Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) warb in der Länderkammer für verbindliche Lohnuntergrenzen. «Ein demokratischer Staat muss seine Bürger vor dem freien Fall nach unten schützen», mahnte er. Arbeit vermittele in der deutschen Gesellschaft Stolz und Würde. Daher sei es von großer Bedeutung, dass Arbeit auch anständig bewertet werde. Scholz zeigte sich zugleich zuversichtlich, dass die Bundesregierung auch für die Zeitarbeit Regelungen zustande bringen werde. In der Branche gebe es Missstände, «die man nicht akzeptieren kann».
Der baden-württembergische Bundesratsminister Wolfgang Reinhart (CDU) sprach angesichts der Wirtschaftskrise von einem geradezu fatalen Irrweg. Gerade im Niedriglohnbereich führten solche Gesetze zum Verlust von Arbeitsplätzen. Die neuen Regelungen seien daher «kontraproduktiv» und sorgten für eine Beschleunigung des Abschwungs. Reinhart verwies zugleich darauf, dass der Staat bereits für ein Mindesteinkommen sorge, da er geringe Löhne aufstocke.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) kritisierte, mit den Mindestlohn-Regelungen werde der Freiraum insbesondere kleinerer Tarifparteien deutlich reduziert. Ferner werde dies zur Ausweitung von Schwarzarbeit führen. Opfer seien die Geringqualifizierten. Er kündigte an, dass das letzte verfassungsrechtliche Wort noch nicht gesprochen sei.
Berlins Arbeitssenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) bezeichnete die Gesetze als «wichtigen Schritt in die richtige Richtung». Die beste Lösung wäre aber ein bundesweit gesetzlicher Mindestlohn für alle Branchen.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hob hervor, wenn erneut etwa eine Million Arbeitnehmer von den Lohnuntergrenzen profitierten, sei das ein «großer Fortschritt». Allerdings könnten dies sind nur erste Schritte sein. Denn Mini-Löhne führten in Zukunft auch zu Mini-Renten.
Gesetzliche Mindestlöhne sollen für die Pflegedienste, die industriellen Großwäschereien, das Wach- und Sicherheitsgewerbe, die Abfallwirtschaft, die Bergbauspezialdienste sowie für den Bereich Aus- und Weiterbildung eingeführt werden. Dafür wird das neue Arbeitnehmer-Entsendegesetz umgesetzt. Derzeit gelten Lohnuntergrenzen für rund 1,8 Millionen Beschäftigte in der Baubranche, bei den Gebäudereinigern und den Briefdiensten.
Außerdem wird das bereits 1952 geschaffene und nun geänderte Mindestarbeitsbedingungengesetz eingeführt. Danach sind Mindestlöhne unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Tarifregelungen möglich. In das Arbeitnehmerentsendegesetz werden hingegen nur Branchen aufgenommen, in denen die Tarifbindung bei über 50 Prozent liegt und Arbeitgeber sowie Gewerkschaften gesetzliche Lohnuntergrenzen beantragen.
Nach Ankündigung der großen Koalition sollen ferner noch in dieser Legislaturperiode Mindestlöhne für Zeitarbeiter über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eingeführt werden. Allerdings mehren sich in der Union die ablehnenden Stimmen.
Bundesrat stimmt Mindestlohn-Regelungen für weitere Branchen zu
Lohnuntergrenzen für drei Millionen Arbeitnehmer
In Deutschland werden bald für mehr als drei Millionen Arbeitnehmer gesetzliche Mindestlohnregelungen gelten. Der Bundesrat stimmte am Freitag den Gesetzen zu, wonach in sechs weiteren Branchen mit bis zu 1,2 Millionen Menschen Lohnuntergrenzen eingezogen werden sollen. Die große Koalition hatte jahrelang um Mindestlohnregelungen gerungen.
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