Bischof-Stein-Platz wird nach langer Diskussion umbenannt

“Diese Entscheidung ist eine Erleichterung”

Für Opfer sexualisierter Gewalt sei es eine Genugtuung, dass in Trier der Bischof-Stein-Platz umbenannt wird, so der Grünen-Politiker Johannes Wiegel. Die Aufarbeitung im Bistum müsse aber weitergehen, es brauche auch künftig Druck.

Straßenschild Bischof-Stein-Platz an einer Hauswand in der Innenstadt hinter dem Dom in Trier / © Anna Fries (KNA)
Straßenschild Bischof-Stein-Platz an einer Hauswand in der Innenstadt hinter dem Dom in Trier / © Anna Fries ( KNA )

DOMRADIO.DE: Nach vielen Diskussionen um Bischof Stein und seine Rolle bei Missbrauchsfällen hat der Trierer Stadtrat nun über die Umbenennung dieses Platzes entschieden und mit dabei war auch Johannes Wiegel. Er sitzt für die Grünen im Stadtrat und hat das Verfahren zusammen mit seiner Fraktion maßgeblich angeschoben. Herr Wiegel, wie ist diese Abstimmung ausgegangen?

Johannes Wiegel (Bündnis 90/Die Grünen): Es gab eine einstimmige Abstimmung tatsächlich, es gab keine Gegenstimmen. Das war ein großer Erfolg an der Stelle.

DOMRADIO.DE: Ihre Fraktion hatte sich in der Vergangenheit mehrfach auch dafür eingesetzt, die Umbenennung des Bischof-Stein-Platzes und die Aberkennung dieser Ehrenbürgerwürde zu erreichen. Die Vorwürfe waren seit 2019 bekannt, doch der Antrag wurde abgelehnt. Warum gab es denn da Vorbehalte?

Wiegel: Es gibt den Verein MissBiT der Missbrauchsopfer im Bistum Trier, deren Vorsitzender ist Dr. Schnitzler, auch ein Historiker. Und er hat privat als Opfer Zugang zu dem Bistumsarchiven gehabt und konnte dadurch selbst Forschungsarbeit leisten. Allerdings war es zum einen so, dass er von Bistumsseite im Prinzip nur für den privaten Gebrauch Zugang hatte. Er durfte die eigentlich nicht veröffentlichen. Und andererseits war es so, dass es 2019 diese Studie und diesen Bericht von Thomas Schnitzler gab.

Da aber zu dem Zeitpunkt keine weiteren externen Leute, also Journalisten oder andere, die Möglichkeit gehabt hatten, das nachzuprüfen und selber ins Archiv zu gehen. Aus unserer Sicht war das trotzdem völlig ausreichend, weil die Belege, die Schnitzler da geliefert hatte, doch recht eindeutig waren und wir uns natürlich nicht vorstellen konnten, dass das erfunden oder ausgedacht war.

Aber es war so, dass seitens der anderen Fraktionen einfach da die Vorbehalte waren und man gesagt hat, wir bräuchten noch eine unabhängige Studie oder eine wissenschaftliche Studie, auf die wir uns da mehr verlassen können. Es hat keine der Fraktionen wörtlich oder explizit gesagt, dass sie die Ergebnisse von Thomas Schnitzler anzweifeln. Aber im Endeffekt war es einfach so, dass das offensichtlich den anderen noch nicht ausgereicht hat.

Grünen-Politiker Johannes Wiegel

"Es ist völlig klar, sowohl für die Opfer, als auch für uns als Fraktion, dass das jetzt ein Anfang ist. Es kann damit noch nicht aufhören."

DOMRADIO.DE: Sie sind ja auch im Kontakt mit Betroffenen. Was bedeutet denn jetzt diese Entscheidung, die gestern gefallen ist für diese Menschen?

Wiegel: Das ist so, dass da auf jeden Fall insofern eine gewisse Genugtuung eingetreten ist. Man darf das wirklich nicht unterschätzen, dass das ja ein zentraler Platz ist, über den auch viele Leute oft gehen, auch viele der Opfer oft gehen mussten -  was jedes Mal alte Wunden aufgerissen hat.

Und insofern ist das schon für diese Menschen eine deutliche Erleichterung und auch ein Stück weit eine kleine Genugtuung. Es ist aber völlig klar, sowohl für die Opfer, als auch für uns als Fraktion, dass das jetzt halt ein Anfang ist. Es kann damit noch nicht aufhören. Zum einen ist es so, dass wir mit der Aufarbeitung im Bistum Trier mehr in die Gegenwart gehen.

Demonstration des Vereins "Missbrauchsopfer im Bistum Trier" (Missbit) am 16. Dezember 2021 vor dem Dom in Trier / © Anna Fries (KNA)
Demonstration des Vereins "Missbrauchsopfer im Bistum Trier" (Missbit) am 16. Dezember 2021 vor dem Dom in Trier / © Anna Fries ( KNA )

Da geht es etwa um einen ehemaligen Trierer Bischof mit dem Namen Marx. Das heißt, da kommen jetzt auch wirklich hohe kirchliche Würdenträger, die auch heute noch in Amt und Würden sind.

Es ist aus meiner Sicht davon auszugehen, dass da sicherlich noch Erkenntnisse kommen, die auch zu weiteren Konsequenzen führen könnten und müssten. Und da denke ich, wird weiterhin gesellschaftlicher Druck dann auch nötig sein, auch vielleicht politischer Druck.

Und das ist so etwas, was bei den Opfern jetzt auch überwiegt, nach dem Motto: 'Okay, wir haben jetzt hier einen Erfolg erreicht und uns ist aber klar, dass da noch mehr wahrscheinlich zu tun ist und wir jetzt nicht leiser werden.' Aber die konkrete Entscheidung gestern ist definitiv eine Erleichterung.

Grünen-Politiker Johannes Wiegel

"Unabhängig davon, wie der neue Name ausfällt, wäre mir wichtig, dass man die Geschichte nicht in irgendeiner Weise unsichtbar macht.

DOMRADIO.DE: Und jetzt muss dieser Platz, der ehemalige Bischof-Stein-Platz, noch einen neuen Namen finden. Welcher Name sollte da Ihrer Meinung nach in Frage kommen?

Wiegel: Da gibt es viele schöne Ideen. Ich habe auch persönliche Favoriten, möchte mich da aber an dieser Stelle noch nicht festlegen. Was für mich ganz wichtig ist, ist, dass bei der Umbenennung eine Lösung gefunden wird, dass man nicht quasi einfach das Straßenschild, das Namensschild austauscht und dann ist da ein neuer Name und in einem Jahr weiß schon niemand mehr, dass es mal den anderen Namen gab und warum. Sondern ich fände es tatsächlich gut, wenn man eine zusätzliche Tafel anbringt.

Wir haben eine andere Straße in Trier, die früher Hindenburgstraße hieß und seit einem Jahr Gerty-Spies-Straße, nach einer Trierer Bürgerin. Da hat man es so gemacht, dass das alte Straßenschild noch da ist, durchgestrichen ist und der neue Name darunter steht. Das wäre auch eine Lösung, aber das wäre mir vor allem wichtig jetzt, unabhängig davon, wie der neue Name ausfällt, dass man in irgendeiner Weise nicht einfach die Geschichte unsichtbar macht.

Das Interview führte Tim Helssen

Quelle:
DR