Landwirte durch Corona- und Klimakrise unter Druck

Brauchen wir eine andere Landwirtschaft?

Im dritten Jahr in Folge wird die Ernte in Deutschland wegen Dürre und Hitze geringer ausfallen, zusätzlich geraten die Landwirte durch die Corona-Krise unter Druck. Zeit für einen Systemwechsel?

Eine Kuh versucht, auf einer vertrockneten Weide noch etwas Futter zu finden / © Jan Woitas (dpa)
Eine Kuh versucht, auf einer vertrockneten Weide noch etwas Futter zu finden / © Jan Woitas ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Deutsche Bauernverband schätzt, dass die Getreideernte erneut unter dem Durchschnitt liegen wird. Jetzt spricht der Bauernverband von einer leicht unterdurchschnittlichen Ernte. Aber wie drastisch ist diese Entwicklung denn tatsächlich für die landwirtschaftlichen Betriebe?

Ulrich Oskamp (Landwirt und Diözesanreferent der Katholischen Landvolkbewegung in Münster): Sie sprechen von einer leicht unterdurchschnittlichen Ernte. Bezogen auf die Jahre 2015 bis 2019. Wenn man das auf die gesamte Landwirtschaft betrachtet, ist das ganz schwer zu beurteilen. Für viele Regionen, insbesondere  im Nordwesten und auch im Osten Deutschlands, haben wir die Situation, dass es zum dritten Mal in Folge zu deutlich geringeren Erträgen bei weiterhin sehr niedrigen Erzeugerpreisen kommt. Und das trifft die Ackerbaugebiete sehr stark.

Es gibt ja nicht nur die Ackerbaubetriebe, sondern auch eine ganze Menge Futterbaubetriebe, so wie mein Betrieb, der für die Kühe und Rinder Futter anbaut. Ich muss sagen, dass wir in den letzten drei Jahren mit unseren Futtervorräten sehr knapp waren. Wenn in diesem Jahr für die nächsten Schnitte der Regen auch ausbleibt, dann wird es sehr teuer.

DOMRADIO.DE: Sie sind selbst Landwirt, haben einen Milchviehbetrieb, bauen selbst Futter an und sorgen für die Reserven. Wie schlägt sich das in den Preisen nieder, wenn das Futter knapp wird?

Oskamp: Futterbaubetriebe heißt ja, dass man das Futter für die Tiere nicht irgendwo herholen kann, sondern irgendwo in der Region dann zukaufen muss. Und das schlägt eindeutig auf die Preise. Wir selbst haben einen reinen Grünlandbetrieb. Wir kaufen Silage dazu. Wenn uns das nicht gelingt, müssen wir uns an die Ackerbauern wenden, ob sie uns Mais verkaufen, der ist im Preis in den letzten Jahren sehr deutlich gestiegen.

DOMRADIO.DE:  Sprechen wir über den Klimawandel. Heiße und trockene Sommer und milde Winter machen es den Landwirten immer schwerer. Jetzt sagt der Bauernverband, wie der einzelne Landwirt mit dem Klimawandel umgeht, das sei wichtig. Sind denn die Landwirte den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen?

Oskamp: Was den Ackerbau angeht, beobachte ich eine deutliche Verhaltensänderung. Wenn man mal auf die Fruchtfolgen schaut, so ist die Sortenwahl bei den klassischen Getreidesorten erweitert, beispielsweise wird mehr Roggen gesät, es werden aber auch mehr Leguminosen in der Fruchtfolge eingesetzt. Insgesamt ist die Bodenbearbeitung wasserschonender geworden. Daran sieht man, dass sich das Verhalten deutlich verändert hat. Die Landwirte wählen zum Beispiel flache Bodenbearbeitungsmethoden, die möglichst wenig Verdunstung verursachen, um das Wasser im Boden für die Pflanzen zu erhalten.

