Mutter Mechthild erhält Göttinger Friedenspreis

"Das war für mich selbstverständlich"

Für ihr Engagement für Geflüchtete wird Benediktineräbtissin Mechthild Thürmer mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet. Warum sie bereit war, dafür mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, erklärt sie im Interview.

Mutter Mechthild / © Abtei Maria Frieden (privat)
Mutter Mechthild / © Abtei Maria Frieden ( privat )

DOMRADIO.DE: Freuen Sie sich, für Ihr Engagement mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet zu werden?

M. Mechthild Thürmer OSB (Äbtissin der Abtei Maria Frieden in Kirchschletten): Für mich ist das schon etwas Außergewöhnliches, denn was ich gemacht habe, war für mich selbstverständlich. Das hat der Tag und die Situation so verlangt. Ich habe auch nie darüber gesprochen.

Selbst der Bürgermeister und der Pfarrer vom Ort haben nicht gewusst, dass wir hier in Kirchschletten Kirchenasyl anwenden, dass Menschen zu uns kommen können, die in aussichtsslosen Situationen sind und hier für eine Weile Quartier bekommen und Verköstigung und vor allen Dingen an der Seele geheilt werden können.

Warum ich das nicht gesagt habe? Es ist selbstverständlich. Und die jungen Leute sollten auch Schutz haben, dass nicht Neugierige kommen und fragen. Sie sind ja oft genug dem ausgesetzt gewesen, Rede und Antwort zu stehen, warum sie da sind, was ihnen passiert ist. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, dass man da auch nicht ständig drüber reden muss.

DOMRADIO.DE: Inwiefern bestärkt Sie der Preis darin, mit Ihrer Aufnahme von Geflüchteten alles richtig gemacht zu haben?

M. Mechthild: Es gibt so viele Menschen in unserem Land, die das als gut und richtig empfinden. Nun wird das sogar mit einem Preis versehen.

Es war mit Sicherheit nicht nur vor den Menschen, sondern vor allen Dingen vor Gott richtig. So kann ich auch ganz ruhig und ganz gefasst sein. Es hat auch schon Anrufe gegeben. Zwei haben gesagt, sie geben mir das Geld, die 2.500 Euro, damit ich meine Nerven behalten kann.

Aber um so etwas geht es nicht im Geringsten. Es geht um ganz viele Menschen, die Schlimmstes erlebt haben und denen hier in unserem Land geholfen werden soll und kann, ohne dass irgendjemand einen Schaden erleidet.

DOMRADIO.DE: Es wird ihnen aber Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in mehreren Fällen vorgeworfen. Ein Gerichtsverfahren steht ja noch aus. Warum lassen Sie sich davon nicht einschüchtern?

M. Mechthild: Ich habe eine ganz große Hoffnung. Es geht ja hier um Menschen. Es gibt ja auch andere Gesetze, die man im Notfall übergehen kann. Zum Beispiel eine rote Ampel, die heißt, dass man stoppen muss. Aber ein Sanitäter, der im Einsatz ist, oder die Feuerwehr, die dürfen um Menschenleben zu retten dort durchfahren, ohne dass sie dafür bestraft werden.

Ich weiß, Vergleiche hinken. Aber es geht um Menschenleben, die Schlimmstes erlebt haben. Und wenn ich mir vorstelle, ich wäre derjenige oder diejenige oder das wäre meine Tochter, mein Sohn, mein Enkelkind. Ich wäre ja demjenigen gegenüber, der ihm oder ihr hilft, nur dankbar.

Ich würde nie auf die Idee kommen, den dafür zu bestrafen.

DOMRADIO.DE: Wie paradox finden Sie es, dass Ihr Einsatz durch diesen Preis einerseits als Engagement für den Frieden gewürdigt wird und Sie auf der anderen Seite von der Justiz als Straftäterin dargestellt werden?

M. Mechthild: Es ist total unverständlich. Ich weiß aber auch von einem Richter, der gestern da war, ein ehemaliger Präsident von einem Landgericht, der das auch als sehr, sehr schwierig empfindet. Er möchte darüber nicht urteilen müssen.

DOMRADIO.DE: Neben ihnen werden auch die Bewegung Seebrücke mit ihrer Kampagne "Sichere Häfen" und der Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies ausgezeichnet. Wie verdient ist hier die Auszeichnung in Ihren Augen?

M. Mechthild: Auf jeden Fall sehr verdient. Das Engagement, das die Seebrücke an den Tag gebracht hat, Menschen dazu aufzurufen, solche Notleidenden aufzunehmen, ist toll.

Menschen zu helfen, ist vielfältig. Die einen rufen dazu auf, die anderen führen es durch. Wieder andere geben finanzielle Mittel dazu. Wieder andere bilden die dann aus und integrieren sie noch mehr. Und da kann man sich in unterschiedlichster Art und Weise beteiligen.

Jeder hat andere Fähigkeiten. Ein Armer kann kein Geld geben und einer, der mit Behörden nicht umgehen kann, der kann eben diese Sachen nicht machen.

DOMRADIO.DE: Mit dem Göttinger Friedenspreis bekommen Sie ja auch ein Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro. Wissen Sie schon, was mit dem Geld passieren wird?

M. Mechthild: Wir haben immer noch Möglichkeiten, solchen Menschen zu helfen. Und das hat uns auch finanziell schon was gekostet, die die ganze Zeit hier zu verköstigen und wohnen zu lassen. Also an ein spezielles Projekt habe ich jetzt nicht gedacht, aber es wird mit Sicherheit oder ist bereits für solche Menschen verwendet worden.

Beten sie alle für mich und für die anderen, die in unserer Gegend auch einen Strafantrag haben. Es ist ein evangelisches Pfarrersehepaar aus Hallstatt, das ist der Bruder Abraham von Münsterschwarzach und die Schwester Juliana Seelmann von Würzburg. Es haben viele was davon, wenn wir alle mitbeten.

Das ist ein großes ökumenisches Engagement, möchte man sagen. Es ist ein gutes Zusammenarbeiten, auch mit der evangelischen Kirche.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Symbolbild Kirchenasyl / © Markus Linn (KNA)
Symbolbild Kirchenasyl / © Markus Linn ( KNA )
Quelle:
DR
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