Autorin Raffauf schreibt Kinderbuch über Umgang mit Krieg

"Wann ist endlich Frieden?"

Jüngst ist ein neues Kinderbuch von Elisabeth Raffauf erschienen. Es hilft Erwachsenen, mit Kindern über das Thema "Krieg und Frieden“ ins Gespräch zu kommen. Wie Kinder mit dem Thema umgehen, verrät sie im Interview.

Kinder lesen in einem Buch
 / © Harald Oppitz (KNA)
Kinder lesen in einem Buch / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was oder wie viel soll man den Kindern überhaupt erklären? Diese Fragen haben sich wahrscheinlich auch schon viele Eltern gestellt, oder?

Elisabeth Raffauf / © Tina Niedecken (privat)
Elisabeth Raffauf / © Tina Niedecken ( privat )

Elisabeth Raffauf (Diplom-Psychologin und Buchautorin): Absolut. Das hängt aber auch von den Kindern ab, je nachdem, wie alt sie sind und was sie interessiert. Wenn Kinder fragen, was eigentlich Krieg ist, dann brauchen sie eine Antwort.

Es ist gut, wenn wir das beantworten können, ohne lange Vorträge zu halten. Manche Kinder wollen eine Frage stellen und eine Antwort bekommen, denn sie wollen dann wieder spielen.

Manche Kinder fragen vielleicht nochmal nach. Die berührt es und es beschäftigt sie noch in anderer Weise. Kinder bekommen ja auch die Aufregung mit, die bei uns Erwachsenen herrscht. Sie wollen dann auch wissen, wie es den Menschen im Krieg geht und warum Menschen Kriege führen oder was man selbst tun kann, wenn man Angst hat.

DOMRADIO.DE: Wie schafft man es Kindern zu erklären, warum sich Menschen mit Bomben und Raketen bekämpfen, ohne den Kindern noch mehr Angst zu machen?

Raffauf: Wenn ich selbst große Angst habe und merke, dass ich total aufgelöst bin, dann ist es erst mal gut, wenn ich mit anderen Erwachsenen spreche, damit ich nicht meine Angst auf die Kinder übertrage. Die spüren das natürlich. Ich kann dann auch sagen, dass das was da passiert, Angst macht und das Gefühl berechtigt ist.

Andere Menschen kennen das auch und können sich da hineinversetzen. Das gibt den Kindern  die Sicherheit, dass ihr Gefühl sie nicht betrügt. Wenn ich gleichzeitig selbst große Angst habe, ist es gut, wenn ich mich mit anderen Erwachsenen darüber austausche und schaue, dass ich da auch erst einmal selbst Ansprechpartner finde.

DOMRADIO.DE: Welche Fragen haben Kinder überhaupt zu Krieg, Frieden, Flucht und Versöhnung? Damit haben Sie sich auch beschäftigt. Sie haben dazu mit vielen Kindern gesprochen, die hier in Deutschland leben und noch keinen Krieg erlebt haben. Welche Fragen hatten die?

Raffauf: Sie hatten natürlich die Frage, ob der Krieg auch nach Deutschland kommt. Das ist eine sehr wichtige Frage.

DOMRADIO.DE: Dann haben Sie sich mit Kindern getroffen, die mit ihren Eltern vom Krieg geflohen sind. Wie anders waren diese Gespräche?

Raffauf: Wir hatten damals eine ukrainische Familie zu Gast. Die Mutter war Lehrerin und hat ihre Schulkinder in der vierten Klasse in der Ukraine von uns aus online unterrichtet. Ich habe ihr von diesem Projekt erzählt und sie wollte daraufhin ihre Kinder dazu befragen. Wir haben uns Fragen überlegt. Sie lauteten zum Beispiel, wie sie erfahren haben, dass es Krieg gibt, wovor sie Angst haben und was sie sich wünschen.

Diese Fragen hat sie ihnen dann auch gestellt. Von den Antworten und der Reaktion der Kinder war sie sehr berührt. Sie erzählte, dass die Kinder ihr gesagt haben, dass sie bisher noch nie gefragt worden waren.

Die syrischen Kinder, mit denen ich gesprochen habe, habe ich hinterher gefragt, wie es war, darüber zu sprechen. Sie fanden es sehr entlastend.

DOMRADIO.DE: Man bereitet sich auch noch mal anders auf so ein Gespräch vor und weiß nicht, was kommt und ob man sich so richtig trauen kann.

Raffauf: Diese Sorge haben viele. Hilfreich ist dann erst einmal die Frage, ob ich fragen darf. Wir haben damals auch unsere ukrainischen Gäste gefragt, ob sie über den Krieg und das, was sie erlebt haben, sprechen wollen und sie haben zugestimmt. Wenn Kinder aber dann ablehnend sind, muss man es auch respektieren.

DOMRADIO.DE: Was waren für Sie die berührendsten Momente bei diesen Interviews?

Elisabeth Raffauf

"Man kann auch andere Dinge tun, zum Beispiel die Angst malen und darüber sprechen." 

Raffauf: Ich habe zum Beispiel gefragt, was Frieden für die Kinder bedeutet. Eine 11-Jährige sagte, dass Frieden für sie Glück bedeute. Ein Jugendlicher sagte, dass es hier in Deutschland doch sehr schön sei. Man könne in die Schule gehen und müsste keine Angst haben, dass man auf dem Schulweg gekidnappt werde oder dass eine Bombe fällt.

