Bischof Phillip engagiert sich für die Armen

"Die Kirche Südafrikas hat ihren Weg verloren"

Vertriebene Slumbewohner, Misshandelte, Feindseligkeit gegen Fremde. Die Liste der Missstände in seinem Heimatland Südafrika ist lang. Rubin Phillip wird nicht müde sie anzuprangern. Für seinen Einsatz wird der anglikanische Bischof heute mit dem Internationalen Bremer Friedenspreis ausgezeichnet.

Autor/in:
Annedore Beelte
 (DR)

Doch das Bild, das der 62-Jährige am Donnerstag vor den versammelten Journalisten von seinem Heimatland zeichnet, sieht ganz anders aus.
"Ich hoffe, Sie kommen alle zur Fußballweltmeisterschaft zu uns und genießen die Wärme und die Gastfreundschaft", sagt er. In dieser Hinsicht sei er patriotisch. Er hofft, dass die Welt auch den Fortschritt Südafrikas sehen wird: dass dort eine multiethnische Gesellschaft entstanden ist, in der Weiße und Schwarze friedlich miteinander leben.

Menschen wie Rubin Philipp haben das Gesicht des heutigen Südafrika geprägt. Als junger Geistlicher engagierte er sich gegen die Apartheid, stand drei Jahre lang unter Hausarrest. "Ich betrachte mich selbst als schwarz", sagt Phillip, der von indischen Einwanderern abstammt. Als Angehöriger einer winzigen ethnischen Minderheit wurde er zum Bischof einer Diözese gewählt, die zu einem Großteil aus schwarzen Christen besteht.

Er kennt die meisten Mitglieder der Regierung, viele noch aus der Zeit des Kampfes gegen die Rassentrennung - und heute sind sie es, denen er Kritik nicht erspart. "Damals", sagt er, "war die Kirche an vorderster Front. Heute hat sie ein Stück weit ihren Weg verloren." Und dieser Weg, davon war schon der Vierzehnjährige überzeugt, als er in die anglikanischen Kirche eintrat, muss an die Seite der Armen führen. "Ich war damals sicher, dass das Christentum unserem Land Hoffnung und Freiheit bringen würde", sagt er im Rückblick. Eine Hoffnung, die er in den Evangelien bestätigt fand und die ihn nie verlassen hat.

Vor der WM liegen die Nerven blank
Ins Blickfeld der internationalen Medien geriet Rubin Phillip im vergangenen Jahr, als er einen chinesischen Frachter per Gerichtsbeschluss daran hinderte, seine Ladung im Hafen von Durban zu löschen. Das Schiff war bis den Rand beladen mit 70 Tonnen Waffen und Munition, die der Diktator Robert Mugabe im Nachbarland Simbabwe dringend erwartete. Nachdem der Vorfall öffentlich wurde, kreuzte der Frachter wie ein Geisterschiff vor den Küsten Afrikas: Niemand wollte die tödliche Fracht mehr an Land lassen.

Den Konflikt der Rassen, so beobachtet Rubin Phillip es heute, ist vom Kampf der Reichen gegen die Armen abgelöst worden. Vor wenigen Wochen haben er und seine Mitstreiter aus der Slumbewohner-Bewegung einen Sieg vor dem südafrikanischen Verfassungsgericht errungen: Ein Gesetz, das die Vertreibung aller Slumbewohner in Durban und der gesamten Provinz KwaZulu-Natal legalisiert und die Grundeigentümer sogar dazu verpflichtet hätte, wurde für nicht verfassungsgemäß erklärt. "Das ist ein großer Sieg für die Armen und für die Verfassung", lobt Bischof Phillip.

Vor der WM liegen die Nerven blank: Die Gäste sollen ein makelloses Gesicht Südafrikas sehen. Doch die Armen zahlen die Zeche für solchen Eifer. Es sind derartige Entwicklungen, die den Bischof mit gemischten Gefühlen auf 2010 blicken lassen - trotz Patriotismus.