Caritas-Berlin sieht Gefahr für Arme durch Inflation

Geringverdiener "in großer Sorge"

Die Inflationsrate in Deutschland liegt bei über sieben Prozent. Vor allem für einkommensschwache Haushalte muss viel mehr getan werden, fordert die Berliner Caritas-Direktorin Ulrike Kostka. Und sie hat ein paar Vorschläge.

Zerbrochenes Sparschwein / © Brian A Jackson (shutterstock)
Zerbrochenes Sparschwein / © Brian A Jackson ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Insbesondere bei Geringverdienern herrscht momentan eine große Unsicherheit. Sie stehen mit den Hilfsbedürftigen in Kontakt. Was bekommen Sie mit?

Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin / © Gordon Welters (KNA)
Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin / © Gordon Welters ( KNA )

Prof. Dr. Ulrike Kostka (Direktorin des Caritasberbandes für das Erzbistum Berlin): Viele haben bereits jetzt Sorge, dass sie ihre Rechnungen für die Energiekosten nicht mehr zahlen können. Sie merken es jeden Tag im Geldbeutel, wenn sie einkaufen gehen, dass die Preise schon jetzt stark gestiegen sind. Deswegen sind viele wirklich in Sorge und machen sich natürlich vor Gedanken über die kommenden Monate und die Nebenkostenabrechnung im nächsten Jahr.

DOMRADIO.DE: Die Regierung hat das 9-Euro-Ticket eingeführt, den Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfängerinnen und -empfänger oder den Tankrabatt. Kommt das bei diesen Menschen an?

Kostka: Teilweise. Das sind sicherlich sinnvolle Schritte - wobei wir den Tankrabatt kritisch sehen - aber das Problem ist, dass bestimmte Gruppen gar nichts erhalten oder viel zu wenig. Zum Beispiel sind das Rentner und Rentnerinnen mit geringen Renten und auch Menschen, die knapp über der Grundsicherung oder dem Wohngeld liegen. Für sie wird es jetzt besonders schwer und deswegen braucht es noch weitere Entlastungspakete.

DOMRADIO.DE: Die Caritas bietet auch Schuldnerberatung an. Der Bedarf im ersten Halbjahr 2022 ist deutlich gestiegen. Wie kann man Menschen helfen, die jetzt Angst vor großen Schulden haben?

Kostka: Ich denke, es ist zunächst wirklich wichtig, dass sich alle mit ihren Finanzen auch auseinandersetzen. Das ist ganz, ganz wichtig. Dann geht es auch darum zu schauen, wo etwa Energie eingespart werden kann. Häufig gibt es da noch Sparpotenziale. Wir haben eine ganz einfache Lösung: den Stromsparcheck. Dieses Angebot ist für Menschen, die Grundsicherung oder Arbeitslosengeld ll bekommen. Es kommen dann ausgebildete Langzeitarbeitslose in den Haushalt und geben Energie-Spartipps und konkrete Hilfen. Wir haben auf unserer Webseite www.caritas-berlin.de außerdem auch Videos zu diesen Themen. Darüber hinaus ist es natürlich wichtig, vorausschauend und möglichst regional einzukaufen. Aber auf Gaspreise hat man keinen Einfluss und deswegen kann der Einzelne zwar was tun, aber es muss natürlich auch politisch etwas getan werden.

DOMRADIO.DE: Was muss seitens der Politik konkret passieren?

Kostka: Ein möglicher Schritt wäre neben noch weiteren Entlastungspaketen, dass zum Beispiel wieder ein Moratorium für Wohnungsräumungen eintritt. So etwas gab es bereits in der Coronazeit, dass Menschen ihre Wohnungen nicht verlieren, nur weil sie ihre Nebenkosten nicht zahlen konnten. Das wäre sehr hilfreich. Ein weiterer Vorschlag wäre die Entlastungspakete zielgenauer anzupassen oder zu versuchen, die Gaspreise zu deckeln - inwieweit das möglich ist, muss man gucken. Aber bitte alle Bevölkerungsgruppen im Blick haben und keine pauschalen Gießkannenprinzip-Maßnahmen - das hilft wenig.

DOMRADIO.DE: Die Caritas in Münster hat eine drastische Erhöhung der Hartz lV-Sätze gefordert. Wäre das auch eine Lösung?

Kostka: Ja, das wäre eine gute Lösung, vor allem natürlich für sehr viele Menschen. Das wäre ein wichtiger Schritt, aber das ist nicht ausreichend. Wir brauchen mehr. Wir fordern als Caritas zudem ein sozial gerechtes Klimageld, in verschiedenen Einkommensstufen, also bei kleineren und mittleren Einkommen. Das müsste man entwickeln. Darüber hinaus muss so schnell wie möglich in die Reduzierung von Energie-Ausstoß investiert werden, also klimafreundlicher Umbau etc. Das ist entscheidend, aber man man muss hier natürlich an vielen Schrauben drehen.

Das Interview führte Julia Reck.

Sorge wegen steigender Preise wächst

Immer mehr Menschen in Deutschland bekommen die anhaltend hohen Preise im Alltag zu spüren. Im am Freitag veröffentlichten ZDF-"Politbarometer" gaben 40 Prozent der Befragten an, dass ihnen die Inflation persönlich große Probleme bereitet, Anfang April war das erst bei 34 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fall gewesen.

Steigende Lebensmittelpreise / © Denys Kurbatov (shutterstock)
Steigende Lebensmittelpreise / © Denys Kurbatov ( shutterstock )
Quelle:
DR