Sehnsucht nach einem sozialen Gegenüber

Corona sorgt für "Haustierboom"

Menschen und Tiere - in Zeiten von Corona scheinen sie noch mehr zusammengewachsen zu sein. Immer mehr Menschen haben sich in den letzten Monaten ein Haustier zugelegt.

Tierliebe / © StockLite (shutterstock)

Der Corona-Lockdown mit seinen starken Einschränkungen hat eines deutlich gezeigt: Menschen sehnen sich nach Nähe und sozialen Kontakten mit Verwandten, Freunden und Kollegen. Weil diese aber kaum noch möglich waren, wählten sich die Deutschen vermehrt andere Begleiter: mit Fell und Federn.

Coronabedingt habe es einen regelrechten "Haustierboom" gegeben, sagt Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes. Nicht nur im Zoofachhandel, auch bei Züchtern und in Tierheimen habe es eine "überdurchschnittliche Nachfrage" gegeben, etwa in Karlsruhe, Köln und Lübeck. Die Tierasyle in Starnberg, Heilbronn und Waldenburg seien sogar so erfolgreich gewesen, dass vorübergehend kaum noch oder gar keine Katzen und Hunde mehr zur Vermittlung standen. In Wiesbaden hätten durch gezielte Einzelberatungen mit Interessenten "selbst schwierige Langzeitinsassen" ein neues Zuhause gefunden.

Sozialpartner gesucht

"Wir Menschen sind soziale Lebewesen", weiß die Erfurter Psychologin Andrea Beetz. Weil sie sich nach einem Sozialpartner sehnten, legten sich nun manche ein Tier zu. Durch dieses "soziale Gegenüber" fühle man sich emotional unterstützt. Hinzukomme der wohltuende Körperkontakt und das Streicheln, den Tier und Mensch gleichermaßen genießen. Dabei wird das Wohlfühlhormon Oxytozin ausgeschüttet, das Stress, Angst und depressive Verstimmungen reduziert sowie Vertrauen und Wohlbefinden fördert. Ein Effekt, den Menschen in Corona-Zeiten offenbar gut gebrauchen können.

Das belegt auch eine soeben veröffentlichte Studie der Stiftung Bündnis Mensch & Tier über die "Bedeutung der Mensch-Tier-Beziehung in der Corona-Krise". Klares Fazit der im Lockdown erhobenen Untersuchung laut Studienleiterin Carola Otterstedt: "Menschen profitieren von Tieren in Krisenzeiten". Sie könnten besser mit Sorgen und Ängsten umgehen, weil ihnen der Sozialkontakt mit den Tieren und die Alltagsstrukturen durch die Tierversorgung helfen. Tiere vermittelten ihren Haltern gerade in einer Krise wie Corona "Vertrauen und Sicherheit".

Skurrile Anfragen

Experten warnen indes vor einer überstürzten, unreflektierten Anschaffung. So berichtet Schmitz von "skurrilen" Anfragen - etwa, ob man ein Tier auch nur für drei Monate übernehmen könnte, etwa um die Kinder zu bespaßen. Deshalb werde im Tierschutz "genau hingeguckt", ob die Interessenten überhaupt die Voraussetzungen mitbringen, ein Tier auf Dauer zu nehmen.

Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten beobachtet bereits mit Sorge steigende Abgabezahlen. Der Grund: Manche Menschen hätten gemerkt, dass sie nicht ausreichend Zeit oder Geld hätten, ein Tier auf Dauer zu versorgen. Dabei sei es nicht nur da, "um seinem Besitzer in einer schweren Zeit Freude zu schenken", erklärt Heimtierexpertin Sarah Ross. Schließlich sei ein Tier "ein Individuum mit Bedürfnissen", das nicht nur vorübergehend, sondern lebenslang umsorgt werden müsse.

Und zurück im Tierheim steigen die Vermittlungschancen nicht unbedingt. Denn mancherorts hat das Interesse an Tieren auch stark abgenommen, weiß Schmitz. Denn die Menschen seien coronabedingt auch viel mit sich selbst und ihren Problemen beschäftigt gewesen.

Der Deutsche Tierschutzbund beobachtet als Dachverband der Tierheime derweil eine finanziell "besorgniserregende" Lage. So seien fest einkalkulierte Einnahmen aus Festen, Basaren und Flohmärkten weggebrochen. Und weil die Menschen weniger verreist seien, hätten die Heime auch weniger Pensionstiere beherbergt, die auch Geld in die Kassen bringen.

Auch der Auslandstierschutz steht vor Herausforderungen. Durch die coronabedingte wirtschaftliche Not und ausbleibende Touristen in südlicheren Ländern geht es vielen Hunden und Katzen aus Sicht von Tierschutzvereinen noch schlechter als sonst. Sie werden nicht mehr versorgt und ausgesetzt.

Im Auslandstierschutz tätige Vereine wie Tiere in Not Griechenland rechnen mit einem "enormen Anstieg der Straßenhunde", weil Haushunde aufgrund finanzieller Probleme oder aus Angst vor Ansteckung vor die Tür gesetzt werden könnten. Die Vereine setzen deshalb nun verstärkt auf Geldspenden und Tierpatenschaften.


Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Tieren gesteigert / © MT-R (shutterstock)
Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Tieren gesteigert / © MT-R ( shutterstock )
Quelle:
KNA