Christen beobachten Pläne für Papstbesuch nicht ohne Sorge

Drahtseilakt in der Heimat Jesu

Pilgermassen und eine gelöste Stimmung wie seit Jahren nicht: Im Heiligen Land rüsten sich die Christen für das Weihnachtsfest. Und schon für das Frühjahr kündigt sich ein nächstes Besucherereignis an: Benedikt XVI., so heißt es, wolle im Mai in die Heimat Jesu pilgern. Allerdings löst die Ankündigung nicht nur Begeisterung aus.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
Johannes Paul II. im Jahr 2000 an der Klagemauer in Jerusalem (KNA)
Johannes Paul II. im Jahr 2000 an der Klagemauer in Jerusalem / ( KNA )

Ausgerechnet die einheimischen Christen, in großer Mehrheit Araber, sehen dem hohen Besuch eher mit Skepsis entgegen. Sie fürchten inmitten der festgefahrenen politischen Situation ein falsches Signal.

Tatsächlich müsste Benedikt XVI. beim Besuch der heiligsten Stätten der Christenheit einen Drahtseilakt bewältigen. Die aktuelle Lage ist denkbar verschieden von jener, die Johannes Paul II. bei seiner gefeierten Reise im Jubeljahr 2000 vorfand. Die euphorischen Friedenshoffnungen von damals haben Enttäuschung und vielfach Resignation Platz gemacht. Sprach man damals noch von Annäherung, so ragt heute zwischen Jerusalem und Bethlehem eine acht Meter hohe Betonmauer empor. An die 600 Straßensperren und Checkpoints um und im Westjordanland, kombiniert mit einem Dschungel aus Passierscheinen, ersticken die palästinensische Wirtschaft.

Kirche im Heiligen Land in Schwierigkeiten
Israelische Siedlungsblöcke lassen die Hoffnung auf einen lebensfähigen Staat Palästina in weite Ferne rücken. Auch die Kirchen im Heiligen Land kämpfen mit Schwierigkeiten. Vor allem die Visa für den überwiegend arabischen Klerus sind ein Dauerproblem. Gleichzeitig schleppen sich die Verhandlungen zwischen Israel und Heiligem Stuhl über Eigentums- und Steuerfragen seit bald zehn Jahren hin. Seit der israelische Fiskus im November ein russisches Kloster mit steuerlichen Millionen-Nachforderungen überraschte, sehen auch andere kirchliche Häuser ein Damoklesschwert über ihren Dächern schweben. Solche und ähnliche Unsicherheiten sind zermürbender Dauerzustand geworden - und lassen Raum für viel Behörden-Willkür.

Dass Benedikt XVI. gern in die Heimat Jesu pilgern würde, ist seit Jahren kein Geheimnis. Israelische wie palästinensische Führer haben ihn wiederholt eingeladen. In der Ortskirche war ein Besuch des Kirchenoberhauptes jedoch immer an Verbesserungen der politischen Situation und Fortschritte in den Verhandlungen geknüpft worden. Dass diese beiden «Bedingungen» nun anscheinend aufgegeben sind, registrieren einheimische Kirchenvertreter mit Überraschung.

Unverbindlicher Besuch?
Viele fragen sich, mit welcher Absicht Benedikt XVI. kommt.
Absolvierte er eine reine Pilgerreise mit unverbindlichen Friedensaufrufen und freundlichen Gesten nach allen Seiten, so würden sich die Christen im Stich gelassen fühlen. «Was wir brauchen, sind klare Worte, die Israel Paroli bieten», fasst ein Geistlicher die Stimmung zusammen. Genau damit aber sei nicht zu rechnen - zumal gerade dieser Papst dafür als Deutscher eine schlechte Ausgangsposition habe. Außerdem, fürchten viele, würde dem hohen Besuch eine schöne Scheinwelt vorgeführt: «Sie werden für ihn die Tore des Checkpoints weit aufreißen, und er wird gar nicht merken, was die Mauer für uns bedeutet», meint ein Andenkenhändler aus Bethlehem. «Würde er sich in Jeans in die Schlange stellen, wäre das anders.»

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fuad Twal, versucht unterdessen, die Gemüter zu beruhigen: Der Papst wolle den Christen in ihrer schwierigen Lage nahe sein. Als sich die Gerüchte über einen baldigen Besuch Benedikts verdichteten, reiste der einstige Kirchendiplomat sofort nach Rom und - und er hat dort offenbar erwirkt, dass nun Jordanien als erste Etappe der Pilgerreise im Gespräch ist. Auch ein Besuch in einem Flüchtlingslager bei Bethlehem könnte laut israelischen Presseberichten auf dem Programm stehen - was die arabische Welt sicher aufmerksam registrieren würde.

Für die schwindende christliche Minderheit im Nahen Osten wäre noch aus einem weiteren Grund wichtig, dass ein Papstbesuch nicht in die Nähe eines Staatsbesuchs in Israel rückt: Wenn der Welt wichtigster Kirchenführer als Befürworter der israelischen Politik wahrgenommen würde, müssten die arabischen Christen fürchten, von ihrem muslimischen Umfeld noch stärker angefeindet zu werden.