Bischof Bätzing zieht Resümee nach Reise ins Heilige Land

"Frieden immer schwieriger"

Vier Tage lang hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, mit Israelis und Palästinensern gesprochen. Eine gegenseitige Anerkennung wird nach seiner Einschätzung nicht leicht.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Bischof Georg Bätzing bei seinem Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem / © Andrea Krogmann (KNA)
Bischof Georg Bätzing bei seinem Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Israelis und Palästinenser sind gleichermaßen im Heiligen Land zu Hause und haben laut dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ein Recht auf eine Zukunft. Frieden gebe es aber nur, wenn beide Völker, Israelis und Palästinenser, eine Perspektive hätten, meint der Limburger Bischof zum Abschluss eines viertägigen Besuchs im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

KNA: Bischof Bätzing, Sie sind ins Heilige Land gereist, um mit den Menschen zu sprechen. Was haben Sie gehört?

Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Georg Bätzing (Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof von Limburg): Was ich in den vielen Gesprächen verstanden habe: Wie unglaublich kompliziert und differenziert die Situation ist, politisch, kirchlich, interreligiös. Eine einfache Schwarz-Weiß-Malerei verlernt man, wenn man im Heiligen Land mit Menschen spricht. Das ist eine wichtige Erfahrung, weil der über die Berichterstattung vermittelte Blick von Europa aus dazu neigt, zu vereinfachen. Die Situation ist sehr kompliziert und in den vergangenen Jahren noch viel komplexer geworden.

KNA: Sie haben in Bethlehem sehr stark betont, dass an einer Zwei-Staaten-Lösung kein Weg vorbeiführt. Warum?

Bätzing: Wir haben im Flüchtlingslager Dheisheh Menschen besucht, die seit Generationen in diesem unhaltbaren Zustand als Flüchtlinge leben. In der Situation dort war das stärkste Zeichen, was man geben kann, jenes von Solidarität. Dazu gehört, zu sagen: Wir sehen euer Recht in diesem Land, das auch euer angestammtes Land ist. Es ist euer Recht, hier zu sein und hier eure Zukunft zu gestalten.

Es wird Frieden in diesem Land und damit eine Zukunft nur geben, wenn beide Völker, Israelis und Palästinenser, eine Perspektive haben. Ich halte auch persönlich die Idee von zwei souveränen Staaten mit einem geregelten Zueinander nach wie vor für sinnvoll. Ich sehe aber auch, wie Fakten diese Idee, die von vielen in der internationalen Gemeinschaft geteilt wird, jeden Tag weiter in Frage stellen und verunmöglichen. Gleichzeitig gibt es auf beiden Seiten Menschen, die ein Zusammenleben auf dem einen Territorium organisieren wollen. Die Voraussetzung dafür ist aber, dass die Würde und die Rechte aller als gleich anerkannt wird. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Bischof Georg Bätzing und Maher Nicola Canawati, Bürgermeister von Bethlehem / © Andrea Krogmann (KNA)
Bischof Georg Bätzing und Maher Nicola Canawati, Bürgermeister von Bethlehem / © Andrea Krogmann ( KNA )

KNA: Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen selbst noch an diese Vision glauben?

Bätzing: Ich glaube, dass sie nach wie vor noch ein Bild davon haben. Gleichzeitig müssen sie für ihre Familien sorgen. Wie kann man gut ausgebildeten Kindern eine berufliche Zukunft schaffen und damit einen Anreiz, hier zu bleiben? Das führt zu einer Pragmatik, die die großen Fragen in den Hintergrund stellt. Die Menschen haben uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass man in diesem Land nie weiß, was als nächste Sorge um die Ecke kommt. Die Ereignisse des 7. Oktober sind dafür das sprechendste Beispiel. Die Zukunft ist mehr denn je ungewiss, was zu einer großen Verwundung, Verletzlichkeit, zu Misstrauen und Irritation führt, die aus dem Alltag eine gewaltige Anstrengung machen.

KNA: Sie haben auch jüdische Vertreter getroffen. Welche Sorgen haben sie geäußert?

Bätzing: Eindrücklich war die Dame, die uns durch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geführt hat: ein Beispiel für den ungebrochenen Stolz, mit dem Israelis auf das zurückblicken, was sie in diesem Land aufgebaut haben. Sie haben es zu einer Zukunftsfluchtstätte für Jüdinnen und Juden weltweit gemacht. Der Stolz geht einher mit der Sorge um die Sicherheit und der Anstrengung, das Erreichte zu bewahren.

Wir wissen, dass das Existenzrecht Israels nach wie vor in Frage gestellt wird, was für mich selbstverständlich außer Frage steht. Dem begegnet das Land mit militärischer Macht und internationalen Verbindungen. Gleichzeitig beobachten Jüdinnen und Juden in Israel die politischen Entwicklungen in ihrer Heimat, einen massiven politischen und teils auch religiösen Rechtsruck, einen neuen Nationalismus, der sich wiederum im Konflikt mit den Palästinensern sehr konkret und bedrückend auswirkt. Dazu habe ich sehr kritische Stimmen von Israelis gehört.

