DOMRADIO.DE: Erzbischof Burger, Sie sind als Caritas-Bischof der Deutschen Bischofskonferenz in der Ukraine unterwegs. Kriegen Sie dort etwas von der Diskussion um Friedensverhandlungen im Vatikan mit? Was sagen die Ukrainer dazu?

Erzbischof Stephan Burger (Diözese Freiburg und Vorsitzender der Kommission für caritative Fragen der Deutschen Bischofskonferenz): Wir kriegen hier in der Ukraine von diesen direkten Gesprächen nichts mit. Wir wissen nicht, wie die Ukrainer sich selbst dazu verhalten und wie weit der Vatikan einbezogen ist oder nicht. Ich denke, dass die Ukrainer momentan andere Sorgen und Probleme haben. Zum Beispiel wie sie ihren Alltag in dieser Kriegssituation gestalten, sodass diese großen politischen Fragen für die normale Bürgerin und für den normalen Bürger keine direkte Rolle spielen.
DOMRADIO.DE: Sie sind von vergangenen Sonntag an in der Ukraine unterwegs. Dort haben Sie viele Gespräche geführt und sicher waren auch berührende Begegnungen darunter. Was nehmen Sie persönlich aus diesen Gesprächen mit?
Burger: Ich hatte zum einen die Gelegenheit, mit Veteranen zu sprechen, mit Personen, die an der Front gekämpft haben und die davon versehrt sind. Sei es körperlich, wie auch psychisch. Diese Menschen leiden unter dieser Situation. Der Staat hat momentan keine Möglichkeiten mehr auf diesen Personenkreis einzugehen, weil er sich auf die aktive Kriegssituation konzentriert.
Ich hatte auch Gespräche mit Personen, die vom Sozialgefüge abgeschnitten sind, weil sie teilweise innerhalb des Landes geflüchtet sind. Sie haben Probleme ihr alltägliches Leben zu organisieren. Diese Menschen haben kaum Sozialkontakte und sind auf karitative Zuwendung und Hilfe angewiesen sind.
DOMRADIO.DE: Sie treffen auch Vertreter aus Politik und Kirche. Was sagen die?
Burger: Bei diesen Treffen wird deutlich, dass das gesamte Kriegsgeschehen an dieser Nation zehrt. Klar steht die Sehnsucht nach Frieden im Raum, aber es zeigt sich immer mehr, dass es nicht darum geht, irgendwo einen Frieden zu erreichen, der ungerecht wäre, sondern es kann nur einen Frieden geben, der auf der Grundlage des Völkerrechts realisiert wird.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle kann Kirche dabei spielen? Wie kann Kirche zeigen, dass sie nahe bei den Menschen und den Kriegsopfern ist?
Burger: Das zeigt sich hier vor Ort gerade in der Arbeit der Caritas. Die Caritas kümmert sich um die Menschen, die hier verschiedene Projekte starten. Sie ist für die Menschen in ihrer psychischen Not oder in ihrer körperlichen Versehrtheit da. Sie kümmert sich darum, den Leuten eine Perspektive anzubieten.
Die Caritas versucht, den Familien den Rücken zu stärken, die zum Beispiel wegen Verlusten unter dieser schweren Kriegssituation leiden. Wenn die Männer, die Väter, Brüder und Onkel an der Front sterben, dann steht Kirche den Betroffenen zur Seite. Kirche hofft, ihnen eine Zukunft eröffnen zu können, ihnen einen Weg zu bieten, wie sie trotz dieser schweren Belastung ihr Leben meistern können.
DOMRADIO.DE: Kann Kirche eine Rolle bei den Friedensverhandlungen spielen?
Burger: Kirche kann eine Rolle spielen. Das wurde bei der Beerdigungsfeierlichkeit von Papst Franziskus in Rom deutlich. Dort konnte Kirche auf einmal ein Forum bieten, wo sich Präsident Trump und Präsident Selenskyj unterhalten konnten. Inwieweit Kirche sich direkt in die Verhandlung mit einbeziehen lassen kann und sollte, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.

DOMRADIO.DE: Welche Hoffnung gibt es auf Frieden? Im Augenblick scheint sich Russlands Präsident Putin gar nicht zu bewegen.
Burger: Die Menschen in der Ukraine haben eine Sehnsucht nach Frieden. Aber es kann nicht darum gehen, einen billigen Frieden zu erreichen, sondern es muss ein Frieden sein, der auf die Zukunft hin ausgerichtet ist. All das, was an Not, Versehrtheit, und Verletzungen geschehen ist, muss aufgearbeitet werden. Das wird Aufgabe einer künftigen Friedensordnung sein.
Das Interview führte Johannes Schröer.