Kardinal Reinhard Marx hat die Benediktinerabtei Sankt Bonifaz in der Münchner Maxvorstadt als Beispiel gelungener Renaissance des Christentums in der Moderne gewürdigt.
Spannungsfeld von Tradition und Erneuerung
Beim Festgottesdienst zum 175-jährigen Jubiläum der Abtei ging der Erzbischof von München und Freising in seiner Predigt auf das Spannungsfeld von Tradition und Erneuerung ein. So sei etwa das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) von Anfang an zwiespältig aufgenommen worden.
"Die einen haben auf den Buchstaben geschaut, die anderen auf den Geist des Konzils, die einen haben die Texte eng interpretiert, die anderen haben sie weiter interpretiert, als einen Anstoß weiterzudenken", erinnerte der Kardinal.
So habe der Konzilstheologe Karl Rahner damals erklärt, das Konzil sei der Beginn eines Beginns. Das gelte bis heute, sagte Marx: "Wir sind in der Herausforderung einer Renaissance des Christentums aus den Quellen."
"Das eigentliche Problem sind die Konservativen"
Marx erzählte, dass er als Unterprimaner dem Journalisten Reinhard Raffalt (1923-1976), der für den Bayerischen Rundfunk aus Rom berichtete, geschrieben habe. "Das eigentliche Problem sind die Konservativen", zitierte Marx sein jugendliches Ich aus dem Gedächtnis und führte aus:
"Die Konservativen in dem Sinne, weil sie nicht die Kraft finden, aus der Tradition einen neuen Schritt zu wagen in die nächste Epoche. Mit der Tradition. Nicht die Quellen versiegen zu lassen, nicht die Wurzeln abzuschneiden und zu sagen: 'Was soll die Vergangenheit? Die war schlecht.' Sondern: 'Wie können wir weitergehen?' Aber mit Mut, mit Courage. Das fehlt."
Mut zum Weitergehen
Heute würde er das noch genauso formulieren, kommentierte der Kardinal, allerdings "nicht in dem klassischen Adjektiv konservativ, progressiv, das sagt mir nicht viel, aber in der Haltung". Die alten Wege führten "in neue Horizonte, wenn wir Mut haben, wenn wir weitergehen".
Auch zur Gründungszeit von Sankt Bonifaz habe es ähnliche Auseinandersetzungen in Kultur und Gesellschaft gegeben, sagte Marx. König Ludwig I. von Bayern habe mit der Stiftung der Abtei eine Renaissance ermöglicht.
Kein Kampf gegen die Moderne
In Sankt Bonifaz sei nicht der Kampf gegen die Moderne geführt, sondern der Versuch gemacht worden, die modernen Gedanken aufzunehmen, pastoral zu denken.
"Es war der Versuch, diese Neuzeit neu einzufassen in einen christlichen Horizont", betonte Marx. Sankt Bonifaz zeige, dass dies gehe. Er dankte den Benediktinern für ihren Dienst, der auch geistige Frucht trage.
König Ludwig schenkte den Ordensleuten damals zudem Kloster Andechs, damit sich die Mönche ihren Lebensunterhalt sichern können. Beide Häuser bilden die Abtei, an deren Spitze als gewählter Oberer der Abt, seit 2003 Johannes Eckert, steht.
Die Benediktiner engagieren sich seit Jahren aktiv in der Obdachlosenhilfe. In der Abteikirche befinden sich auch die Gräber von König Ludwig I. und seiner Frau Therese.