Bischof Gerber kritisiert Vorgänger Dyba für Umgang mit Missbrauch

Systemisches Versagen der Kirche

Der Fuldaer Bischof Michael Gerber hat den früheren Erzbischof Johannes Dyba für dessen Umgang mit Missbrauch in der katholischen Kirche kritisiert. Zudem benannte Gerber ein systemisches Versagen der Kirche.

Personalleiterin Beate Lopatta-Lazar, Bischof Dr. Michael Gerber und Generalvikar Dr. Martin Stanke (v. l.)  / © Burkhard Beintken  (Bistum Fulda)
Personalleiterin Beate Lopatta-Lazar, Bischof Dr. Michael Gerber und Generalvikar Dr. Martin Stanke (v. l.) / © Burkhard Beintken ( Bistum Fulda )

Er sei auf Menschen gestoßen, die ihm von erlittenem Leid durch das Verhalten Dybas berichteten, sagte Bischof Michael Gerber am Donnerstag in Fulda. Er kritisierte unter anderem, dass dieser das Thema Missbrauch delegiert habe. "Ich habe als Bischof eine Letztverantwortung und vor allem auch eine moralische Verantwortung für solche Vorgänge – und ich habe die Pflicht, mich informieren zu lassen über derartig gravierende Personalvorgänge", betonte Gerber. 

Der Bischof äußerte sich eine Woche nach der Präsentation eines Abschlussberichts über Missbrauchsfälle zwischen 1945 und 2024. Demnach gab es seit 1945 mindestens 120 mutmaßlich Betroffene von sexuellem Missbrauch und 37 mutmaßliche Täter. 

Mit Blick auf Erzbischof Dyba, der das Bistum von 1983 bis zu seinem Tod im Jahr 2000 leitete, bilanzierte die Aufarbeitungskommission, dass es zwar Hinweise, aber keine "manifesten Belege" dafür gebe, dass er etwa an der Versetzung von Missbrauchsbeschuldigten aktiv beteiligt war.

"So geht das nicht"

Vielmehr hätten die jeweiligen Bischöfe von 1977 bis 2003 die gesamte Personalverantwortung in die Hände von Weihbischof Johannes Kapp gegeben, der während dieser Zeit Personalchef des Bistums war. Ein Vorgehen, das beim heutigen Bischof Unverständnis erzeugt. Delegation sei ein wichtiges Führungsinstrument, doch so wie es im Bistum Fulda offenbar gehandhabt wurde, "geht und ging das nicht", sagte Gerber.

Er konstatierte zudem ein systemisches Versagen der Kirche. Es gelte, strukturelle Schwächen zu erkennen, zu benennen und zu verändern; dies sei die Verantwortung des Bistums insgesamt und des Bischofs persönlich, so Gerber. Gespräche mit der Aufarbeitungskommission, die den Bericht für das Bistum erarbeitete, sollen zeigen, welche konkreten Maßnahmen getroffen werden können.

Bitte um Entschuldigung

Die Kommission hatte in den zurückliegenden vier Jahren systematisch 2.124 Personalakten gesichtet und ausgewertet. Gerber, der das Bistum seit 2019 leitet und auch stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, wiederholte seine Bitte um Entschuldigung; wissend, dass Worte allein nicht genügten, so Gerber.

Die Unabhängige Kommission unter Vorsitz von Gerhard Möller (Mitte) stellte am 17. Juni 2025 ihren Abschlussbericht vor und übergab ihn an Bischof Dr. Michael Gerber – ein Meilenstein im Prozess der Aufarbeitung / © Burkhard Beintken (Bistum Fulda)
Die Unabhängige Kommission unter Vorsitz von Gerhard Möller (Mitte) stellte am 17. Juni 2025 ihren Abschlussbericht vor und übergab ihn an Bischof Dr. Michael Gerber – ein Meilenstein im Prozess der Aufarbeitung / © Burkhard Beintken ( Bistum Fulda )

Er berichtete, dass er während seiner bisherigen Amtszeit bereits sechs Priester aus dem Dienst nehmen musste – darunter auch Fälle wegen sexualisierter Gewalt. In mehreren Fällen lagen bereits während der Ausbildung Hinweise vor, die nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Nun sei entscheidend, wie das Bistum mit den Erkenntnissen aus dem Bericht umgehe.

Strukturen, Hilfe und Erwartungen

"Wir werden an unserem Handeln in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren gemessen", sagte Gerber. Wer etwa Strukturen schaffe, die Überforderung reduzierten und Selbstwirksamkeit ermöglichten, schütze damit auch vor einem Missbrauch von Macht, so der Bischof. Er verwies auf die Einführung von Verwaltungsleitungen in Großpfarreien sowie die Förderung teamorientierter Leitungsmodelle.

Pfarrer würden so von Bürokratie entlastet und Leitungsaufgaben auf mehrere Schultern verteilt. Die Möglichkeit der vorzeitigen Pensionierung kann laut Gerber helfen, die eigene Lebens- und Berufssituation realistisch und verantwortungsvoll zu gestalten. Auch die Kommission hat im Bericht Vorschläge zur Fortführung der Aufarbeitung festgehalten.

So bräuchten Betroffene niederschwellige Angebote mit klarer Kennzeichnung von Ansprechpersonen. Hilfsangebote dürften nicht standardisiert sein, sondern müssten mit den Wünschen und Forderungen der Betroffenen übereinstimmen, heißt es unter anderem.

Zudem legte das Gremium dem Bistum nahe, die Fortsetzung der Aufarbeitung durch ein neues unabhängiges Gremium mit an den bisherigen Erkenntnissen aufbauendem Auftrag zu gewährleisten. Darüber werde nach Angaben des Bistums derzeit beraten.

Bistum Fulda

Das Bistum Fulda wurde im Jahr 1752 gegründet. Es erstreckt sich vom nordhessischen Bad Karlshafen bis in den Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim und von der Universitätsstadt Marburg in Oberhessen bis nach Geisa im Thüringer Land auf einer Fläche von 10.318 Quadratkilometern. 

Die Diözese hat rund 327.000 Katholikinnen und Katholiken. Fulda ist ein Diasporabistum, in dem die Katholiken insgesamt in einer Minderheit sind, wenn auch mit regional starken Unterschieden. 

Der Fuldaer Dom begrüßt die deutschen Bischöfe. / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Der Fuldaer Dom begrüßt die deutschen Bischöfe. / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )
Quelle:
KNA