Das sind Dinge, an die wir hier natürlich gar nicht denken, weil es für uns so selbstverständlich ist. Es ist natürlich gut, dass dies so ist. Aber gleichzeitig erfährt man dann, dass es auch einen ganz anderen Blick gibt. 

DOMRADIO.DE: Wie schwierig war es für Sie dann, die Fragen zu beantworten? Zum Beispiel, wenn es um die Angst ging. 

Raffauf: Ich habe die Kinder auch gefragt, was sie bei Angst machen. Dann erzählte eine 13-Jährige, dass sie in diesem Fall mit ihren Freundinnen und Eltern spreche und dass die sie trösten. 

Man kann auch andere Dinge tun, zum Beispiel die Angst malen und darüber sprechen. Damit distanziert man sich erst mal und kann sein Gefühl anschauen. 

DOMRADIO.DE: Was haben Sie den Kindern denn auf die zuvor genannten Fragen geantwortet? Die Kinder wissen ja auch nicht, wann der Ukraine-Krieg vorbei ist. 

Raffauf: Da kann man nur ganz ehrlich antworten und sagen, dass man nicht weiß, wann der Krieg vorbei ist. Aber wir haben Politiker, die alles daran setzen, dass der Krieg möglichst bald zu Ende geht, die aber auch nicht alles in der Hand haben. Wir müssen ehrlich sein, wenn wir mit den Kindern reden.

DOMRADIO.DE: Sie haben auch die von den Kindern gestellte Frage beantwortet, wie ein Krieg beendet werden kann?

Raffauf: Ja. Die Fragen in dem Buch haben alle die Kinder gestellt. Darauf gibt es verschiedene Antworten. Entweder man kämpft so viel, bis alle nicht mehr können oder irgendwann sagt einer, dass man verhandeln sollte oder einer gewinnt.

DOMRADIO.DE: Haben Sie auch den Kindern Ihr Buch "Wann ist endlich Frieden?" oder Ihren Entwurf gezeigt, bevor es irgendwann in Druck ging?

Raffauf: Ich habe natürlich mit den Kindern, die ich interviewt habe, darüber gesprochen und sie gefragt, ob sie mit dem, was sie gesagt haben, noch einverstanden sind. Diese wollten aber gar nicht so genau nachschauen.

Ich habe auch fünf Kinder einer zehnköpfigen afghanische Familie interviewt. Denen habe ich das Buch vorbeigebracht. Die 10-Jährige hat sich so gefreut, dass jetzt Dinge, die sie gesagt hat, in einem Buch stehen. Sie war richtig stolz. 

DOMRADIO.DE: Fühlen sich denn die Kinder, mit denen Sie gesprochen haben, hier angenommen oder ist es für sie schwierig, in einer anderen Kultur und mit einer anderen Sprache zurechtzukommen?

Raffauf: Es ist unterschiedlich. Man ist auf einmal in Deutschland und beherrscht die Sprache nicht. Die Kinder haben zum Teil eine Odyssee hinter sich. 

Sie haben viel erlebt, bei dem sie auch erst einmal das Gefühl hatten, hier nicht richtig willkommen zu sein. Ein Mädchen erzählte, dass sie in der Schule gehänselt wurde, weil sie nicht so gut Deutsch konnte und noch an den Weihnachtsmann geglaubt hat.

Die afghanischen Kinder waren alle richtig gut in Mathe. Ein Junge hat erzählt, dass er Mathe-Professor werden und nach Afghanistan zurück an die Uni gehen möchte. Was alle vereint, ist, dass sie Hoffnung auf eine Zukunft haben.

Elisabeth Raffauf

"Man kann mit den Kindern überlegen, was man im kleinen Rahmen tun kann."

DOMRADIO.DE: Haben Sie versucht, den Kindern in den Gesprächen Mut zu machen und schaffen Sie das auch? 

Raffauf: Auf jeden Fall. Das ist auch wichtig, dass wir daran glauben und dass man schaut, was man im kleinen Rahmen tun kann, wenn man erst mal so eine Nachricht hört, wie auch aktuell jetzt.

Denn durch die neuen Auseinandersetzungen und diesen dramatischen Überfall in Israel und das, was darauf folgt, fühlt man sich erst einmal gelähmt. Man fühlt sich so ohnmächtig und hat das Gefühl, dass man nichts machen kann. Man kann mit den Kindern überlegen, was man im kleinen Rahmen tun kann.

Als der Ukraine-Krieg angefangen hat, haben viele Kindergärten oder Schulen Solidaritätszeichnungen gemalt, wie zum Beispiel "Peace"-Zeichen, die sie an die Fenster geklebt haben. Es sollte zeigen, dass sie zur Ukraine stehen.

Damit konnten sie den Leuten Mut machen, die daran vorbeigegangen sind. Das ist total hilfreich und auch hoffnungsvoll, jeder kann ein bisschen was tun. 

DOMRADIO.DE: Welche Ideen haben die Kinder selbst, was sie für den Frieden in der Nähe tun können? 

Raffauf: Ein Kind fragte, was es tun kann, wenn sich zwei Kinder aus verschiedenen Ländern auf dem Schulhof streiten und wollte dann vermitteln.

Kinder können auch nachfragen, ob innerhalb der Klasse darüber gesprochen werden kann. Die Kinder spüren die Spannung. Wir können ihnen dabei helfen, wie man damit umgeht. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR