Das Kölner Friedhofsmobil ist mehr als nur ein Bringdienst

"Die Menschen sind unheimlich dankbar"

Seit 20 Jahren bringt das Kölner Friedhofsmobil Senioren zu den Gräbern ihrer Partner oder Angehörigen. Für viele ist der Service aber mehr als nur ein Shuttle. Warum schätzen sie das Mobil so?

Symbolbild Grablicht auf einem Friedhof / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Grablicht auf einem Friedhof / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was hat es mit dem Kölner Friedhofsmobil auf sich?

Andrea Ecke (Erste Vorsitzende der Senioren Servicedienste Köln e.V.): Das Friedhofsmobil fährt seit 2002 alle 59 Friedhöfe in der Stadt Köln an. Das ist für die, die sich daran beteiligen, ein Geschenk. So erfahren wir das immer wieder in den Gesprächen mit den Senioren und Seniorinnen. Die werden ganz exklusiv zu Hause abgeholt, zum Friedhof gefahren, so nah wie möglich heran an das Grab. Dort können sie sich ca. 30 Minuten aufhalten und dann werden sie wieder nach Hause gebracht.

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, es gibt 59 Friedhöfe in der Stadt Köln, die Sie anfahren. Gibt es da feste Routen oder feste Zeiten?

Ecke: Wir werden angerufen, meine Kolleginnen und ich und wir teilen das dann in einem Terminplan ein. Es fahren zwei Friedhofsmobile, seit 2019 fährt noch ein voll elektrisches. Der Bedarf ist da und dank großzügiger Unterstützung auch der Stadt Köln und privater Spender haben wir das zweite Friedhofsmobil seit 2019 eben auch. Die Seniorinnen und Senioren rufen bei uns an, dann kriegen die ganz individuell ihren Termin. Die sagen dann: "Nee, da kommt der Pfleger und da kann ich nicht. Aber da bitte."

Dann fahren die Fahrer explizit zu diesem Termin zu dieser einen Person, holen die ab und bringen sie wieder. Die haben auch keine bestimmten Tage, wo sie jetzt nur den Friedhof West oder Süd oder sonst was anfahren. Sondern ein Friedhofsmobil fährt rechtsrheinisch, das andere linksrheinisch. Und diese anderthalb Stunden reichen manchmal. Aber für uns am Telefon steht auch manchmal in diesem Datensatz "Achtung, braucht zwei Stunden." So organisieren wir uns und die Fahrer lösen das dann ganz individuell.

DOMRADIO.DE: Sie haben jetzt gerade gesagt, Sie mussten sogar ausbauen. Dem entnehme ich, dass die Nachfrage ziemlich hoch ist. Warum nutzen die Menschen das Friedhofsmobil so gerne?

Ecke: Der Gründer des Friedhofsmobils, Josef Terfrüchte, hat das seinerzeit ins Leben gerufen, weil er im Bekanntenkreis mitbekommen hat, dass ältere Menschen, vor allem, nachdem einen Partner verlieren, oft in Isolation und Einsamkeit versinken. Die Mobilität ist im Alter sowieso oftmals eingeschränkt und so hat er sich gedacht: Das möchte ich so nicht stehen lassen. Dann hat er das mit ganz viel Engagement seinerzeit auf den Weg gebracht.

Es ist immer wieder sehr berührend, denn wir kriegen ganz tolle Rückmeldungen, gerade um die Weihnachtszeit. Nicht nur Schokolade, sondern ganz viele Grußkarten, wo dann draufsteht, dass es einfach das Beste für die Senioren ist, dass das ihr Highlight im Monat ist, dass sie ihren verstorbenen Partner oder Angehörigen besuchen können. Dann sagen sie: "Wissen Sie, das Beste ist ja auch, dass ich auf dem Friedhof nicht alleine bin. Jetzt hatte ich mal wieder das beruhigende Gefühl, bei ihm gewesen zu sein. Wie schön, dass wenigstens Sie an uns denken."

Man spürt diese Dankbarkeit. Das können natürlich am besten die Fahrer erzählen, die ja auch für anderthalb Stunden für diese Menschen da sind – die sind Gesprächspartner und die tragen die Gießkannen zum Grab. Die Menschen sind unheimlich dankbar. Ich glaube, Dankbarkeit ist das große Wort, das man da wirklich nennen kann und das sich immer widerspiegelt in allen Grüßen, die wir bekommen.

DOMRADIO.DE: Was machen denn die Fahrer genau? Sind es Taxifahrer, Chauffeure, Busfahrer? Oder schon fast Sozialarbeiter?

Ecke: Ich würde sagen, alles in allem sind das einfach zwei Menschen, mit denen wir unheimliches Glück gehabt haben, denen Senioreninnen und Senioren am Herzen liegen. Die fahren gerne Auto, die kennen sich gut aus. Und die bringen auch von sich aus das Interesse und das passende Gemüt mit, um auch mal diese schwierigen Dinge auszuhalten. Denn ein Friedhofsbesuch heißt, dass da ein Angehöriger verloren gegangen ist, da gibt es Verlust, Gefühle, die auch ausgedrückt werden. Und die Fahrer sind auch "Seelsorger", die einfach Zuhörer, Tröster, Kamerad, Gesprächspartner sind. Oftmals sind sie die einzige Bezugsperson, die noch regelmäßig für diese Menschen da ist.

Das Interview führte Elena Hong.

Das Stichwort: Friedhofskultur

Die Friedhofskultur in Deutschland ist seit 2020 "immaterielles Kulturerbe". Auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission beschloss die Kultusministerkonferenz im März 2020 die Aufnahme in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis.

Das immaterielle Erbe Friedhofskultur bezieht sich dabei "auf das, was Menschen auf dem Friedhof tun - trauern, erinnern und gedenken" sowie auf das Gestalten, Pflegen und Bewahren. Es sind also nicht die Friedhöfe selbst, die zum Unesco-Welterbe ernannt wurden, das wäre quasi materielles Erbe.

Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz (KNA)
Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR