Braucht es noch Gottesdiensthinweise am Ortseingang?

"Das ist sehr liturgisch verengt"

Mit den Schildern am Ortseingang wird nur ein Teil von Kirche kommuniziert, meint Religionssoziologe Michael Ebertz, denn nicht nur Gottesdienste spiegeln das Angebot wider. Braucht es ein neues Kommunikationskonzept der Kirchen?

Hinweisschilder auf Gottesdienste in Weingarten / © Gustavo Alabiso (epd)
Hinweisschilder auf Gottesdienste in Weingarten / © Gustavo Alabiso ( epd )

DOMRADIO.DE: Sind sie noch zeitgemäß, die Schilder am Ortseingang, die auf Gottesdienste hinweisen?

Prof. Dr. Michael Ebertz: Zeitgemäß würde ich zunächst einmal im doppelten Sinn verstehen. Zeitgemäß einmal würde bedeuten: Geben sie eigentlich noch die Gottesdienstzeiten an, die tatsächlich stattfinden? Ich denke jetzt nicht nur an die Coronazeit, wo sich sowieso die Zeiten verschoben haben. Ich habe den Eindruck – aber es gibt leider keine empirische Untersuchung, – dass die Zeiten, die dort angegeben sind, gar nicht mehr die Zeiten sind, an denen tatsächlich Gottesdienst gefeiert wird.

Und der andere Punkt: Passen sie noch in unsere Zeit? So würde ich das übersetzen. Denn an vielen Orten gibt es ja nicht nur Gottesdienstsangebote der beiden großen christlichen Kirchen, sondern unsere religiöse Landschaft ist ja vielfältiger geworden. Wieso gibt es da nicht auch Schilder, die darauf hinweisen, wann man die Moschee geöffnet ist oder wann Gottesdienste in der Moschee stattfinden?

DOMRADIO.DE: Und was würden Sie dazu denken?

Ebertz: Warum sollte das nicht der Fall sein? Unsere religiöse Landschaft ist pluraler geworden. Es gibt nicht nur ARD und ZDF in der Medienlandschaft, sondern auch andere Sender. So ähnlich ist das auch in der religiösen Landschaft. Es gibt nicht nur die beiden Kirchen, sondern inzwischen zeigen sich auch andere religiöse Angebote, auch freikirchliche Angebote. Manchmal stehen die auf solchen Schildern, manchmal eben auch nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass die Informationstafeln sich vergrößern und bunter werden. Aber ich frage mich auch, ob das überhaupt die angemessene Form der Kommunikation ist? So im Vorbeifahren nimmt man das ja doch auch nur flüchtig wahr. Ob wir nicht da andere Möglichkeiten bräuchten, um auf religiöse Angebote hinzuweisen?

Prof. Dr. Michael Ebertz, Religionssoziologe und Theologe / © Katholische Hochschule Freiburg (epd)
Prof. Dr. Michael Ebertz, Religionssoziologe und Theologe / © Katholische Hochschule Freiburg ( epd )

DOMRADIO.DE: Haben Sie da eine konkrete Idee?

Ebertz: Naja, es ist ja auch sehr eng geführt auf Gottesdienste. Die Kirchen bieten ja auch noch was anderes an, außer Gottesdienste. Das ist sehr liturgisch verengt. Es wird dabei ja auch kommuniziert, Religion sei vor allem Gottesdienst. Religion ist ja weitaus mehr. Aus dem Christentum heraus ist Gott und ist Religion ja auch Nächstenliebe. Also es müsste dann ja auch kommuniziert werden, wo gibt es denn Möglichkeiten, sich etwa zu engagieren für den Nächsten? Ich finde, es ist eine sehr starke Engführung auf die liturgische oder auf die rituelle Dimension des Religiösen.

DOMRADIO.DE: Blicken wir mal auf die Seite der Kirche. Wie gibt sich Kirche damit nach außen?

Ebertz: Wenn diese Schilder am Ortseingang gar nicht mehr die realen Gottesdienstzeiten abbilden, wird ja eher kommuniziert, dass Kirche etwas ranzig geworden ist. Wenn ich mir die vielen Schaukästen anschaue, die an Kirchengebäuden hängen, da habe ich auch den Eindruck, dass es eher so ein vereinsmäßiges "In-Group-Denken" ist. Da versammeln sich ganz bestimmte Leute – zumal wenn dann noch Fotos abgebildet werden – mit denen ich eigentlich nicht viel zu tun habe. Also im Grunde wird eher kommuniziert: Bleibt draußen.

Prof. Dr. Michael Ebertz

"Religion ist ja weitaus mehr. Aus dem Christentum heraus ist Religion ja auch Nächstenliebe. Es müsste dann ja auch kommuniziert werden: Wo gibt es Möglichkeiten sich etwa für den Nächsten zu engagieren?"

DOMRADIO.DE: Sagen die Schilder vielleicht doch etwas über den Ort und das Gemeindeleben aus?

Ebertz: Es sagt ja nur aus: Hier gibt es eine evangelische und eine katholische Kirche. Das sehe ich aber auch schon am Kirchturm, da brauche ich eigentlich diese Schilder nicht. Wie gesagt, wenn ich diese Schilder oder so etwas Ähnliches haben möchte – ich bin ja da im Prinzip gar nicht dagegen – dann müsste man aber die religiöse Vielfalt abbilden und auch die Vielfalt des Christlichen. Denn Christliches heißt ja nicht nur Gottesdienst. Christliches ist weitaus mehr.

Wo wird es denn angekündigt, wenn irgendwelche Veranstaltungen der katholischen Erwachsenenbildung stattfinden? Das müsste dann ja auch kommuniziert werden. Das kann man aber auf den Schildern nicht kommentieren, das ist mir auch klar. Also von daher stellt sich die Frage: Braucht es nicht ein grundlegend neues Kommunikationskonzept der Kirchen und der Religionsgemeinschaften in der Öffentlichkeit? Da ist natürlich heute das Internet erstmal das allererste Stichwort.

Das Interview führte Michelle Olion.

Quelle:
DR