DOMRADIO.DE: Zusätzlich zu der Dürre und der Hitze, die die Landwirte seit drei Jahren beschäftigen, kommt jetzt die Coronavirus-Pandemie? Wie sind die Landwirte davon betroffen?

Oskamp: Da fange ich mal mit dem Positiven an. In der Corona-Krise hat sich gezeigt, wie wichtig eine heimische Landwirtschaft für die Versorgungssicherheit ist und dass wir auf regionale Landwirtschaft setzen müssen, um zukünftig auch diesen Risiken begegnen zu können. Aber insbesondere der Veredelungssektor ist durch die Entwicklung der Märkte in der Corona-Krise betroffen. Veredelungssektor ist praktisch die Schweinemast, wie sie bei uns in der Region vorherrschend ist, aber auch die Milchwirtschaft. Beide Märkte sind exportorientiert und gerade Märkte im Ausland sind zusammengebrochen. Die Unsicherheit, wie sich das langfristig auf die Preise auswirken wird, ist sehr groß. Diese Unsicherheit spüre ich in unserer Familie, aber auch bei vielen Berufskollegen.

DOMRADIO.DE: Was ist Veredelung?

Oskamp: Veredelung bedeutet, wenn wir zum Beispiel Getreide über den Schweinemagen dann zu Fleisch weiterverarbeiten. Das ist ein Fachausdruck aus der Landwirtschaft, den man pauschal als Fleischproduktion bezeichnen kann, für Rindfleisch und auch für Schweinefleisch.

DOMRADIO.DE: Das heißt, der Weizen wird wertvoller, wenn er nachher als Kotelett auf dem Teller landet?

Oskamp: Ganz genau. Wenn die Getreidepreise so günstig sind, dass man damit keinen kostendeckenden Marktpreis erzielen kann, dann macht das betriebswirtschaftlich Sinn, das über den Schweinemagen zu Fleisch zu veredeln.

DOMRADIO.DE: Was fordert die katholische Landvolkbewegung und auch Sie als Landwirt von der Politik, um die Landwirtschaft zu unterstützen?

Oskamp: Das ist ein sehr großes Thema, nur mal ganz kurz: Wir sollten diese Krise zum Anlass nehmen, das ganze System Landwirtschaft insgesamt mal kritisch zu hinterfragen. Wir fordern von der Politik, dass sie diese Transformation, in der sich die Landwirtschaft befindet, begleitet. Dass sie den Landwirten Planungsperspektiven und auch Sicherheiten bietet, mit denen sie zumindest in den nächsten Jahren nach vorne schauen können.

Entscheidungsfreudigere Agrarpolitiker, die wünsche ich mir als Allererstes. Zum zweiten langfristige Rahmenbedingungen, mit denen auch Bauernfamilien planen können. Das heißt konkret, dass wir verlässliche Standards für die Bedingungen brauchen, unter denen wir hier in Europa produzieren können, und dass es uns gelingt, gemeinsam diese Standards zu definieren. Mit Blick auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab dem 1. Juli erwarte ich, dass Deutschland die europäische Agrarpolitik entsprechend ausrichtet.

DOMRADIO.DE: Und auch in die Richtung, dass es sowohl für Mensch als auch für Tiere besser läuft?

Oskamp: Ganz genau. Da haben wir ja durch das Corona-Hilfsprogramm mit den 300 Millionen Euro, die in Tierwohl gehen sollen, gute Ansätze. Diese guten Ansätze helfen langfristig, und wir sind gerne bereit, an den Standards für mehr Tierwohl mitzuarbeiten. Gleichzeitig müssen die Bauernfamilien, die derzeit unter den anderen Bedingungen leben, für den Umbau ihrer Betriebe genügend Liquidität haben und auch Planungssicherheit bekommen. Denn all diese Umbauten gehen nicht von heute auf morgen. Wir reden da tatsächlich von Veränderungszeiten von zehn bis 15 Jahren.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR