Bundesregierung kritisiert Chinas Verletzung der Religionsfreiheit

"Keine gute Entwicklung"

In China wurden etwa 30 Pastoren und Mitglieder der "Kirche von Zion" verhaftet. Thomas Rachel, der Religionsfreiheitsbeauftragte der Bundesregierung, verurteilt die Verletzung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit.

Autor/in:
Johannes Schröer
Zwei junge Männer, ein Seminarist und ein Sängerknabe, sitzen auf Stühlen während einer Messe am 13. Januar 2019 in der Kirche Xishiku in Peking. / © Gilles Sabrie (KNA)
Zwei junge Männer, ein Seminarist und ein Sängerknabe, sitzen auf Stühlen während einer Messe am 13. Januar 2019 in der Kirche Xishiku in Peking. / © Gilles Sabrie ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es ist gar nicht so einfach, im Internet Informationen über die Glaubensgemeinschaft "Kirche von Zion" zu finden. Was wissen Sie über diese Kirche? 

Thomas Rachel (Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit): Es ist eine Kirche von Christen, die 2007 gegründet wurde und sich trotz staatlicher Repressionen zu einer der größten unabhängigen Gemeinden in China entwickelt hat. 

Thomas Rachel, Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit / © Tobias Koch (Auswärtiges Amt)
Thomas Rachel, Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit / © Tobias Koch ( Auswärtiges Amt )

DOMRADIO.DE: Eine der größten unabhängigen Gemeinden – wie groß kann man sich das ausmalen? Wie groß ist diese Glaubensgemeinschaft? 

Rachel: Es sind wohl mehrere Tausend Mitglieder und es sind Menschen, die im Glauben zueinander gefunden haben. Der Skandal ist, dass die chinesischen Behörden rund 30 Pastoren und weitere Angehörige der Zionkirche landesweit verhaftet haben. Das hat in sechs Provinzen in China stattgefunden. Es ist also kein Einzelereignis, sondern offensichtlich eine systematische Aktion. 

Ich verurteile als Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit diese Verletzung der Religionsfreiheit und fordere die sofortige Freilassung der Kirchenmitglieder. 

DOMRADIO.DE: Sie sprachen von 30 Verhaftungen, andere Quellen gehen von weitaus mehr Verhaftungen aus. Wie schwierig ist es, an genaue Zahlen überhaupt zu kommen und was bedeutet das auch für Ihre Arbeit? 

Rachel: Es sind rund 30 Pastoren und weitere Angehörige der Zionkirche landesweit verhaftet worden. Das bereitet große Sorge und ist auf keinen Fall akzeptabel. 

Als Beauftragter der Bundesregierung für die weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit schaue ich natürlich sehr intensiv auch nach China. Und die Menschenrechtslage ist dort besorgniserregend. Dies gilt ganz besonders für die religiösen Minderheiten, wozu natürlich gerade auch die Christinnen und Christen gehören. 

Thomas Rachel

"Die Menschen, die unter Druck kommen, die eingesperrt werden, die quasi aus der Öffentlichkeit verschwinden, brauchen unbedingt die öffentliche Aufmerksamkeit und Menschen, die sich um ihr Schicksal kümmern."

DOMRADIO.DE: Kann der Bund auf die Lage in China einwirken? Welchen Einfluss haben Sie? Nehmen die das überhaupt wahr in China? 

Rachel: Generell gilt, dass das Erste und Wichtigste, wenn Verstöße gegen die Religionsfreiheit stattfinden, ist, dass sie wahrgenommen werden, dass sie beobachtet werden, dass sie artikuliert werden und wir sie zu einem öffentlichen Thema machen. 

Die Menschen, die unter Druck kommen, die eingesperrt werden, die quasi aus der Öffentlichkeit verschwinden, brauchen unbedingt die öffentliche Aufmerksamkeit und Menschen, die sich um ihr Schicksal kümmern. Und das ist natürlich auch mein Auftrag als Beauftragter der Bundesregierung für Religionsfreiheit. 

DOMRADIO.DE: Mit welchen Konsequenzen haben denn die Verhafteten und Angehörigen der Kirche von Zion zu rechnen? Kann man das überhaupt sagen? 

Rachel: Das kann man im Moment im Einzelfall so natürlich noch nicht sagen, aber ich glaube, das gemeinsame Bestreben muss sein, dass Menschen ihre Religion frei leben können. Wenn Religionsfreiheit verletzt wird, ist der Weg im Übrigen nicht weit zu Unterdrückung, Verfolgung und Gewalt in einem umfassenderen Sinne. 

Wir sehen den großen Widerspruch zwischen der chinesischen Verfassung auf der einen Seite, die den Bürgern der Volksrepublik China die Freiheit des Glaubens und der Religion zuspricht, aber die Politik der chinesischen Zentralregierung ist eine andere. Sie zielt auf die sogenannte "Sinisierung" der religiösen und kulturellen Minderheiten ab und versucht so, der Religionsausübung entgegenzuwirken. 

Thomas Rachel

"China hat rechtlich durchschlagende Steuerungs- und Kontrollmechanismen geschaffen, mit denen die Religionsfreiheit immer mehr eingeschränkt wird."

DOMRADIO.DE: Sehen Sie da auch Entwicklungen? Ist das schärfer geworden, oder gibt es da auch Entspannungen? Kann man das überhaupt sagen? 

Rachel: Wir haben den Eindruck, dass die Entwicklung besorgniserregend ist. Das betrifft eine ganze Zahl von religiösen Minderheiten, beispielsweise die muslimischen Uiguren im Gebiet Xinjiang, die autonome Region Tibet und natürlich auch Christinnen und Christen. 

China hat rechtlich durchschlagende Steuerungs- und Kontrollmechanismen geschaffen, mit denen die Religionsfreiheit immer mehr eingeschränkt wird. 

DOMRADIO.DE: Das sind beispielsweise Überwachungskameras in Kirchen und ähnliche Dinge. Wie erklären Sie sich das? Warum hat die Regierung, warum haben die Machthaber die Glaubensgemeinschaften so im Visier? 

Rachel: Wir können jedenfalls beobachten, dass von Seiten der chinesischen Regierung unter dem Stichwort "Sinisierung" der Religionen quasi eine Assimilationspolitik betrieben wird. Religion, Sprache und Geschichte werden zu Werkzeugen einer staatlich orchestrierten kulturellen Homogenisierung. Wenn Sie so wollen, wird Integration zur Pflicht und Differenz wird zum Verdachtsfall. Das ist keine gute Entwicklung. 

Um es auch nochmal praktisch zu machen: Religion darf in China zum Beispiel nur im Rahmen staatlich anerkannter Verbände praktiziert werden. Es gibt auch ein Verbot, dass Minderjährige mit Religionen in Kontakt gebracht werden, also weder Gottesdienstbesuch noch soziale Aktivitäten. Das widerspricht natürlich dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit fundamental. 

Das Interview führte Johannes Schröer.

Christen in China

Zahl der Christen: Das Christentum findet in China starken Zulauf. Manchmal ist schon von 80 Millionen Christen die Rede, aber die Schätzungen gehen weit auseinander. Zur amtlichen katholischen Kirche gehören fünf Millionen Gläubige. Doppelt so viele Katholiken sollen im Untergrund leben. Zudem gehen die Behörden von 23 und 40 Millionen Protestanten aus. Kontrolle: Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt. Die kommunistische Führung will die Religion unter Kontrolle halten und ausländischen Einfluss sowie "Infiltration" verhindern.

Christen in China (KNA)
Christen in China / ( KNA )
Quelle:
DR

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