Betroffeneninitiative unzufrieden mit Synodalversammlung

"Das ist mir zu wenig"

Das Aktionsbündnis der Betroffenen "Eckiger Tisch" ist enttäuscht über die Synodalversammlung. Sie fühlen sich als Randbeobachter, sagt Jens Windel, einer der Betroffenen. Ein lapidares Schuldgeständnis der Kirche reiche einfach nicht.

Jens Windel, Gründer der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim / © Moritz Frankenberg (dpa)
Jens Windel, Gründer der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim / © Moritz Frankenberg ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen der Synodalversammlung?

Jens Windel (Gründer der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim): Ich muss sagen, dass ich mich schon freue, dass es für die Katholiken in Deutschland Verbesserungen geben soll. Als Betroffener muss ich allerdings sagen, dass ich da nur Randbeobachter bin und mich nicht bei den Ergebnissen des Synodalen Weges wiederfinde.

DOMRADIO.DE: Sie kritisieren unter anderem, dass es immer noch keine von den Bischöfen und Bistümern gänzlich unabhängige Aufklärung gibt. Warum zählt das für Sie nicht, dass die Bischöfe unabhängige Gutachter und Kommissionen einsetzen?

Windel: Die unabhängigen Personen sind für mich nicht so unabhängig, wie sie dargestellt werden. Sonst würde man das eigentlich auch nicht in jedem dritten Satz wiederholen. Viele arbeiten für die katholische Kirche oder zumindest in Trägerschaften. Von daher kann ich nicht sagen, dass diese Personen unabhängig sind. Es gab eine unabhängige Expertengruppe, die hat eine Empfehlung aus dem Jahr 2019 ausgesprochen. Die hat man völlig übergangen und als nicht unabhängig betont.

Wenn ich dann höre, dass die Ansprechpersonen für sexuellen Missbrauch in den einzelnen Bistümern selbst sehr unzufrieden mit den Zahlungen, die an Betroffene fließen, sind und auch Juristen mittlerweile bemängeln, dass die Zahlungen so nicht korrekt sind, dann kann ich das nur unterstreichen, weil ich durch die Gespräche mit Betroffenen immer wieder höre, wie traumatisierend das für sie ist, dass ihr Fall durch niedrige Zahlung so abgewertet oder bagatellisiert wird.

DOMRADIO.DE: Bei der Synodalversammlung ist doch auch über ein Schuldbekenntnis diskutiert worden. Das nutzt den Betroffenen wenig, sagen Sie. Warum?

Jens Windel (Gründer der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim)

"Dass die Kirche ganz klar Schuld trägt, steht für mich außer Frage"

Windel: Ich finde das sehr leidlich, sich über ein Schuldbekenntnis Gedanken zu machen. Dass die Kirche ganz klar Schuld trägt, steht für mich außer Frage. Ich möchte einfach noch mal sagen, dass es so viele Verantwortungsträger gibt, die sich bis heute nach außen nicht geäußert haben, weil es entweder noch keine Studie gab oder man sich einfach wegduckt. Dafür soll jetzt ein Schuldgeständnis eingeholt werden und nach außen getragen werden. Das ist mir zu wenig, das reicht mir nicht.

Ich finde, Schuldbekenntnis fängt da an, wo man sich auch dazu bekennt. Christiane Florin hat das so schön angedeutet, dass ein Schuldgeständnis so aussieht, dass man sagt "Mir ist es egal gewesen, wenn es weitere Betroffene gibt. Mir war es wichtiger, dass ich die Kirche schütze". Aber ein einfach lapidares Schuldgeständnis in den Raum zu werfen, ist mir zu einfach und zu wenig.

DOMRADIO.DE: Sie haben schon im Mai im vergangenen Jahr eine Petition veröffentlicht, wo Sie unabhängige Anlaufstellen und eine durch das Parlament eingesetzte Wahrheitskommission fordern. Haben Kirche und Politik auf diese Petition schon reagiert?

