DOMRADIO.DE: Was hat Sie dazu bewogen, sich in dieser Orientierungshilfe deutlich gegen Rechtsextremismus zu positionieren?
Michaela Hofmann (Referentin der Caritas und Mitautorin der Orientierungshilfe Umgang mit (rechts-) extremen Akteuren): Rechtsextremismus grenzt Menschen aus und teilt sie in unterschiedliche Klassen ein. So eine Klassifizierung passt nicht zur Caritas, weil sie unchristlich ist. Wir haben das Wort der Bischöfe gegen völkischen Nationalismus als eine Grundlage gesehen, um selbst eine klare Grenze zu ziehen. Uns haben dazu sehr viele Anfragen erreicht. Die Caritas-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter wollten wissen, wie sie damit umgehen sollen.
"Das sind doch so viele, die sind doch demokratisch gewählt", hieß es da, "und wenn man doch demokratisch gewählt ist, müssen wir uns doch mit denen verständigen". Wir haben das Dilemma der Kolleginnen und Kollegen klar gespürt und gedacht, jetzt erarbeiten wir eine Orientierungshilfe.
DOMRADIO.DE: Sollten sich kirchliche Organisationen nicht aus der Politik heraushalten. Man muss kein Hellseher sein, um zu begreifen, dass sich Ihre Orientierungshilfe in erster Linie gegen AfD-Positionen richtet.
Hofmann: Wir richten uns gegen alles, was populistisch und extrem ist. Es ist unser Auftrag, uns gesellschaftlich zu äußern und für die Demokratie einzutreten. Das hat nichts mit der Verletzung unserer politischen Neutralität gegenüber Parteien zu tun. Gesetzlich sind wir dazu verpflichtet, keiner Partei Vorschub zu leisten, indem wir sie zum Beispiel finanziell unterstützen, aber wir dürfen Stellungnahmen formulieren, die sich aus unserer Satzung ableiten, die wichtige gesellschaftliche Fragen aufgreifen.
DOMRADIO.DE: Warum widersprechen sich denn völkischer Nationalismus und die Werte des Christentums?
Hofmann: Der völkische Nationalismus sagt, dass es ein Volk gibt, das besser ist als andere Völker und das über andere Völker herrschen darf. Das widerspricht allen christlichen Werten, weil der christliche Glaube eindeutig sagt, dass alle Menschen gleich sind. Alle Menschen haben die gleiche Würde.
DOMRADIO.DE: Die Caritas-Orientierungshilfe ist klar strukturiert. Es werden konkrete Fragen beantwortet. Zum Beispiel, wie sollte ich damit umgehen, wenn jemand offen rechtsextreme Positionen an meinem Arbeitsplatz vertritt?
Hofmann: Zunächst sollte man das Gespräch suchen und diese Person fragen, ob sie weiß, was sie da gesagt hat. Ob sie weiß, dass das nicht mit unseren christlichen Werten der Caritas übereinstimmt. Also man geht ins Gespräch, um herauszufinden, wie sich die Person dazu stellt. Dabei bleibt man klar in der eigenen christlichen Positionierung. Dann kommt es auf die Nuancen an. Wenn jemand wirklich sagt, dass er mit dem Kollegen nicht zusammenarbeitet, weil dieser einen Migrationshintergrund hat, oder behauptet wird: "Die können ja nichts", dann muss man direkt Stellung beziehen und sagen, dass das hier nicht hingehört. Dann kann man gegebenenfalls einen Schritt weiter zur Personalabteilung gehen, um das zu besprechen und zu gucken, ob diese Person bei uns richtig ist.
DOMRADIO.DE: Zunächst steht der Dialog, den man suchen sollte, im Mittelpunkt. Sie geben auch konkrete Formulierungshilfen in akuten Situationen. Haben Sie dafür Beispiele?
