Stille Nacht des Jugendchores St. Stephan

Bewegendes Video statt stummer Nacht

Chöre hatten es mehr als schwer im Corona-Jahr 2020. Aber Chorleiter Michael Kokott, der unter anderem den Kölner Jugendchor St. Stephan leitet, lässt sich nicht unterkriegen. Mehrere Videos hat er in den vergangenen Monaten produziert.

Kölner Jugendchor - Stille Nacht / © Screenshot (Youtube)
Kölner Jugendchor - Stille Nacht / © Screenshot ( Youtube )

DOMRADIO.DE: Ihr Weihnachtskonzert ist dem Virus zum Opfer gefallen. Sie haben sich einen anderen Weg gesucht und auch gefunden.

Michael Kokott (Chorleiter u. a. des Kölner Jugendchors St. Stephan): Ja, es ist traurig. Eigentlich ist die Weihnachtszeit ja vor allen Dingen auch Chor-Zeit. Und wenn man im Jahr singt, dann in der Weihnachtszeit. Und wir mussten halt alle zuhause bleiben. Und dann kam der Gedanke, wie das in diesem Jahr ja bei vielen Chören war, einfach ein Home Video zu machen, dass jeder alleine für sich singt. Und diese Videos sind dann zusammengekommen und zusammengeschnitten worden und wir haben dann einen musikalischen Adventskalender gemacht. Das waren genau 24 Sängerinnen und Sänger, die das Lied Stille Nacht zu Hause gesungen haben. Und was wir gerade gehört haben, das ist daraus geworden.

DOMRADIO.DE: Seit Wochen dürfen Sie ja schon nicht mehr richtig proben. Wie wichtig sind da genau solche Projekte wie dieses "Stille Nacht"-Video?

Kokott: Es ist natürlich wirklich für jeden Chor, glaube ich, eine Herausforderung. Auch eine existenzielle Herausforderung. Einige Chöre sind dem Ganzen auch schon zum Opfer gefallen. Wir haben uns immer mal wieder digital getroffen und diese Notsituation hat den Chor tatsächlich enger zusammenrücken lassen. Dadurch sind wir doch noch mehr zusammengewachsen und wir haben in diesem Jahr mehrere Videos gemacht, angefangen vom Halleluja zu Ostern, wir haben ein Video für die Corona-Toten gemacht, das Lied "The Rose" und jetzt "Stille Nacht". Und da kommen auch die Rückmeldungen der Chorsänger, die dafür dankbar sind, dass man so einfach in Kontakt bleibt.

DOMRADIO.DE: Und sie haben sich auch noch einen ganz anderen Hit rausgesucht, mit den Mädchen und Jungen aus ihrem Chor "Lucky Kids" nämlich. Was haben Sie da gemacht?

Kokott: Ja, also wenn man Kinder fragt, was ist das bekannteste Weihnachtslied, werden die nicht sagen "Stille Nacht", sondern "Weihnachtsbäckerei" von Rolf Zuckowsky. Und vor ein paar Wochen kam ein Projekt auf uns zu, das genau diese Thematik aufgegriffen hat, nämlich: Was machen Kinder in der Corona-Zeit? Und da haben wir zusammen mit Rolf Zuckowski höchstpersönlich auch ein Home Video gemacht. Das gibt's auch auf YouTube. Das ist ein bisschen moderner, quasi "Weihnachtsbäckerei 2.0". Da hat der Gitarrist von der Kölsch-Band Kasalla, Flo Peil, dazu das Arrangement gemacht und das ist, finde ich, ganz pfiffig geworden.

DOMRADIO.DE: Also man muss tatsächlich Ideen haben, man muss kreativ sein, sonst kommt man nicht voran in dieser Zeiten...

Kokott: Ja, wenn man Ideen hat, hält einen das auch über Wasser. Wenn man die nicht hat, dann wird's schwierig. Aber ich glaube, Singen ist ein Antidepressivum und das hat mich auch über Wasser gehalten, jetzt die ganzen Monate.

DOMRADIO.DE: Aber gerade für alle, die vom Gesang und eben auch für den Gesang leben, geht ein ziemlich schwieriges Jahr zu Ende. Und doch eins, das sie und ihre Chöre doch noch bereichert hat?

Kokott: Ja, ich habe ja viele Chöre, also insgesamt sieben hier in Köln. Und seit anderthalb Jahren leite ich einen Inklusions-Chor, den i-Chor von der Rheinischen Musikschule. Und nach so kurzer Zeit haben wir tatsächlich am vergangenen Mittwoch von Minister Laumann in NRW den Inklusionspreis 2020 bekommen. Das ist natürlich eine besondere Auszeichnung, besondere Ehre und quasi das erste Weihnachtsgeschenk.

DOMRADIO.DE: Sehr schön. Was bedeutet das Ihnen ganz persönlich?

Kokott: Das gemeinsame Singen mit Menschen mit und ohne Behinderung ist etwas ganz Besonderes. Und da steht die Musik gar nicht in erster Linie im Vordergrund, sondern die Begegnung über die Musik. Und das sind Momente, die ich in den anderen Chören eigentlich noch nie erlebt habe. Und das war für mich auch ein Novum.

DOMRADIO.DE: Heiligabend, Weihnachten ist natürlich auch eine Zeit zum Wünschen. Was wünschen Sie sich an diesem Tag mitten in der Corona-Pandemie 2020?

Kokott: Ich wünsche mir natürlich, dass alle solidarisch sind und alle versuchen, das Virus effektiv zu bekämpfen. Also für mich persönlich und für meine Familie gehört dazu auch - das sage ich jetzt im DOMRADIO - nicht in die Christmette zu gehen. Das ist natürlich traurig. Ich bin schon immer in die Christmette gegangen, das ist das erste Jahr, wo ich das nicht tue. Aber ich glaube, es ist sinnvoller. Das muss jeder für sich selbst entscheiden, aber wenn wir jetzt nicht konsequent sind, dann wird uns das wahrscheinlich nächstes Jahr immer noch beschäftigen.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR
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