Windel: Leider hat bis jetzt noch keiner darauf reagiert. Es wäre schön gewesen, wenn man sich daraufhin bei uns gemeldet hätte. Aber wir bemerken zumindest, dass auf Höhe der Politik Gespräche laufen, wenn auch nicht mit uns. Das hatte auf dem Synodalen Weg ja gefehlt. Wenn man jetzt nicht einfach nur sagt, die Aufarbeitung gehört in die Hände des Staates, was natürlich völlig richtig ist, dann reicht das nicht. Ich hätte mir auch da mehr Mut gewünscht, dass sie sagen, dass die Politik sich mehr einsetzen muss.

Das wäre eine Aufgabe vom Synodalen Weg gewesen oder auch vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, dass sie sich stark machen, dass sie sagen, das kanonische Recht reicht einfach so nicht aus. Es muss auch gesetzlich was verändert werden, wie zum Beispiel, dass die Verjährungsfrist von sexuellem Missbrauch keine Anwendung mehr findet.

DOMRADIO.DE: Stattdessen ist auch über die Ursache für sexualisierten Missbrauch und über die Sexualmoral in der Kirche diskutiert worden, auch über die Abschaffung des Zölibats und über Frauenordination. Sind das in Ihren Augen praktische Verbesserungen, die sexualisierte Gewalt verhindern könnten?

Jens Windel (Gründer der Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim)

"Es ist so, dass wir uns als Randbeobachter fühlen, auch wenn Betroffene selbst am Synodalen Weg mitgewirkt haben"

Windel: Ich begrüße diesen Schritt, dass auch die Frau ihre berechtigte Stellung in der katholischen Kirche bekommt. Ich begrüße es auch, wenn kirchliche Mitarbeiter wie Pfarrer und Diakone sich auch einer Beziehung hingeben dürfen. Das ist aus meiner Sicht völlig richtig. Ob es den Missbrauch aufhält, wage ich einfach mal zu bezweifeln, weil die evangelische Kirche nicht minder an sexuellem Missbrauch der katholischen Kirche gegenüber stand. Auch da sind die Zahlen gleichmäßig hoch. Ich glaube nicht, dass das die Lösung ist.

DOMRADIO.DE: Der "Eckige Tisch", also das Aktionsbündnis der Betroffeneninitiativen, ist von der Synodalversammlung enttäuscht. Ist das so?

Windel: Wir vom Aktionsbündnis sind auf jeden Fall enttäuscht von den Ergebnissen. Es ist so, dass wir uns als Randbeobachter fühlen, auch wenn Betroffene selbst am Synodalen Weg mitgewirkt haben. So kann ich zumindest nicht sagen, dass wir gestärkt aus dem Synodalen Weg rausgehen.

Ich vergleiche das damit, dass irgendwann später mal eine Pfarrerin in einer Kirche steht. Sie wird vor leeren Bänken predigen, weil das so einfach nicht mehr haltbar ist und auch viele langjährige Mitglieder aus der katholischen Kirche austreten, weil sie zu sehr enttäuscht sind und es nicht für ausreichend halten, was von der Seite der Kirche getan wird.

DOMRADIO.DE: Und nicht schnell genug, wenn ich Sie richtig verstehe. Wenn die Frau ordiniert werden kann, ist keiner mehr da, der zuhört.

Windel: Genau, wenn es tatsächlich so weit kommt, dann könnte es zu spät sein.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Die Voten des Synodalen Wegs im Überblick

Bei der dritten Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt haben die Teilnehmenden erstmals konkrete Beschlüsse zu Reformen in der Kirche gefasst. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) fasst nachfolgend wesentliche Inhalte und Abstimmungsergebnisse zusammen:

Eine Hand hält ein Gerät für die digitale Abstimmung am 5. Februar 2022 in Frankfurt. / © Julia Steinbrecht (KNA)
Eine Hand hält ein Gerät für die digitale Abstimmung am 5. Februar 2022 in Frankfurt. / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR
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