Journalistin ordnet katholische Kritik an Biden ein

"Das hat es so noch nicht gegeben"

Die US-Katholiken haben nun einen von ihnen im Weißen Haus sitzen. Neben Freude gibt es auch harsche Kritik, zum Teil stärker als an Amtsvorgänger Trump. Dahinter steckt ein alter Konflikt innerhalb der US-Bischofskonferenz.

Joe Biden und seine Frau Jill in einem Gottesdienst / © Evan Vucci (dpa)
Joe Biden und seine Frau Jill in einem Gottesdienst / © Evan Vucci ( dpa )

DOMRADIO.DE: Mit Joe Biden gibt es zum ersten Mal seit John F. Kennedy einen katholischen US-Präsidenten. Man würde denken, dass die Katholiken in den USA froh sind, wieder einen aus ihren Reihen als Präsidenten zu haben. Trotzdem scheint es im Moment mehr katholische Kritik zu geben, als an der Trump-Regierung. Wie erklären Sie sich das?

Heidi Schlumpf (Chefredakteurin "National Catholic Reporter"): Man muss vorab sagen: Viele US-Katholiken sind sehr glücklich mit dieser Wahl und freuen sich über den Gedanken eines zweiten katholischen Präsidenten. Ein katholischer Präsident, der Joe Biden heißt, ein praktizierender Katholik, der seinen Glauben ernst nimmt. Für uns als katholische Journalisten ist es gerade eine nette Abwechslung, darüber zu berichten, ob er sonntags zur Messe geht oder katholische Anspielungen in seinen Reden macht.

Trotzdem sind eine ganze Reihe von Katholiken nicht glücklich mit Präsident Biden und nutzen seinen Katholizismus als Angriffsfläche. Wir sehen das in den sehr widersprüchlichen Aussagen verschiedener Bischöfe am Tag der Amtseinführung.

DOMRADIO.DE: Sie beziehen sich auf den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, den Erzbischof von Los Angeles, Jose Gomez, der ein sehr kritisches Glückwunsch-Schreiben verfasst hat, dass Biden stärker kritisiert, als das Glückwunsch-Telegramm des Papstes. Auf der anderen Seite steht der Erzbischof von Chicago, Kardinal Blase Cupich, der seinem Bischofskonferenz-Vorsitzenden offen widerspricht. Warum wagt sich denn der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der ja eigentlich neutral sein sollte, mit solch einem deutlich kritischen Statement in die Öffentlichkeit?

Schlumpf: Ich würde nicht sagen, dass die Bischofskonferenz neutral sein muss. Es ist auf alle Fälle ihr Anliegen, sich zu äußern, wenn sie Themen sehen, bei denen sie es für nötig halten. Das tun sie ja auch bei den verschiedensten Themen. Das Problem ist, dass wir da in den vergangenen Jahren wenig Konsistenz gesehen haben. Es gab zwar eine Reihe von Statements, die die vielen problematischen Beschlüsse der Trump-Regierung kritisiert haben, alles von Kindern in Käfigen bis zum Umsturz-Aufruf am Kapitol. Diese Statements waren aber kurz und knapp und haben Trump oft noch nicht mal namentlich erwähnt.

Nun gibt es natürlich auch Bedenken im Bezug auf Biden. Bedenken hauptsächlich bei der Frage legaler Abtreibungen. Da sind die Statements der Bischofskonferenz dann aber viel länger und erwähnen den Präsidenten beim Namen. Ich würde das sogar als exzessiv bezeichnen.

Ich denke, die Äußerungen von Erzbischof Gomez am Tag der Amtseinführung waren besonders unglücklich. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um ausführlich aufzulisten, mit welchen politischen Zielsetzungen man nicht zufrieden ist.

Das nun Chicagos Kardinal Blase Cupich widerum auf Gomez` Statement kritisch reagiert hat, ist etwas, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Dass ein Kardinal einen Erzbischof öffentlich so deutlich kritisiert, ist schon eine ziemliche Nummer.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet das für die Bischofskonferenz? Ist das ein Konflikt, den es immer schon gab oder öffnet das die Tore für einen Kleinkrieg zwischen den Bischöfen?

Schlumpf: Das wirkt vielleicht wie etwas neues auf Leute, die von außen auf die katholische Kirche blicken. Nicht jeder ist bei den internen Meinungsverschiedenheiten der Bischofskonferenz auf dem Laufenden. Im Moment macht das Schlagzeilen in den säkularen Medien, die sonst nicht reagieren würden. Aber diese Streitigkeiten zwischen den Bischöfen gehen schon Jahrzehnte zurück.

