand er es, die Lehren von Nizäa in die moderne Welt zu übersetzen. Während das Konzil auf die Herausforderung des klassischen Arianismus reagierte, sah Ratzinger in der Theologie von Nizäa eine Antwort auf die moderne Krise einer "Christologie von unten". In Christus wird Gott selbst auf radikale Weise sichtbar. Diese Erkenntnis war für ihn zentral, um dem Neuarianismus entgegenzutreten.

Der Ort der Gotteserkenntnis an sich ist für Ratzinger die Liturgie, in der die Wahrheit über Christus lebendig erlebt wird. In der Eucharistie, so argumentierte er, begegnen die Gläubigen Christus nicht als Symbol, sondern als dem lebendigen Gott. Die Liturgie ist daher ein Schutz gegen den Neuarianismus, da sie die Kirche ständig daran erinnert, wer Christus wirklich ist.

Besonders diese liturgische Dimension des Nizänischen Glaubensbekenntnisse stellt eine wichtige gemeinsame Basis der Sichtweise auf Nizäa mit der orthodoxen Kirche, sowie die gleiche dogmatische Sichtweise auf den Ausdruck und die permanente Aktualität von Nizäa dar.

Die orthodoxe Theologie im deutschsprachigen Raum wird in diesem Jahr durch eine Konferenz, die die Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe der Theologie an der LMU München zusammen mit der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland und dem Arbeitskreis orthodoxer Theologinnen und Theologen im deutschsprachigen Raum organisieren, ihren Beitrag für die Bedeutung der theologischen Aussagen von Nizäa liefern. Dabei bleibt abzuwarten, ob die geglaubte gemeinsame Basis nach allen Nizäakonferenzen in diesem Jahr noch als gemeinsame betrachtet werden kann - oder ob diese gemeinsame Basis nicht mehr von allen in der Ökumene als Fundament angesehen bzw. anders gedeutet wird.

Der Autor: Prof. Dr. Stefanos Athanasiou ist Inhaber des Lehrstuhls für Systematische Theologie am Institut für Orthodoxe Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Konzil

Konzilien ("Beratungen") sind Bischofsversammlungen der christlichen Kirchen. Dieses Instrument der Kirchenleitung entstand in der spätantiken Reichskirche - wobei bald zwischen Regional- und Partikularkonzilien und sogenannten Ökumenischen Konzilien unterschieden wurde.

Bischöfe / © Jeoffrey Guillemard (KNA)
Bischöfe / © Jeoffrey Guillemard ( KNA )
Quelle:
KNA