"Tu sei la mia vita – Herr, du bist mein Leben, Herr, du bist mein Weg. Du bist meine Wahrheit, die mich leben lässt..." Die leuchtende Nachmittagssonne taucht den Innenraum des Kölner Domes in warmes sommerliches Licht, als die Gemeinde zum Einzug einer langen Prozession aus vielen Messdienerinnen und Messdienern, Seminaristen und Priestern in dieses auf Italienisch und Deutsch gesungene Kirchenlied einstimmt.
Die beschwingte Musik ist gleich zu Beginn ein Statement und charakteristisch für jemanden, dem die Freude über seine bevorstehende Weihe ins Gesicht geschrieben steht. Denn Carlo Cincavalli wird nach einer zwölfjährigen Vorbereitungszeit in diesem festlichen Gottesdienst von Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki zum Priester geweiht.
Einen Großteil dieser Zeit hat der gebürtige Italiener aus Bari im Erzbischöflich-Missionarischen Priesterseminar Redemptoris Mater in Bonn verbracht, während er die pastoralpraktische Phase seiner Ausbildung zuletzt im Erzbischöflichen Priesterseminar St. Albert in Köln absolvierte.
Familie und Freunde sind aus Apulien angereist
Der Dom ist in den rechten Bankreihen bis auf den letzten Platz gefüllt mit Menschen, die den Weihekandidaten Carlo Cincavalli auf seinem bisherigen Weg begleitet haben: mit Familie und Freunden, die eigens aus Apulien vom Stiefelabsatz angereist sind, Ausbilder, Mentoren und Mitbrüder, und sogar Don Giuseppe Di Nardo, der Heimatpfarrer des 36-Jährigen, der ihm später die Stola und Dalmatika anlegen wird, hat die Reise aus Süditalien ins Rheinland auf sich genommen.
Vor allem aber sind unter den Mitfeiernden auch viele, die mit dem jungen Mann in der geistlichen Gemeinschaft des Neokatechumenalen Weges, die jeweils in Köln und Düsseldorf eine Niederlassung hat, Lebens- und Glaubenserfahrungen teilen oder die in seiner Leverkusener Ausbildungsgemeinde mit ihm zusammengearbeitet und großen Anteil an seinem beruflichem Ziel, Priester werden zu wollen, genommen haben. In den ersten Reihen sitzen die nächsten Angehörigen, Mutter, Schwester und Schwager – der Vater ist früh verstorben – denen über Kopfhörer eine Simultanübersetzung zugespielt wird, damit sie die feierliche Liturgie bis ins Detail mitverfolgen können.
Auf der anderen Seite des Mittelschiffs haben die Familie von Kardinal Woelki, engste Mitarbeiter aus dem Generalvikariat und den diözesanen Arbeitsgremien sowie persönliche Gäste von ihm und seinen Mitbrüdern aus dem Weihejahrgang 1985 Platz genommen. Alle – auch die Mitbrüder aus dem Diakonium und Presbyterium, die vom Chorraum aus die Weiheliturgie mitverfolgen und dafür aus dem ganzen Bistum zusammengekommen sind – begrüßt der Kölner Erzbischof als "Helfer in der Danksagung und beim Lobe Gottes" auf das Herzlichste. Er erinnert daran, dass alle ihre Weihe schon an demselben Altar empfangen hätten, und schlägt damit einen Bogen zum aktuellen Weihekandidaten.
Carlo Cincavalli spricht sein "Ich bin bereit"
Dieser wird nach dem Evangelium namentlich von Regens Regamy Thillainathan und Regens Salvador Pane Dominguez aufgerufen und erklärt sein "Adsum", indem er mehrfach laut vernehmlich sein "Ich bin bereit" in den Dom ruft. Die für seine Ausbildung verantwortlichen Priester versichern dem Erzbischof, dass der Kandidat des Priesteramtes würdig ist.
Daraufhin verspricht der Weihekandidat, seinem Bischof, Gehorsam zu leisten, den Dienst an den Sakramenten und der Verkündigung zu übernehmen sowie den Armen und Notleidenden zu helfen. Nach der Allerheiligenlitanei folgt die zentrale Weihehandlung: Durch Handauflegung und das anschließende Gebet weiht Kardinal Woelki Carlo Cincavalli zum Priester. Danach legen ihm auch alle anderen anwesenden Priester die Hände auf. Es folgen das Anlegen des Priestergewandes, die Salbung der Hände mit Chrisam, die Überreichung von Brot und Wein für die Eucharistiefeier und schließlich der Friedensgruß.
In Köln wird die Priesterweihe immer am Herz-Jesu-Fest gefeiert, einem Tag mit besonderer Bedeutung für das priesterliche Leben, da es jeden Priester an seine Berufung und seinen Auftrag erinnert. Auf den Kern dieses Festes geht in besonderer Weise auch Kardinal Woelki in seiner Predigt ein, der den Weihekandidaten Cincavalli, aber auch sich und seine Mitbrüder, die er an diesem Nachmittag im Dom unmittelbar um sich geschart hat, in einer langen Tradition von priesterlichen Glaubenszeugen sieht.
"Das heutige Hochfest des heiligsten Herzens Jesu erinnert uns daran, dass Gott ein Herz für uns hat", erklärt der Kardial wörtlich. "Durch den Lanzenstich am Kreuz, der Jesu Menschenherz öffnet, wird sichtbar, dass Gottes Herz für uns offensteht. An Jesu Herz können wir Gottes Herz schlagen hören. Es schlägt vor allem eines: Liebe, Liebe zu uns, Liebe für uns, versöhnende, heilende, rettende, erlösende Liebe."