Hofmann: Mögliche Reaktionen wären: "Das geht mir zu weit. Ich finde deine Aussage verletzend und nicht akzeptabel" oder: "Bitte lassen Sie uns respektvoll bleiben. Diese Form von Sprache gehört hier nicht hin. Bei uns steht die Würde des Menschen im Mittelpunkt". Oder aber nachzufragen: "Was genau meinen Sie?". Gegebenenfalls auch zu sagen: "Das möchte ich jetzt nicht diskutieren" und damit das Gespräch beenden.
DOMRADIO.DE: Die Orientierungshilfe richtet sich unter anderem an Organisatoren von Veranstaltungen. Wie sollte man beispielsweise mit Anfragen von politischen Gruppen aus rechtsextremen Kreisen für die eigene Veranstaltung umgehen?
Hofmann: Es muss sehr genau überlegt werden, was das für eine Anfrage ist. Dann muss gegebenenfalls von der Geschäftsleitung der Organisation, die die Veranstaltung organisiert, gesagt werden, dass so etwas hier keinen Platz hat, weil ihre Aussagen gegen die Menschenwürde verstoßen und wir dafür keine Plattform geben möchten.
Wir wissen nie, welche Leute zu den Veranstaltungen kommen. So ist es wichtig, sich auch darauf vorzubereiten, was man sagt, wenn sich jemand antidemokratisch oder rassistisch äußert. In dem Moment muss ich als Veranstalter klar einen Stopp machen. Das kann unter Umständen soweit gehen, dass ich das Hausrecht nutze und solche Menschen vor die Tür setze, wenn Sie solche Äußerungen nicht unterlassen und nicht aufhören, die Veranstaltung zu stören, dann müssen Sie gehen.
DOMRADIO.DE: Rechtsextreme Aussagen können auch sprachlos machen, wenn man merkt, dass Argumente und Fakten gar nicht zählen und dass man mit vernünftigen Argumenten nicht mehr an die Leute herankommt.
Hofmann: Deshalb ist es wichtig, sich vorzubereiten, damit ich auch mit solchen Situationen umgehen kann. Wir bieten viele Fortbildungen dazu an, um sich damit auseinanderzusetzen, was man dann tun kann. Wir sind eher darauf ausgerichtet zu diskutieren und zu versuchen, mit Argumenten zu überzeugen und mitzunehmen. Wenn die andere Seite das aber nicht möchte und nicht zuhört, muss ich mir überlegen, was ich sonst tun kann. Das ist nicht einfach. Deshalb noch einmal mein Appell: Überlegen Sie sich bitte, ob Sie nicht eine Fortbildung machen, ob Sie sich nicht vertieft damit beschäftigen wollen, weil die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und mit Rechtspopulisten anspruchsvoll ist und nicht einfach aufzulösen ist.
DOMRADIO.DE: Wir erleben gerade, wie die AfD die CDU in den Umfragen an Stimmen überholt. Gewinnt Ihr Leitfaden zurzeit noch an Aktualität?
Hofmann: Ja, das ist ganz akut. Es ist auch wichtig, dass wir uns als Caritas klar und stark positionieren und dass wir auf unser Menschenbild verweisen, das allen Menschen Würde und Freiheit verspricht. Solidarität ist da enorm wichtig. Wir sollten in Gemeinschaft zusammenhalten und uns unsere demokratische Gesellschaft nicht kaputt machen lassen.
DOMRADIO.DE: Was wollen und können Sie mit Ihrem Leitfaden erreichen?
Hofmann: Wir wollen erreichen, dass Menschen nachdenken. Wir wollen, dass den Menschen klar ist, dass sie nicht alleine sind. Wir sind ganz viele in der Caritas. Wir haben so viele Mitarbeitende in der Caritas und so viele, die christlich orientiert auf den Grundlagen der Demokratie stehen. Zusammen sind wir eine große Menge. Gemeinsam können wir uns positionieren, und wir lassen uns nicht auseinanderdividieren.
Das Interview führte Johannes Schröer.