Es gibt schon seit langem zwei Fraktionen. Die einen würde ich als "Kulturkämpfer" bezeichnen, viele von ihnen noch ernannt durch Johannes Paul II., haben ihren Fokus auf Fragen der Sexualmoral. Auf der anderen Seite gibt es ein paar – ich denke progressiv oder liberal ist nicht das richtige Wort – Bischöfe, die weniger auf den Kulturkampf aus sind. Einige ältere von ihnen sind noch durch das Zweite Vatikanische Konzil geprägt, und jetzt auch schon im Ruhestand. Es gibt aber auch jüngere, die von Papst Franziskus ernannt wurden. Ich denke diese Konflikte werden sich auch noch eine Weile hinziehen.

Ich finde das ziemlich problematisch. Das könnte jetzt eine Zeit sein, in der Katholiken etwas sehr Positives wieder entdecken. Wir haben einen praktizierenden Katholiken als Präsidenten, der zum größten Teil seinen Glauben lebt und versucht, das Beste aus seiner neuen Position zu machen. Die Streitigkeiten zwischen den Bischöfen überschatten das alles irgendwie, und nehmen in gewissem Sinne auch die Möglichkeit der Evangelisierung, die in dieser neuen Situation liegt.

DOMRADIO.DE: In den Medien wird der Konflikt dann auf Gomez gegen Cupich runtergebrochen. Entspricht das den Tatsachen oder ist das zu simpel gesehen?

Schlumpf: Gute Frage. Ich würde auf alle Fälle sagen, dass sie als Gottesmänner, als Priester, als Bischöfe mehr gemein haben, als in den Medien oft dargestellt wird. Das Werk Jesu und die Kirche liegen ihnen sicher beiden am Herzen. Sie blicken darauf - aber aus sehr verschiedenen Perspektiven. Und sie stehen jeweils nicht alleine. Es sind nicht nur diese zwei Männer, auch wenn es sich in der aktuellen Lage darauf zuspitzt.

Als Erzbischof Gomez zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt wurde, gab es große Freude und Aufregung. Er ist der erste Latino-Bischof, der die Konferenz leitet. Auf der anderen Seite hat er Verbindungen zu Opus Dei in seiner Vergangenheit obwohl der aktuell nicht Mitglied ist. Als Erzbischof von Los Angeles steht er einer wachsenden Diözese vor, die einen großen Latino-Anteil hat. Man muss aber auch sehen, dass er schon mehrmals übergangen wurde bei den Kardinalsernennungen, was beim Erzbischof von Los Angeles eigentlich üblich wäre. Ich würde ihn nicht als den extremsten, überzeugsten Kulturkämpfer bezeichnen, obwohl er solche Verbindungen in der Bischofskonferenz pflegt.

Kardinal Cupich dagegen wird als enger Berater von Papst Franziskus gesehen. Er ist Mitglied im Beratergremium des Papstes. Er ist auch sehr deutlich und auch mutig, wenn er sich öffentlich äußert, weshalb er als Anführer der progressiveren Bischöfe gesehen wird.

DOMRADIO.DE: Denken Sie die Kritik von Erzbischof Gomez am neuen Präsidenten Biden ist aus katholischer Sicht gerechtfertigt?

Schlumpf: Es ist wahr, dass Biden Standpunkte beim Thema Abtreibung vertritt, die nicht der Lehre der Kirche entsprechen. In der Vergangenheit hat er gesagt, dass er persönlich gegen Abtreibungen ist, eine Illegalisierung aber nicht der richtige Weg ist, um die Zahl der Abtreibungen zu verringern. In einigen seiner Positionen hat er sich aber in letzter Zeit mehr in Richtung einer liberalen Abtreibungspolitik bewegt, zum Teil auch weil das der Parteilinie der Demokraten entspricht.

Ist sein Standpunkt für Katholiken problematisch? Ja. Aber behält man das alles im Blick, was im Moment in den Vereinigten Staaten passiert – wir hätten vor kurzem um ein Haar unsere Demokratie verloren, dann natürlich die Pandemie und viele andere Probleme – da wirkt dieser exzessive Fokus auf das Abtreibungsthema und die Illegalisierung als einziger Weg die Zahlen zu drücken, meiner Meinung nach doch problematisch.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Heidi Schlumpf (privat)

Joe Biden / © Alex Brandon (dpa)
Joe Biden / © Alex Brandon ( dpa )

Jose Horacio Gomez Velasco, Erzbischof von Los Angeles / © Bob Roller/CNS photo (KNA)
Jose Horacio Gomez Velasco, Erzbischof von Los Angeles / © Bob Roller/CNS photo ( KNA )

Blase Joseph Cupich / © Paul Haring (KNA)
Blase Joseph Cupich / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
DR
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