Bischof in Serbien beschreibt Mladic-Festnahme als Schritt zur Versöhnung

"Ich bin froh und hoffnungsvoll"

Das Versteck des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic war knapp zehn Kilometer von Bischof Nemets Bischofssitz entfernt. Im domradio.de-Interview berichtet der katholische Bischof von Zrenjanin (Serbien), wie er von Mladics Verhaftung erfahren hat. Er sei froh über die Festnahme und "hoffnungsvoll, dass etwas passiert in Richtung Versöhnung".

 (DR)

domradio.de: Wie haben Sie von der Festnahme erfahren?

Bischof Ladislav Nemet: Heute Vormittag, kurz nach zwölf haben wir gehört, dass Mladic verhaftet worden ist und dann haben wir sofort das Fernsehen eingeschaltet. Wir waren in einer Sitzung und haben alle zugeschaut. Es gibt hier einen Fernsehsender, der war immer in der Opposition, auch während der Zeit von Milosevic, und sie haben uns erklärt, worum es geht und sie haben gesagt, dass General Mladic Mittwochabend schon verhaftet worden ist. Sie wollten die Nachricht nicht sofort bekannt geben. Heute hat um eins hat dann der Präsident von Serbien, Boris Tadic, bekannt gegeben, dass er wirklich verhaftet worden ist und es um die Person von Mladic geht. Er hatte neue Dokumente, eine neue Identität und lebte nur zehn Kilometer von meiner Bischofsstadt Zrenjanin entfernt.



domradio.de: Wie erklären Sie sich, dass Mladic sich solange verstecken konnte? Hatte er noch Anhänger?

Bischof Nemet: Anhänger vielleicht nicht, aber sicherlich Leute, die großes Interesse hatten ihn frei, nicht verhaftet zu sehen. Er hat noch immer unglaublich viele Informationen über den Krieg, Finanzierungen oder der Rolle von Milosevic im Krieg und könnte damit Serbien viel Schaden antun. Auf der anderen Seite weiß ich nicht, ob Mladic prozessfähig ist. Den Nachrichten nach ist er gesundheitlich angeschlagen. Er hatte einen schweren Schlaganfall und seine rechte Hand ist gelähmt und ich weiß nicht, ob er psychisch total hundertprozentig dabei ist. Darüber hat der Präsident nicht geredet und auch die Nachrichten hatten keine genauen Informationen dazu.



domradio.de: Serbiens Präsident Boris Tadic spricht angesichts der Verhaftung von einem großen Befreiungsschlag - wie bewerten Sie Mladics Festnahme?

Bischof Nemet: Ich bin froh und hoffnungsvoll, dass etwas passiert in Richtung Versöhnung. Mladic war der Hauptstein auf dem Weg zur Versöhnung. Aber es ist sicherlich wichtig, die Entwicklungen der nächsten zwei, drei Tage abzuwarten. Als Karadzic verhaftet war oder Milosevic nach Den Haag geschickt worden ist, da hat es auf den Straßen zwei, drei Tage Unruhen gegeben. Heute ist es in Belgrad total ruhig und in Zrenjanin auch. Die meisten Menschen sind, würde ich eher sagen, froh, dass ein Ende gekommen ist zu dieser Geschichte. Die Leute haben größere Angst, dass wir wieder visumpflichtig werden könnten und die Probleme, die mit dem Alltagsleben verbunden sind, das ist viel wichtiger als Mladic, glaube ich.



domradio.de: Haben Sie schon Informationen, wie die serbisch-orthodoxe Kirche auf die Festnahme reagiert?

Bischof Nemet: Sie haben noch überhaupt nicht reagiert. Sie haben jetzt ihre Frühlingssynode in Belgrad und ich weiß nicht, wie sie das annehmen werden. Letze Woche haben sie einen Protestbrief an den Heiligen Vater geschickt. Sie protestieren, dass der Heilige Vater nach Zagreb fliegt. Aber zur Versöhnung zwischen den Völkern könnte die Verhaftung von Mladic beitragen, aber ich weiß nicht, was die serbisch-orthodoxe Kirche dazu sagt.