Caritas kritisiert freiwillige Pflegezeitregelung

"Wir brauchen gesetzliche Regeln"

Die großen Sozialverbände haben den Gesetzentwurf der Koalition zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege heftig kritisiert. Die schwarz-gelbe Regierung plant, auf einen Rechtsanspruch für eine Familienpflegezeit zu verzichten und setzt stattdessen auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Arbeitgeber. "Menschen, die sich um einen Angehörigen kümmern, brauchen Rechtssicherheit", mahnte Caritas-Präsident Neher.

 (DR)

Schröder: Die Aussagen sind Quatsch

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) wies die Kritik am Gesetzentwurf zur Einführung einer Familienpflegezeit zurück. "Die Aussagen sind Quatsch", sagte Schröder. Auch wenn es den von ihr verfochtenen Rechtsanspruch nun doch nicht gebe, sei sie "sehr zufrieden, dass eine Lösung gefunden wurde". Die Ministerin sieht durch den Gesetzentwurf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und der Pflege von Angehörigen gewährleistet. Sie zeigte sich überzeugt, dass die Unternehmen für dieses Modell gewonnen werden können. Nach den Worten der Ministerin ist es ein "attraktives Angebot an die Unternehmen", da Fachkräfte gebunden werden könnten. Den Arbeitgebern will Schröder entgegenkommen, indem die staatliche KfW Bankengruppe die Zwischenfinanzierung der Pflegezeit übernehmen soll. Die Unternehmen sollen die Familienpflegezeit freiwillig etwa mit einer Betriebsvereinbarung anbieten können.



Der Entwurf sieht vor, dass pflegende Angehörige zwei Jahre lang die Arbeitszeit auf 50 Prozent reduzieren können, aber dennoch 75 Prozent des Gehalts zu bekommen. Anschließend sollen die Beschäftigten wieder Vollzeit arbeiten, aber wiederum zwei Jahre nur 75 Prozent erhalten, bis die Fehlzeit nachgearbeitet ist. Zudem muss sich jeder während der Pflegezeit gegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit versichern.



Pflegende Angehörige vergleichbar mit Erziehenden in der Elternzeit

Der Deutsche Caritasverband erklärte in Berlin, zur Unterstützung pflegender Angehöriger seien gesetzliche Vorgaben erforderlich; freiwillige Vereinbarungen reichten nicht aus. Pflegende Angehörige dürften dabei nicht schlechter gestellt werden als Erziehende in der Elternzeit. "Menschen, die sich um einen Angehörigen kümmern, brauchen Rechtssicherheit", sagte Caritas-Präsident Peter Neher. Er verwies darauf, dass von 2,25 Millionen Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen, derzeit 1,5 Millionen Personen im häuslichen Umfeld gepflegt werden. Familienangehörige zeigten eine hohe Bereitschaft, sich hier zu engagieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmten.



Neher kritisierte, in vielen deutschen Unternehmen gebe es noch kein ausreichendes Bewusstsein für diese Problematik. Angesichts der demografischen Entwicklung und der Zunahme pflegebedürftiger Menschen gewinne das Thema einer beruflichen Auszeit für die Pflege zunehmend an Bedeutung.



Paritätischer Wohlfahrtsverband: "Luftnummer"

Der Sozialverband VdK warf der Koalition vor, vor Teilen der Arbeitgeberlobby einzuknicken. "Pflege muss den gleichen Stellenwert wie Kindererziehung bekommen", erklärte die Verbandsvorsitzende Ulrike Mascher. Von einem "faulen Kompromiss" und einer "Luftnummer" sprach der Paritätische Wohlfahrtsverband. "Diese Koalitionsentscheidung ist ein pflegepolitischer Offenbarungseid. Der Pflegegipfel und alle Lippenbekenntnisse von Anfang dieser Woche werden ad absurdum führt", erklärte der Verbandsvorsitzende Eberhard Jüttner.



Die Deutsche Hospiz Stiftung sprach mit Blick auf die geplanten freiwilligen Vereinbarungen von einer enttäuschenden Wendung. Pflegende Angehörige nähmen schwere soziale, finanzielle und berufliche Belastungen in Kauf. Eine finanziell geförderte und gesetzlich geregelte Pflegezeit wäre eine tatsächliche Entlastung. Auf freiwillige Regelungen der Wirtschaft sei kein Verlass.



Der Familienbund der Katholiken erklärte, es dürfe nicht vom Wohlwollen der Arbeitgeber abhängen, ob Familien ausreichend Zeit für die Pflege ihrer Angehörigen hätten. Präsidentin Elisabeth Bußmann sagte, es sei unverständlich, dass Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) die Leistungen der Familien in der Pflege als unverzichtbar herausstelle, die Bundesregierung aber den pflegenden Angehörigen die gesetzliche Verlässlichkeit der Familienpflegezeit verweigere.



Bessere Absicherung sonst ist "Altersarmut vorprogrammiert"

Auch die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen bezeichnete die Pläne der Koalition als unzureichend. Bei einer durchschnittlichen Pflegezeit von acht Jahren greife der Entwurf mit zwei Jahren zudem zu kurz. Die Initiative forderte zudem eine bessere finanzielle Altersabsicherung für pflegende Angehörige. Ansonsten sei eine "Altersarmut vorprogrammiert".