Christen in Syrien sind tief verunsichert

"Möge Gott uns bewahren"

"Möge Gott uns beschützen, noch sind wir hier sicher, hoffen wir, dass es so bleibt." Die irische Schwester Bridget lebt seit mehr als 30 Jahren in Syrien. Als junge Frau schloss sie sich dem Orden der Salesianer an. Laut sei Damaskus damals gewesen, erinnert sich die alte Dame mit leiser Stimme. Doch nirgends habe sie sich so wohl gefühlt wie in dieser alten Stadt.

Autor/in:
Karin Leukefeld
 (DR)

Schwester Bridget arbeitete in der Krankenpflege, viele Jahre half sie Leprakranken und anderen Bedürftigen, die in Orten außerhalb der syrischen Hauptstadt leben. Hilfe und Beistand für die Menschen sei ihr Programm, sagt Schwester Bridget. Leider habe sie in den vergangenen Monaten viele der Vororte nicht mehr erreichen können.
"Die Gewalt hat so zugenommen", sagt sie. "Wir beten für einen Ausweg, aber es scheint, als sei die Welt gegen Syrien."

Obwohl sie sich in ihrem hohen Alters eigentlich mehr Ruhe gönnen sollte, hat Schwester Bridget in den vergangenen Wochen wieder häufig den Nachtdienst im nahe gelegenen Krankenhaus übernommen. Das Personal sei sehr angespannt, weil die Unruhen sie nicht nur beruflich, sondern auch familiär betreffen. Eine Krankenschwester habe kürzlich zwei Verwandte verloren: "Soldaten, die an Kontrollpunkten in einem Damaszener Vorort erschossen wurden." Eine andere Schwester, die ursprünglich aus Homs stamme, habe acht Angehörige verloren.

Auch der bei dem Attentat am vergangenen Mittwoch getötete Verteidigungsminister Daud Radscha war Christ. Der 65-Jährige hatte das Amt erst vor wenigen Monaten übernommen, Beobachtern zufolge war Radscha mehr militärischer Repräsentant, denn ein "Hardliner des Regimes". Aufständische werfen Christen vor, sich auf die Seite des Regimes zu stellen und die Unterdrückung der Oppositionsbewegung zu unterstützen. Tatsächlich haben Christen in allen Brennpunkten des Landes immer wieder vermittelt und zum Dialog zwischen den verfeindeten Seiten aufgerufen.

Stimmen der Vernunft werden zwischen den Fronten zerrieben

Die eskalierende Gewalt mache eine Vermittlung schwer, sagt ein Christ, der namentlich nicht genannt werden möchte. Stimmen der Vernunft und Versöhnung werden zwischen beiden Fronten zerrieben. Der italienische Pater Paolo Dall"Oglio vom Kloster Deir Mar Musa, das für den interreligiösen Dialog weltweit bekannt ist, bezahlte seinen Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden im Juni mit der Ausweisung.

Gregoire III. Laham, griechisch-katholischer (melkitischer) Patriarch von Antiochien geht mit Teilen der Opposition hart ins Gericht. Er wolle nicht das Regime verteidigen, sagt der Patriarch. Doch sei Syrien bisher das einzige Land gewesen, in dem ein "wahrer Dialog zwischen den Religionen" praktiziert worden sei. Heute sei das anders. "Egal, was man sagt, auch wenn man zum Kompromiss bereit ist, wird Dialog verweigert."

Der 80-jährige Daud Hido stammt aus Qamishly, im Norden Syriens. Als er in den 1930er Jahren dort zur Schule ging, teilte der Christ die Schulbank mit Muslimen und Juden. Die wachsende Spaltung der syrischen Gesellschaft in die verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen hält Hido für eine der gravierendsten Folgen der Unruhen in den letzten Monaten. Es werde lange dauern, bis diese Wunde geheilt sein werde, sagt Hido. Der Mann, der lange in Deutschland lebte und dort studierte, äußert sich besonders enttäuscht darüber, "wie Frankreich und Deutschland sich in diesem Konflikt verhalten". Beide Länder hätten ein Jahrhundert furchtbarer Kriege erfahren; "warum eskalieren sie, anstatt zu vermitteln?"

Auf dem Weg zur nächsten Nachtschicht im Krankenhaus trifft Schwester Bridget ein Ehepaar, das die alte Mutter des Mannes besucht. Verstohlen drückt der Mann ihr einen großen Geldschein in die Hand und sagt: "Beten sie bitte für unsere Mutter und für unsere Heimat", sagt der Mann, ein Muslim. Die Syrer seien so dankbar für jede Hilfe, sagt Schwester Bridget lächelnd. Das sei ihr "Lohn genug".