Besseres Energienetz soll Versorgung sichern - Politiker und Experten kritisieren Unternehmen

Betriebsamkeit nach Stromausfall

Nach den Stromausfällen in weiten Teilen Europas fordern Politiker und Experten eine Überprüfung des deutschen Stromnetzes. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Montag, die Firmen müssten mehr in das Netz investieren.Sein Ministerium forderte von den Energieunternehmen eine gründliche Aufklärung.

 (DR)

Nach den Stromausfällen in weiten Teilen Europas fordern Politiker und Experten eine Überprüfung des deutschen Stromnetzes. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Montag, die Firmen müssten mehr in das Netz investieren.Sein Ministerium forderte von den Energieunternehmen eine gründliche Aufklärung. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast rief die Stromkonzerne auf, mehr für die Netzsicherheit zu tun. Der Bund der Energieverbraucher warnte vor weiteren Pannen. - In der Nacht zu Sonntag war in weiten Teilen Europas für bis zu anderthalb Stunden der Strom ausgefallen.

Ursache in Niedersachsen
Millionen Menschen saßen im Dunklen oder in Fahrstühlen fest. Als Ursache vermutet der Energieversorger E.ON, dass die absichtliche Abschaltung einer 380 Kilovolt Hochspannungsleitung über den Fluss Ems in Niedersachsen das Chaos ausgelöst haben könnte. Das Vorstandsmitglied von E.ON Energie, Klaus-Dieter Maubach, sagte, es sei durch die Abschaltung bei anderen Leitungen entgegen den Erwartungen zu Überlastungen gekommen, die sich kaskadenartig fortgesetzt hätten. Maubach betonte: "Die Netze sind in einem guten Zustand." Zudem würde E.ON in den nächsten Jahren 2,8 Milliarden Euro in das Netz investieren. Er hätte sich gewünscht, dass sich Gabriel
vor seinen Äußerungen über den Sachstand informiert hätte, betonte Maubach.

Bundesumweltminister Gabriel hatte den Stromkonzernen in einem Interview vorgeworfen, dass die Unternehmen erst im Rahmen der Verhandlungen mit der Bundesregierung und erst seit ein paar Wochen bereit zu stärkeren Investitionen gewesen seien. Seit Jahren sei klar, dass 850 Kilometer Netz ausgebaut werden müssten. "Das haben sie nicht getan", sagte Gabriel im ZDF-Morgenmagazin. Jetzt seien ein Infrastrukturbeschleunigungsgesetz gemacht und Verhandlungen mit den Energiekonzernen geführt worden. Nun seien die Stromkonzerne zwar zu Investitionen bereit. Freiwillig sei dies aber nicht geschehen, unterstrich Gabriel.

Steigendes Gewinne - zögerliche Investitionen
Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Müller sagte am Montag: „Wir brauchen umgehend einen Bericht über die nationale Leistungsfähigkeit der Netze. Die Netzbetreiber müssen dazu einen detaillierten Gesamtbericht vorlegen." Die Konzerne müssten die Frage beantworten wie die Netze gerüstet sind, um Versorgungssicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Es könne nicht sein, dass die Netzbetreiber immer höhere Gewinne machten, die nötigen Investitionen jedoch nur zögerlich vorankämen. Es gebe ein eklatantes Missverhältnis zwischen den Gewinnen der Netzbetreiber und ihren Kosten. Von der Bundesnetzagentur wisse man, dass die Netzgebühren weit überhöht seien.

„Das ist nicht akzeptabel"
Künast warf den Energieversorgern vor, trotz reichlicher Profite nur wenig für die Verbraucher zu tun. „Unsere hohen Netzgebühren und damit auch die Strompreise werden immer mit der hohen Netzsicherheit begründet", sagte die ehemalige Verbraucherschutzministerin. „Wenn Netzfehler oder mangelhafter Betrieb Ursache des Stromausfalls sind, ist das ein weiteres Indiz dafür, dass die Begründung der Energiekonzerne nicht trägt."
Kelber verwies auf Berechnungen unter anderem des Verbandes der Elektrotechnik (VDE). Danach seien die Netzinvestitionen seit den achtziger Jahren um 40 Prozent zurückgegangen. Die Stromausfallzeiten seien seitdem von durchschnittlich 15 Minuten auf 23 Minuten im Jahr gestiegen. „Das ist nicht akzeptabel", kritisierte Kelber.

Der Chef des Bundes der Energieverbraucher, Aribert Peters, sagte: „Die Versorgungssicherheit ist nicht mehr gewährleistet." Sein Verband weise seit langem darauf hin, dass die Netze marode seien. An einem „normalen Novembertag" sei die Belastung nicht so hoch, dass es zu einer solchen Panne kommen dürfe. Das Netz müsse in der Lage sein, ganz anderen Wetterbedingungen stand zu halten. „Dass es jetzt schon zusammengebrochen ist, lässt nichts Gutes ahnen", sagte Peters.

DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert, forderte, die Energiekonzerne müssten die Netze besser ausbauen. „Wir brauchen eine Europäische Aufsichtsbehörde, die das Stromnetz managt", sagte sie. Stromausfälle mit Kettenreaktionen seien etwas, was in Europa gar nicht passieren dürfe.
Der Chef des Berliner Energieforschungsinstituts EEFA, Bernhard Hillebrand, sagte: „Vor allem wegen der unkoordinierten, stetig zunehmenden Einspeisung regenerativer Energien ins Netz sind häufigere Stromausfälle nicht auszuschließen." Regenerative Energiequellen sollten deshalb in absehbarer Zeit wie konventionelle Stromanbieter dazu angehalten werden, Strom nur dann einspeisen, wenn er gebraucht wird. Überschüssige Energie müssten sie dann etwa in Pumpspeicherwerken lagern.