Dass der Hirte dem einen Schaf nachgehe und dafür die 99 anderen in der Wüste zurücklasse – wie es im Evangelium heiße – sei ein Bild für die unbegreifliche Liebe, die im Herzen Jesu für die Menschen schlage. "Und diese Liebe will Gott nicht für sich selbst behalten. Diese Liebe will er weiterschenken, die will er weitergeben, die soll weiterströmen hin zu allen Menschen", sagt Woelki und fügt hinzu, dass dieses Weiterschenken der Liebe Gottes wohl auch die tiefste Motivation für die Berufung von Carlo Cincavalli, aber auch seinen Konsemestern und ihm selbst gewesen sei.
Vor 40 Jahren aufgemacht, um das Wort Jesu zu verkünden
Aus dem Herzen Jesu erwachse die Kirche, erklärt der Kölner Erzbischof weiter, weil der Strom seines lebendig machenden Geistes alle Menschen erfassen und mit Christus verbinden wolle. "Alles priesterliche Tun der Kirche empfängt so aus der Quelle des durchstoßenden Herzens Jesu seinen Sinn und seine Kraft", stellt er fest. So hätten sich vor 40 Jahren auch er selbst und die mit ihm geweihten Priester vom Kölner Dom aus aufgemacht, "um ungezählten Menschen sein Wort zu verkünden“.
"Tag für Tag haben wir mit den Gläubigen die Heilige Eucharistie gefeiert. Wir haben Kinder getauft, Ehen gesegnet, Kranke getröstet und die Sterbenden getröstet und sind ihnen beigestanden mit den Gnadengaben, die der Herr seiner Kirche anvertraut hat. Wir haben den Gläubigen den Leib des Herrn gereicht, Sünder in seinem Namen von der Last der Sünde befreit, Menschen zu ihm geführt, sie glauben und beten gelehrt und täglich für die uns Anvertrauten gebetet."
Das Leben unter das Geheimnis des Kreuzes stellen
Trotz der Mühsale, Last, Enttäuschung, Müdigkeit, inneren Kämpfe und Versuchungen, die auch mit dem priesterlichen Weg verbunden seien, müsse sich der Neupriester Carlo Cincavalli jedoch nicht fürchten, denn er gehe seinen Weg nicht allein. Neben dem gesamten Presbyterium gehe er ihn vor allem mit Christus, "den allein er den Menschen zu bringen und für den allein er zu gehen hat". Und er als sein Bischof werde von Gott die Stärke für diese Aufgabe erbitten, wenn er ihm bei der Weihe mitgebe: Empfange die Gaben des Volkes für die Feier des Opfers. Bedenke, was du tust. Ahme nach, was Du vollziehst und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.
Ausdrücklich dankt Woelki den Mitbrüdern seines Weihejahrgangs im Namen der Kirche für deren Treue, mit der sie in 40 Jahren immer wieder gerade auch dieses Kreuz, die Mühsal der Seelsorge, auf sich genommen hätten. Denn es gehe darum, sich stets aufs Neue die Erhabenheit dessen, was da unter den eigenen Händen geschehe, bewusst zu machen und sich der Versuchung gedankenloser Routine zu widersetzen, „damit der tägliche Umgang mit der heiligen Eucharistie nicht zu bloßer alltäglicher Gewohnheit wird“.
Grundvoraussetzung dafür sei, ein ganzes Leben lang Empfangende zu sein und zu bleiben. Wörtlich unterstreicht der Kardinal: "Wir sind nichts anderes als Diener Christi, und als solche sind wir nichts anderes als Verwalter von Geheimnissen Gottes – und nicht deren Besitzer."Was bedeute, stets von Christus abhängig zu sein – wie ein Fluss von seiner Quelle. "Er kann das Wasser nur weitergeben, wenn er immer mit der Quelle verbunden bleibt und dadurch von ihr das Wasser empfängt." Christus sei diese Quelle aller Gnaden, er ist die Quelle des Heils", erklärt Woelki. "Darum müssen wir stets mit ihm verbunden bleiben und von ihm empfangen, um weitergeben zu können."
Der Kölner Erzbischof betont, wie "wahrhaft schön und wahrhaft groß" der priesterliche Dienst sei, damit aber eben auch nicht ungefährlich. Deshalb bittet er abschließend die versammelte Gemeinde im Dom für alle Priester des Bistums um ihr Gebet, damit diese ihren Dienst "treu, demütig und kraftvoll" erfüllen könnten.
Am Ende eines fast dreistündigen Gottesdienstes brechen sich dann noch einmal überschwängliche Freude und südländisches Temperament Bahn. Während die lange Prozession erst durch den Mittelgang auszieht, um dann unter dem Westportal in das nördliche Seitenschiff abzubiegen, begleiten aufbrausender Applaus und von den Italienern mitgebrachte Glockenschellen diesen feierlichen Zug. Unüberhörbar feiern sie einen der Ihren. Sogar die italienische Fahne wird übermütig in der Luft geschwenkt. Authentisch gelebter Glaube kann so viel Leichtigkeit haben, begeisternd und ansteckend sein und dabei auch unbändige Euphorie auslösen.