Georg Bätzing

"Christen sagen klar: Wir sind keine Gäste, sondern das ist unsere Heimat"

KNA: Wo stehen die Christen im Heiligen Land in alledem?

Bätzing: Sie sagen, dass sie dazwischen hängen. Ihre Zahl nimmt ab. Christinnen und Christen sind in der Regel gut ausgebildet, verfügen über ausgeprägte Kontakte in andere Länder und haben damit die Möglichkeit, anderswo ihren Lebensmittelpunkt aufzubauen, und sie tun das. Diese Abwanderung bereitet mir Sorgen.

Auf der anderen Seite sagen sie - und das beeindruckt mich: Wir bleiben hier. Das ist unser Land. Christen gibt es seit der ersten Stunde der Christenheit im Heiligen Land, die heiligen Stätten sind hier, Pilger kommen. Sie sagen klar: Wir sind keine Gäste, sondern das ist unsere Heimat. Die Christen machen das deutlich, indem sie auf der einen Seite gute Kontakte zu allen pflegen, auf der anderen Seite aber ihre Rechte einfordern.

Bischof Georg Bätzing kniet nieder bei der Kranzniederlegung in der "Halle der Erinnerung" in der Gedenkstätte Yad Vashem  / © Andrea Krogmann (KNA)
Bischof Georg Bätzing kniet nieder bei der Kranzniederlegung in der "Halle der Erinnerung" in der Gedenkstätte Yad Vashem / © Andrea Krogmann ( KNA )

KNA: Palästinenser wie Israelis haben deutlich Kritik geäußert, sowohl an den Kirchen als auch an Deutschland. Wie nehmen Sie das wahr?

Bätzing: Bei weitem überwog die positive Wahrnehmung, dass wir aufmerksam sind für die Situation im Land, dass wir Nähe zeigen und herkommen in einer Zeit, in der noch nicht viele kommen. Aber es gibt kritische Stimmen. Palästinenser erwarten, dass Deutschland den Staat Palästina anerkennt, wie es andere Länder getan haben. Gleichzeitig dürfen Juden erwarten, dass sie, von Terror bedroht und durch Massaker angegriffen, im Kampf um ihre Selbstbehauptung politische Unterstützung bekommen. Für beide Seiten habe ich großes Verständnis.

Georg Bätzing

"Es gibt auch hoffnungsvolle Bilder, etwa beim Zusammentreffen mit Nichtregierungsorganisationen auf beiden Seiten"

KNA: Was ist Ihnen besonders nahe gegangen?

Bätzing: Der Besuch des Geländes vom Nova-Festival, auf dem rund 370 Menschen ermordet wurden, bringt den Schrecken des 7. Oktober 2023 sehr nahe. Die Geschichten der zuallermeist jungen Leute, deren Leben in Terror geendet ist, das ist schrecklich und beklemmend. Da emotional näher dran zu sein, lässt verstehen, wie verletzt Menschen darauf reagiert haben und was die politischen Konsequenzen - der Gazakrieg - gewesen sind. Es gibt auch hoffnungsvolle Bilder, etwa beim Zusammentreffen mit Nichtregierungsorganisationen auf beiden Seiten, die in dieser eigentlich aussichtslosen Lage das Ihre tun und klare Konzepte haben, wie das Zusammenleben gehen kann. Das hat mich sehr bewegt.

KNA: Zwischen Ihrem ersten Heilig-Land-Besuch und dem aktuellen lagen mehr als 30 Jahre. Werden Sie wiederkommen?

Bätzing: 1989 kam ich als Pilger, zur Zeit der ersten Intifada. Ich habe von vielen gehört, wie sehr sie auf die Rückkehr der Pilger warten. Die Menschen in Bethlehem haben sich sehr gefreut, dass sie Weihnachten wieder einigermaßen normal mit vielen Menschen feiern konnten. Gerade Christinnen und Christen in der Region leben oft vom Tourismus und von Pilgern. Ich werde wiederkommen als Pilger. Hier sind die kostbaren heiligen Stätten. Das macht diesen Boden auch für uns so heilig, so wie er Juden und Muslime heiliges Land ist.

Georg Bätzing

Georg Bätzing wurde am 13. April 1961 in Kirchen (Sieg) geboren. Er studierte Philosophie und Theologie an der Universität Trier und der Universität Freiburg.

1987 wurde er in Trier zum Priester geweiht. Von 1996 bis 2010 war er als Leiter des Priesterseminars für die Priesterausbildung im Bistum Trier verantwortlich. Bereits 2007 übernahm er die Leitung der Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier. Ab November 2012 war Bätzing Generalvikar des Bistums Trier.

Bischof Georg Bätzing / © Bert Bostelmann (KNA)
Bischof Georg Bätzing / © Bert Bostelmann ( KNA )
Quelle:
KNA