Caritas International aber auch gegen zu frühen Abzug aus Afghanistan

Kein gemeinsames Vorgehen mit der Bundeswehr

Caritas International hält nichts von einem zu frühen Abzugstermin der westlichen Staaten aus Afghanistan. Sie sollten vielmehr im Lande bleiben bis stabile Verhältnisse hergestellt seien. Ein gemeinsames Vorgehen mit der Bundeswehr lehne die Caritas aber nach wie vor ab, sagt Caritas-Präsident Prälat Peter Neher im domradio.de-Interview. In Kabul wird ab heute auf der Afganistan-Konferenz über die Zukunft des Landes beraten.

 (DR)

Als Grund gibt Neher an, dass die Hilfsorganisation sonst nicht mehr von allen gesellschaftlichen Gruppen unvoreingenommen wahrgenommen werden würde. Auch die Sicherheit der Caritas-Mitarbeiter wäre extrem gefährdet. Schon jetzt könnten sie jederzeit Ziel von Angriffen werden, sagte Leiter von Caritas International, Oliver Müller der in Würzburg erscheinenden «Tagespost»: «Denn wir errichten keine meterhohen Zäune, wir haben kein bewaffnetes Wachpersonal.»

Die Einheimischen respektierten die Caritas-Helfer aber, weil sie glaubwürdig aufträten, betonte Müller. So werde aus der Tatsache, eine christliche Organisation zu sein, kein Geheimnis gemacht. Das sei in Afghanistan wichtig, weil das Vertrauen der Bevölkerung den wichtigsten Schutz darstelle, betonte der Caritas-Leiter.

In der Frage, wie Taliban-Kämpfer gesellschaftlich wieder eingegliedert werden könnten, sieht Müller die afghanische Seite gefordert. Sie müsse konkrete Konzepte entwickeln. Die Taliban seien jedoch keine homogene Gruppe. Es vermischten sich politische und wirtschaftliche Interessen, auch kriminelle Zielsetzungen kämen dazu. So spielten die Beteiligung am Drogenhandel und Machtfragen eine Rolle. Daher müsse sehr genau hingeschaut werden, um die Motivation verhandlungswilliger Taliban richtig einschätzen zu können, betonte Müller.

Afghanistan-Konferenz setzt Zeitplan für Abzug des Westens
Afghanistans Regierung soll ab 2014 selbst die Verantwortung für die Sicherheit des von Konflikten erschütterten Landes übernehmen. Die internationale Afghanistan-Konferenz in Kabul beschloss am Dienstag einen entsprechenden Zeitplan. US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte, die Konferenz sei der Beginn einer «neuen Phase, nicht das Ende unseres Engagements». NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen betonte: «Wir sind auf dem richtigen Weg.» Die Konferenz sei positiv verlaufen, es sei gut, dass jetzt ein Zeitplan stehe.

Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen waren rund 40 Außenminister und weitere hochrangige Politiker in Kabul zusammengekommen, um über die Zukunft des Landes zu beraten. Für Deutschland nahm Außenminister Guido Westerwelle (FDP) an der Konferenz teil. Es war das erste Mal seit über 30 Jahren, dass Kabul eine so hochkarätig besetzte Versammlung beherbergte. Große Teile der Stadt und der Flughafen waren gesperrt.

«Ich bleibe dabei, dass die afghanischen Sicherheitskräfte ab 2014 für alle militärischen und polizeilichen Operationen im ganzen Land verantwortlich sein sollen», sagte Afghanistans Präsident Hamid Karsai bei der Eröffnung der Konferenz. Derzeit sind rund 130.000 ausländische Soldaten am Hindukusch stationiert.

Kritiker glauben jedoch, dass die Sicherheitskräfte Afghanistans noch lange nicht in der Lage sind, für Frieden und Stabilität zu sorgen. Etwa 70 Prozent des Landes am Hindukusch werden von den aufständischen Taliban kontrolliert. Am Morgen beschossen sie den Flughafen mit Raketen. Einge Flugzeuge von Konferenzteilnehmern mussten umgeleitet werden.

Karsai forderte zudem, dass der afghanischen Regierung die Kontrolle über mehr Hilfsmittel aus dem Westen in Milliardenhöhe zugestanden werde. Bislang werden nur etwa 20 Prozent der Hilfsgelder für den Aufbau des bettelarmen Landes durch den afghanischen Staat selbst verwaltet. Afghanistan gilt als eines der korruptesten Länder der Erde.

Der Westen übt seit längerem Druck auf Präsident Karsai aus, härter gegen Bestechung und Veruntreuung vorzugehen. Um die Regierung in Kabul zu stärken, soll der Anteil der selbstverwalteten Hilfsmittel in den kommenden zwei Jahren auf 50 Prozent steigen. Karsai appellierte an die internationale Gemeinschaft, an diesem Ziel festzuhalten. Er gestand jedoch ein, dass die Regierungsfähigkeit des Landes verbessert werden müsse.

Es sei richtig, der afghanischen Regierung die Verantwortung für die Sicherheit zu übergeben, sagte Monika Hauser, Gründerin des Hilfswerks Medica Mondiale. «Allerdings kommt dieser Schritt zu früh und ist derzeit nicht zu verantworten», betonte sie in der «Frankfurter Rundschau» (Dienstagsausgabe). Noch gebe es keine tragfähigen staatlichen Strukturen, sagte Hauser, deren Organisation in Afghanistan traumatisierten Mädchen und Frauen hilft.

Um eine größere Stabilität zu erreichen forderten Politiker wie Tom Koenigs (Grüne) und Elke Hoff (FDP), die Nachbarländer wie Pakistan und den Iran in den Prozess einzubinden. Die Bedeutung der anderen Länder für die Entwicklung der Region sei falsch eingeschätzt worden, erläuterte Hoff im Südwestrundfunk.