Bundestag beschließt Ausweitung von Mindestlöhnen - Auch Altenpflege betroffen

Konsequenzen für die Kirchen?

Für knapp die Hälfte der rund 6,6 Millionen Beschäftigen im Niedriglohnsektor sollen künftig Mindestlöhne gelten. Der Bundestag machte den Weg dafür in sechs weiteren Branchen frei. Der Beschluss schafft die Voraussetzungen dafür, auch die Wach- und Sicherheitsdienste, die Großwäschereien, die Abfallwirtschaft, Bergbau-Spezialarbeiten sowie die Aus- und Weiterbildungsbranche in das Entsendegesetz aufzunehmen. Betroffen ist auch der Bereich der Altenpflege, in dem die Kirchen die größten Arbeitgeber sind.

 (DR)

Die Parlamentarier votierten in namentlicher Abstimmung neben dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz auch für das Mindestarbeitsbedingungen-Gesetz. Damit soll auch in Branchen, in denen weniger als 50 Prozent der Beschäftigten einem Tarifvertrag unterliegen, ein Mindestarbeitslohn eingeführt werden können. Die Leiharbeiter wurden entgegen dem Willen der SPD nicht in das Entsendegesetz aufgenommen. Ein Mindestlohn für diese Branche soll über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt werden.

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) sagte, Mindestlöhne seien für die soziale Marktwirtschaft unverzichtbar: «Anstrengung muss sich lohnen und auszahlen.» Er würdigte besonders die Einigung in der Pflegebranche. Die qualifizierte, schwere Arbeit, die hier geleistet werde, müsse auch anständig bezahlt werden.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nannte die Aufnahme der Pflegebranche einen großen sozialpolitischen Fortschritt. Lohnuntergrenzen gäben den Beschäftigten ein Stück mehr Sicherheit.

Kirchen in Beraterkommission
Zur Findung der Lohnuntergrenze für die rund 565.000 Pflegekräfte wurde ein Verfahren vereinbart, das sich von den tariflichen Verfahren anderer Branchen unterscheidet. So soll die Eigenständigkeit der kirchlichen Anbieter gewahrt werden, die in der Altenpflege die größten Arbeitgeber sind. Die Koalition will eine achtköpfige Kommission einsetzen, die über die Lohnuntergrenze in der Pflege verhandelt. Darin sind Arbeitgeber, Gewerkschaften sowie Arbeitnehmer- und Arbeitsgebervertreter der Kirchen vertreten.

Der CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe unterstrich, zur sozialen Gerechtigkeit gehörten auch faire Löhne. Die Tarifautonomie sei nicht gefährdet, sondern es bestehe ein ausdrücklicher Bestandsschutz für bestehende Tarifverträge: «Aber wo es die nicht gibt, kann die Tarifautonomie auch nicht geschützt werden.» Brauksiepe lobte, dass der «dritte Weg» der Kirchen in der Pflegebranche unangetastet bleibe.

«Nie waren Mindestlöhne so falsch wie heute», kritisierte hingegen Heinrich Kolb (FDP). In Zeiten schwerer Rezession wirkten sich Mindestlöhne negativ aus, warnte er. Linksfraktionschef Gregor Gysi bezeichnete die Gesetze der Koalition als «Flickschusterei». Besonders ärgerlich sei, dass immer noch unterschiedliche Löhne in Ost und West festgelegt werden dürften. Brigitte Pothmer (Grüne) sagte, in den Gesetzesentwürfen gehe es nicht um wirkliche Hilfe für Niedrigverdiener, sondern «so wenig Mindestlohn in so wenigen Branchen wie möglich». Beide Fraktionen plädierten für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.

Das Diakonische Werk reagierte skeptisch auf den vom Bundestag beschlossenen Mindestlohn für die Pflegebranche. Der Präsident des evangelischen Wohlfahrtsverbandes, Klaus-Dieter Kottnik, sagte dem epd, beim Pflege-Mindestlohn müsse sichergestellt werden, dass die Pflegekassen den Heimen und sozialen Diensten die erhöhten Personalkosten erstatten. Der Diakoniechef hat daher in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Gesetzesänderung gefordert. Die bisherige Praxis, wonach die Pflegekassen den Einrichtungen nur einen Teil der gezahlten Löhne vergüten, müsse gesetzlich untersagt werden, erläuterte Kottnik.