Bischof Dieser will neuen Blick auf Sexuallehre

"Homosexualität ist keine Panne Gottes"

Der Aachener Bischof Helmut Dieser zeigt sich offen für eine kirchliche Neubewertung von Mitteln zur Empfängnisverhütung. Zudem plädiert er für eine Neuausrichtung der kirchlichen Sexuallehre. Homosexualität sei "keine Panne Gottes".

Füße unter einer Bettdecke / © Varavin88 (shutterstock)
Füße unter einer Bettdecke / © Varavin88 ( shutterstock )

"Wenn wir - mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil - anerkennen, dass Eltern selber in Verantwortung vor Gott entscheiden, wie viele Kinder sie bekommen, dann halte ich die Wahl der Mittel für zweitrangig", sagte er der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag). Allerdings dürfe auch nicht verloren gehen, "dass die Sexualität von Mann und Frau von Gott dazu berufen ist, das Leben weiterzugeben. Wir leben nie nur für uns selbst", fügte der Bischof hinzu.

Helmut Dieser, Bischof von Aachen, 2020 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Helmut Dieser, Bischof von Aachen, 2020 / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Auf die Frage, ob Pille und Kondom aus seiner Sicht "okay" wären, antwortete Dieser: "Ich würde begrüßen, wenn es diese Bewegung zu einer Neueinschätzung gäbe. Gerade indem wir Empfängnisverhütung empfehlen, stärken wir den Lebensschutz." Tabu blieben jedoch die sogenannte Pille danach "und alle Formen der Tötung des gezeugten menschlichen Lebens".

"Er sah, dass es gut war"

Dieser plädierte im Interview auch für eine Neuausrichtung der katholischen Sexuallehre mit Blick auf queere Menschen. "Homosexualität ist keine Panne Gottes, sondern gottgewollt im selben Maß wie die Schöpfung selbst: Er sah, dass es gut war, heißt es in der Schöpfungsgeschichte", sagte Dieser.

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Seine Einstellung zu kirchlichen Segnungen für homosexuelle Paare umschrieb der Bischof mit den Worten: "Solange die Kirche noch etwas anderes sagt, kann ich als einzelner Bischof nicht offiziell das Gegenteil regeln."

"Persönliche Gewissensentscheidung"

Doch jeder sei seinem Gewissen verpflichtet, fügte er hinzu: "Es ist die persönliche Gewissensentscheidung des einzelnen Seelsorgers, über den Segen mit Blick auf ein ganz bestimmtes Paar zu entscheiden. Vorab ist zu unterscheiden: Werde ich politisch vorgeführt? Wird hier eine Ehe simuliert? Werden andere zu Unrecht hintangesetzt? Doch wenn ein Seelsorger zum Ergebnis kommt: Dieses Paar möchte ich segnen, dann ist das seine Gewissensentscheidung." So geschehe es im Bistum Aachen auch.

Er werte Homosexualität inzwischen nicht mehr als Sünde, sagte Dieser weiter: "Sünde ist es, wenn ich einem anderen Menschen Gewalt antue, ihn erniedrige, benutze, wenn ich heuchle, wenn Liebe keine Liebe ist, wenn ich untreu bin, lieblos, gleichgültig. Das ist Sünde. Wenn es aber um Liebe geht, um diese Spielart der Liebe, die ja dann eine erotische Form ist, wenn der Leib Ausdruck dieser Liebe wird und die Sprache dieser Liebe, dann denke ich: Liebe kann nicht Sünde sein." 

"Hilfe, eigene Ich-Aussage zu treffen"

Der Bischof von Aachen sprach sich zudem für mehr Toleranz der Kirche gegenüber nicht-binären Menschen aus. So solle der Taufeintrag nicht mehr nur männlich oder weiblich lauten müssen: "Wenn das Geschlecht bei der Geburt nicht eindeutig ist, soll das auch so im Taufeintrag niedergelegt werden dürfen. Wir wollen Menschen helfen, im Laufe des Lebens eine eigene Ich-Aussage zu treffen."

Die katholische Sexualmoral ist eines der Schlüsselthemen beim Reformprojekt Synodaler Weg zur Zukunft der Kirche in Deutschland. Bischof Dieser ist Co-Vorsitzender des Forums, dass für die Synodalversammlung Papiere zu dem Thema ausarbeitet. Für das nächste Treffen, das am Donnerstag in Frankfurt beginnt, liegen den rund 230 Teilnehmern vier Papiere aus der Arbeitsgruppe zur Beratung vor.

Bischof Dieser: Viel Zustimmung für Homosexualität-Aussage

Unterdassen hat Bischof Dieser nach eigener Aussage von seinen Bischofskollegen keine Kritik für die Aussage, dass Homosexualität gottgewollt sei, bekommen. "Sehr viele unterstützen das", sagte er am Donnerstag in Frankfurt am Rande der Vollversammlung des Synodalen Wegs.

Dieser sagte: "Wir legen hier mit unseren Texten dem kirchlichen Lehramt ein Votum vor. Wir wollen erreichen, dass in diesen Fragen entspannter, entkrampfter in unseren Ansätzen nachgedacht wird und dass es zu einer Weiterentwicklung des Katechismus und der kirchlichen Auffassung von Homosexualität kommt." Er hob hervor, homosexuelle Menschen seien genauso gottgewollt wie heterosexuelle Menschen. Dieser leitet beim Synodalen Weg mit der Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Birgit Mock, das Forum zu Sexualität und Partnerschaft.

Mock erklärte: "Wenn - so wie wir es jetzt interpretieren - Sexualität und Identität eng zusammengehören, dann dürfen wir doch keinen Menschen dazu zwingen, sich von eigener Sexualität zu trennen.

Das ist für uns eine Verletzung der Menschenwürde." Sie berief sich dabei auf Erkenntnisse aus den Humanwissenschaften und verwies darauf, dass laut Katechismus der katholischen Kirche Menschen mit homosexueller Orientierung angehalten seien, ihre Sexualität nicht auszuleben. Der Katechismus müsse in diesem Punkt weiterentwickelt werden.

Quelle:
KNA