Bischof Kohlgraf wirft einen kritischen Blick auf KI und Kirche

Wenn Technik nicht reicht

Ob nun ein KI-Jesus, eine Segensmaschine oder ein Traueravatar hilfreich ist? Der Bischof von Mainz hält Technik nur beim Einstieg in den Glauben für eine Hilfe. Menschliche Nähe bleibt für Peter Kohlgraf nach wie vor unersetzlich.

Illustration eines Gespräches mit dem KI-Jesus (Von einer KI erzeugtes Bild) / © Philipp Haslbauer (Immersive Realities Research Lab / HSL)

In Notsituationen kann KI einen Seelsorger nicht ersetzen, meint der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. In der am Donnerstag veröffentlichten Folge des Podcasts "Lebensfragen" erklärte er, wenn jemand in Not sei, würde er Angebote der Telefonseelsorge und der Internetseelsorge empfehlen.

Wenn jemand etwa mit Suizidgedanken zu einer KI komme, die ihr gelerntes Programm abspule und nicht - wie bei der Telefonseelsorge - von einem Menschen begleitet werde, der sensibel reagieren könne, halte er das für problematisch, sagte der Bischof. "In wirklichen Notsituationen kann ein Mensch, der gut zuhört, die entscheidende Person sein", so Kohlgraf.

Bischof Kohlgraf (KNA)
Bischof Kohlgraf / ( KNA )

Technik könne vielleicht Ratschläge geben und als erster Kontaktpunkt mit dem Glauben oder Ansprechpartner zu religiösen Wissensfragen genutzt werden. Doch zu Seelsorge gehöre Empathie genauso wie Zuhören, Gespräch und gemeinsames Ringen - was mit einer KI so nicht gelingen könne.

Kann KI predigen?

Thema des Gesprächs von Bischof Kohlgraf und der Journalistin Anja Schneider mit der Philosophin und Medienethikerin Jessica Heesen ist die Frage, ob Künstliche Intelligenz als Assistent, Seelsorger und Jesus-Ersatz tauge. Kohlgraf erklärte, einen Chatbot zuletzt zur Vorbereitung seiner Osterpredigt gebeten zu haben: "Schreib mit eine Predigt über Maria Magdalena". Doch die dreiminütige Predigt, die er als Ergebnis erhalten habe, sei nicht wirklich überzeugend gewesen:

"Es war alles richtig, aber nichtssagend. Da habe ich gedacht, ich mach's lieber doch selber."

Der Bischof von Mainz räumte ein, vielleicht könne ein KI-Assistent helfen, gute Grußworte zu formulieren. Doch in einer Predigt gebe man auch etwas Persönliches preis und setze sich mit Dingen auseinander.

"Ich gebe auch ein Ringen mit einem Thema zu erkennen und setze nicht einfach Lösungen vor", erläutert der Bischof. Dieses gemeinsame Ringen erwarte er sowohl von einem richtigen Assistenten als auch von einem Seelsorger.

Jesus-KI und persönlicher Avatar

"Gott zeigt sich nicht so ganz plakativ und platt“, kommentiert Bischof Kohlgraf Experimente mit einem KI-Jesus in einer Luzerner Kapelle. Dort sah man durch das Gitter eines Beichtstuhls einen Mann mit längerem braunen Haar und Bart, der in hundert Sprachen Fragen beantwortete. Dieses Jesus-Klischee finde er schwierig, erklärte Kohlgraf. Auch mit Segensmaschinen tue er sich schwer, weil der Segen immer auch etwas mit einer personalen Zuwendung zu tun habe, nicht nur mit einer Stimme oder einer Simulation.

Aus der Perspektive der Trauerarbeit betrachte er Initiativen skeptisch, verstorbenen Menschen durch einen Avatar, der Stimme und Geschichten dieses Menschen gelernt habe, ein Weiterleben zu ermöglichen: "Trauer durchläuft verschiedene Phasen, bis hin zu einer Phase, abgeben zu können, um neue Anfänge zu setzen", erklärte Kohlgraf. 

Wenn nun ständig ein Avatar des Verstorbenen vorhanden sei, mit dem sich Hinterbliebene weiterhin unterhalten könnten, könne das problematisch sein, weil es ihnen nicht gelinge, abzuschließen. Wenn er sich vorstelle, noch heute immer dieselben Gespräche mit seiner vor 39 Jahren verstorbenen Mutter zu führen, finde er das schwierig, so Kohlgraf. Zudem sei es sicher eine emotionale Herausforderung, den Avatar eines Verstorbenen abzustellen.

Der Podcast "Lebensfragen. Menschen im Gespräch mit Bischof Peter Kohlgraf und Anja Schneider" aus dem Bistum Mainz erscheint seit März 2022 immer zur Monatsmitte.

Bistum Mainz

Das Bistum Mainz zählt 597.767 Katholiken in 279 Pfarreien. Es ist 7.692 Quadratkilometer groß und erstreckt sich zu zwei Dritteln auf Hessen. Der rheinland-pfälzische Teil entspricht der Region Rheinhessen. Aus historischen Gründen gehört als Enklave auch das in Baden-Württemberg gelegene Bad Wimpfen zum Bistum. 

Mainzer Dom (DR)
Mainzer Dom / ( DR )
Quelle:
KNA